Regionale Schule Garz: "Wir entwickeln uns ständig weiter" : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Die Regionale Schule „Am Burgwall“ in Garz auf Rügen (Mecklenburg-Vorpommern) betreibt eine ständige Schulentwicklung und begegnet so erfolgreich den zahlreichen Herausforderungen.

Ein Hinweis auf die erfolgreiche Arbeitsweise der Schulleitung und des 20 Köpfe starken Kollegiums plus Sozialpädagogin Kerstin Bohn an der Regionalen Schule „Am Burgwall“ in Garz findet sich in Leitziel 4.4. des Schulprogramms: „Wir reagieren angemessen und gelassen auf die schulischen Belange.“

Gelassenheit und Pragmatismus – das ist eine wichtige Zutat im Fundament, auf dem die Schulentwicklung der Regionalen Schule „Am Burgwall“ ruht. Der weiter steigende Übergang vieler Schülerinnen und Schüler auf das Gymnasium bedeutet für die Regionalen Schulen in Mecklenburg-Vorpommern – genauso wie andernorts für die Schulen der Sekundarstufe I –auch schwierige Bedingungen, eine gute Mischung der Schülerschaft aufrechtzuerhalten.

Schülerinnen und Schüler auf einem Podium in der Aula
Einmal im Schuljahr stellen sich die Ganztagsschul-AGs den Mitschülerinnen und Mitschülern vor © Regionale Schule "Am Burgwall" Garz

Keine ausreichende finanzielle Ausstattung für den Ganztagsbereich? Vor zwei Jahren schwache Ergebnisse der 10. Klasse im landesweiten Prüfungsvergleich in Mathematik? Proteste der Eltern gegen die Abschaffung von Hausaufgaben? Ein – zumindest von außen – beklagenswerter baulicher Zustand von Gebäudeteilen? Zu kleine Klassenzimmer, in denen sich differenzierende Lernarrangements nur in der Phantasie verwirklichen ließen? Schulleiterin Elke Laue, die 2009 von der Konrektorenstelle auf die Leitungsposition wechselte, benennt alle diese Knackpunkte im Gespräch und bei einem Schulrundgang selbst – Klagen hört man von ihr nicht. „Es ist, wie es ist, und wir müssen schauen, wie wir damit klarkommen“, meint sie.

„Wir kennen alle Schülerinnen und Schüler“

Und die Schule kommt damit klar. Die zahlreichen Zeitungsberichte, die in ihrem Raum hängen, zeugen von den vielen Aktivitäten der Regionalen Schule und einer regen Öffentlichkeitsarbeit, mit der eigens ein Kollege betraut ist. Die stabilen Schülerzahlen – derzeit lernen rund 250 Jugendliche in den beiden Gebäudeteilen am Rande der Stadt Garz – und die Einladung als Ausstellerschule zum bundesweiten Ganztagsschulkongress im vergangenen Jahr nach Berlin sind ebenfalls Ausdruck der Wertschätzung für die geleistete Arbeit.

Der Schule am Burgwall kommt dabei zugute, dass das Kollegium und die Schülerschaft zahlenmäßig überschaubar sind. „Wir sind hier fast wie eine Familie“, erklärt Elke Laue, „es braucht keine langen Diskussionen, die Dinge werden schnell erledigt. Wir kennen alle Schülerinnen und Schüler – sie kennen alle Lehrerinnen und Lehrer. Und die Arbeit macht Spaß.“

Die gemeinsame Arbeit befeuert der Ehrgeiz, besser werden zu wollen: „Lehrerinnen und Lehrer sind Lernende, Fragende, Suchende“ und „Wir entwickeln uns ständig weiter“ heißt es dazu im Schulprogramm. „Mit der Konzeption des Programms haben wir es uns nicht einfach gemacht“, erinnert sich die Schulleiterin. „Wir bildeten Teams, die das Programm ausarbeiteten – und es war allein schon unglaublich schwierig, den Leitfaden zu formulieren.“ Heute lautet das Schulmotto: „Eine Schule für alle, die mit uns lernen wollen.“

Ganztagsschulnetzwerk Mecklenburg-Vorpommern

Schülerinnen und Schüler bei der Projektvorstellung
In der Klasse 7 läuft das Jahrgangsprojekt "Mittelalter" © Regionale Schule "Am Burgwall" Garz

Dies beschränkt sich nicht nur auf die Schülerschaft. Auch das Kollegium und die Schulleiterin dokumentierten unter anderem mit ihrer Teilnahme am bundesweiten Netzwerk Ganztagsschule im Programm „Ideen für mehr! Ganztägig lernen“ von 2010 bis 2012 und am weiter bestehenden Engagement im Ganztagsschulnetzwerk Mecklenburg-Vorpommern ihre Bereitschaft, sich weiterzuentwickeln. „Das bundesweite Netzwerk der DKJS war das beste, das ich je erlebt habe – sowohl organisatorisch und inhaltlich“, lobt Elke Laue. „Und es haben sich Verbindungen ergeben, die ich nicht für möglich gehalten hatte. So konnten wir ganz viel von einer Hamburger Grundschule aufnehmen, mit der wir auch heute noch in Kontakt stehen.“

Die Schulleiterin und ihr Team mussten reagieren, nachdem sie feststellten, dass der herkömmliche 45-Minuten-Unterricht mit ständigem Fächerwechsel für ihre Schülerinnen und Schülern nicht mehr gut war. Auch nicht, was die Lernformen betraf: „Ich hospitiere sehr viel bei meinen Kolleginnen und Kollegen. Und vor Jahren musste ich feststellen, dass ich fast nur Frontalunterricht sehe. Einige machten das hervorragend, bei anderen dachte ich: Wenn ich hier jetzt Schülerin wäre…“ Die Fortbildungen wurden genutzt, um andere Unterrichtsformen kennenzulernen: Gruppenarbeit, Stationenlernen, Gallery Walk, Projektlernen und, und, und. „Wir waren fit wie ein Turnschuh“, erinnert sich Elke Laue an das Lernen und Trainieren der diversen Lehr- und Lernformen. „Meine Kolleginnen und Kollegen waren begeistert dabei und auch sehr zufrieden, als sie diese Elemente in ihren Unterricht einbauten.“ Einziges Problem: Die Schülerinnen und Schüler waren es nicht.

„Eines Tages standen Kinder bei mir auf der Matte und drohten, sie würden die Schule verlassen, wenn das so weiterginge“, berichtet die Schulleiterin. Kurz gefasst: Die Jugendlichen wünschten sich ihren guten, alten Frontalunterricht zurück. „Sie waren genervt und überfordert von den ständigen Methodenwechseln und auch Doppelungen“, erklärt Elke Laue. Beim Bemühen, es besonders gut und abwechslungsreich zu machen, war das Kollegium über das Ziel hinausgeschossen. „Die Mischung muss stimmen, und ein guter Frontalunterricht gehört einfach dazu“, so die Schulleiterin. Heute müssen die Lehrkräfte im Klassenbuch eintragen, welche Methoden sie anwenden, damit die nachfolgenden Kolleginnen und Kollegen sehen können, was bereits in der jeweiligen Klasse gelaufen ist – und die Mischung in der Balance halten. „Unser Unterricht ist jetzt wesentlich besser als vor fünf Jahren“, zeigt sich Elke Laue überzeugt.

Elterlicher Entrüstungssturm

Aus Schulleitung und Kollegium heraus kam auch der Wunsch, die Hausaufgaben abzuschaffen. „Es war nur noch eine Qual. Die meisten Kinder machten sie nicht, und wir waren nur noch damit beschäftigt zu kontrollieren – mit Üben und Vertiefen hatte das rein gar nichts mehr zu tun“, berichtet Elke Laue. Zumal in der ländlichen Gegend rund um Garz mit 95 Prozent Fahrschülerinnen und Fahrschülern einige Jugendliche erst ab 16.30 Uhr zu Hause ankamen. Und dann noch Hausaufgaben? „Wir beschlossen, Lernzeiten einzuführen, in denen dann die Hausaufgaben erledigt werden sollten“, erzählt die Schulleiterin. Doch diese Lösung hatte keinen Bestand: „Was war mit den Kindern, die ihre Aufgaben in der Lernzeit nicht fertig stellen konnten? Die mussten ja immer noch zu Hause weiterarbeiten. Also haben wir die Hausaufgaben ganz abgeschafft.“

Schülerinnen und Schüler in der Sporthalle
Aktionstag "Träume leben" in der Turnhalle © Regionale Schule "Am Burgwall" Garz

Was bei den Eltern einen Sturm der Entrüstung hervorrief, der sich erst jetzt langsam legt, da die ersten Jahrgänge hochwachsen, die es nicht anders kennen. Die meisten Mütter und Väter erkennen nun an, dass in den Lernzeiten tatsächlich sichtbar geübt wird. Alle Aufgaben und ihre Erledigung werden in Hefte und Ordner eingetragen, von den Lehrkräften gegengezeichnet und den Eltern zuhause gezeigt. Die Regionale Schule am Burgwall arbeitet in den Lernzeitblöcken – einmal 80 und einmal 40 Minuten pro Woche – sozusagen mit Zweiwochen-Wochenplänen. Es gibt Pflichtaufgaben, die erledigt werden müssen, und Wahlaufgaben, die erledigt werden können. „Am Anfang gaben meine Kolleginnen und Kollegen zuviel auf – das war für die Schülerinnen und Schüler nicht zu schaffen“, erinnert sich Elke Laue. „Deshalb müssen sie heute bei der Aufgabenstellung angeben, mit wie viel Zeit kalkuliert wird.“

In Still-, Einzel- oder Partnerarbeit, begleitet von einer Lehrkraft, die bei Fragen zur Verfügung steht, erledigen die Schülerinnen und Schüler im Klassenraum ihre Aufgaben. Diese sind in Klarsichthüllen an der Klassenzimmertür zu sehen, sodass die beaufsichtigenden Pädagogen immer sofort orientiert sind, welche Aufgaben in dieser Woche gerade gelöst werden sollen. Die Schülerinnen und Schüler dokumentieren in ihrer Lernzeitmappe, welche Ziele sie sich für diese Woche vornehmen, und durch das Ankreuzen bestimmter Symbole, wie sie mit den Aufgaben klargekommen und wie zufrieden sie mit ihrer Arbeit selbst sind. Diese Maßnahmen wie auch alle anderen „evaluieren wir jedes Jahr in der ersten Ferienwoche“, meint Elke Laue.

Fördern, ohne „ Paukschule“ zu sein

Die Tatsache, dass „es uns zunehmend schwerer fiel, die Jugendlichen zur Berufsreife zu führen“, führte derweil zu einer Umgewichtung in der Ganztagsschule. „Häkeln und Trommeln schön und gut – aber ich muss sehen, dass meine Schülerinnen und Schüler gute Ergebnisse und einen Abschluss erreichen. Das fordern natürlich auch die Eltern“, stellt die Schulleiterin klar.

So gibt es mittwochs noch AG-Angebote wie Nordic Walking oder Schulgarten in den Jahrgangsstufen 5 bis 8, während in den Klassen 9 und 10 nur halbtags gelernt wird. „Ich kann den Jugendlichen wegen des fehlenden Ganztagsbudgets keine interessanten Angebote mit außerschulischen Partnern machen“, erklärt Elke Laue dazu. Aber das Mehr an Zeit wird nun klar für die Förderung der Schülerinnen und Schüler verwendet – „ohne dass wir Paukschule sind“, betont die Schulleiterin. „Meine Kolleginnen und Kollegen bekommen von mir alle Freiheiten, selbst zu entscheiden, wie sie ihren Unterricht rhythmisieren – ob sie Pausen einlegen, mal auf den Schulhof gehen oder mit den Kindern in den Ruheraum.“

Neben den Lernzeiten hat die Schule zusätzlichen Förderunterricht mit Lehrkräften in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik organisiert, in die Schülerinnen und Schüler mit bedenklich schwachen Leistungen für drei Monate wechseln, bis sich ihre Leistungen stabilisiert haben. „Im letzten Jahr lagen wir bei den landesweiten Vergleichen in Deutsch und Englisch im Mittelfeld und waren bei Mathematik nicht mehr Schlusslicht“, berichtet Elke Laue von bereits sichtbaren Erfolgen.


 

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