"Nutze den Tag" : Datum: Autor: Autor/in: Petra Schraml

Der Film "Nutze den Tag" zeigt exemplarisch an sechs Ganztagsschulen in Sachsen, wie vielfältig Ganztagsangebote sein können.

Titelbild Filmprojekt "Nutze den Tag"

Die Kinder der zweiten Klasse der Lessinggrundschule in Leipzig stampfen mit den Füßen auf den Boden, klatschen dabei in die Hände und zählen gemeinsam mit ihrem Klassenlehrer Ingo Ullrich dazu im Takt: eins, zwei, drei, vier und fünf, sechs, sieben, acht. Was wie eine Rhythmusübung aussieht, ist der "normale" Mathematikunterricht an der Lessinggrundschule.

"Über die Rhythmik nehmen die Kinder die Zahlenerfahrung körperlich wahr", ist Ingo Ullrich überzeugt. "Die Kinder wissen, was eine Drei ist, wenn sie sie am ganzen Körper spüren." Ingo Ullrich unterrichtet in der zweiten Klasse Mathematik und Musik. Gerne bringt er beides "durcheinander". Der Erfolg gibt ihm Recht. Zwischen dem Stampfen und Klatschen rechnen die Schülerinnen und Schüler rasch die Rechenaufgaben aus, die er ihnen zuruft.

Ausbau der Ganztagsschulen in Sachsen

Die Lessinggrundschule in Leipzig ist eine von sechs Ganztagsschulen in Sachsen, die in dem Film "Nutze den Tag" porträtiert wird. Das Sächsische Staatsministerium für Kultus hat den Film in Auftrag gegeben, um das Ganztagskonzept im Land Sachsen bekannt zu machen. Kurz vor Weihnachten 2008 ist der Film von Staatssekretär Hansjörg König vorgestellt worden. "Der Film soll anregen, das Ganztagskonzept an vielen Schulen in Sachsen umzusetzen", so König.

Gleichzeitig ist die Dokumentation ein Pool voller neuer Ideen und Anregungen, um die bereits bestehenden Angebote qualitativ weiter auszubauen. Im vergangenen Jahr wurden die Ganztagsangebote fast flächendeckend an sächsischen Schulen eingeführt. Rund 96 Prozent der sächsischen Grundschulen verfügen bereits ein ganztägiges pädagogisches Konzept. Im laufenden Schuljahr 2008/2009 wurden über 1.000 Anträge für Ganztagsangebote bewilligt. Und auch in diesem Jahr stellt der Freistaat Sachsen für die qualitative Weiterentwicklung der Angebote 30 Millionen Euro zur Verfügung.

Intention des Films "Nutze den Tag"

In dem Film "Nutze den Tag" werden am Beispiel von sechs Schulen die Ganztagsschulidee, ihre Ziele, ihre Chancen und ihre Schwierigkeiten dargestellt. Die ausgewählten Schulen sind die Lessinggrundschule in Leipzig, die Grundschule "Am Albertschacht" in Freital, die Mittelschule "Anne Frank" in Stauchitz, das Förderzentrum "Johannes Trüper" in Chemnitz, die 94. Mittelschule in Leipzig und das Goethe-Gymnasium in Bischofswerda. Die Beispiele aus den unterschiedlichen Schularten Grundschule, Mittelschule, Gymnasium und Förderschule zeigen, wie vielfältig Ganztagsangebote an sächsischen Schulen sein können. Man erfährt, wie leistungsstarke Schülerinnen und Schüler gefordert und leistungsschwache gefördert werden, wie, wann und wo die Hausaufgaben erledigt und wie Fördermittel sinnvoll eingesetzt werden oder wie die Schulen außerschulische Kooperationspartner gewinnen.

Rhythmisierung des Schultags

Einen großen Vorteil sehen die Lehrkräfte und Schulleiter der dargestellten Schulen in der Möglichkeit, den Schultag rhythmisieren zu können. Unterricht und Entspannungsphasen wechseln sich ab. Förderstunden werden vor- und nachmittags angeboten, so dass Gelerntes immer wieder geübt und wiederholt werden kann. In der Mittelschule in Leipzig beispielsweise gibt es jeden Donnerstagnachmittag den jahrgangsstufenübergreifenden Kurs zur Förderung bei Lese- und Rechtschreibschwäche. Seitdem haben sich die Leistungen der Schülerinnen und Schüler verbessert. Fest im Stundeplan integriert ist auch die Lernzeit. Zweimal in der Woche erledigen die Schülerinnen und Schüler paarweise oder in Gruppen ihre Hausaufgaben, die anschließend direkt korrigiert werden. Die klassischen Hausaufgaben sind abgeschafft. Zu Hause wird nur noch für die Klassenarbeiten gelernt.

Zeit für unterschiedliche Begabungen

Bedeutend mehr Zeit haben die Schulen jetzt auch für die unterschiedlichen Begabungen der Schülerinnen und Schüler. "Das Beste an Ganztagsschulen ist für mich die individuelle Förderung von Schülern", äußert sich Bodo Lehnig, Schulleiter des Goethe-Gymnasiums Bischofswerda. "Dass man die Schüler wirklich hinsichtlich ihrer Begabungen stärker stützen und auffangen kann". Am Goethe-Gymnasium sind 50 Prozent der Ganztagsangebote Leistungs- und Förderkurse. Zu allen wichtigen Fächern gibt es leistungsdifferenzierte Angebote, die je nach Stärke und Schwäche der Schüler als Nachhilfestunden oder Begabtenförderung ausgerichtet sind.

Individuelle Förderung wird auch am Förderzentrum "Johannes Trüper" in Chemnitz groß geschrieben. Ein Großteil der Schüler leidet unter Wahrnehmungsstörungen und Aufmerksamkeitsproblemen. Viele können sich in großen Klassen nicht konzentrieren. Darauf hat sich die Ganztagsschule eingestellt: Es gibt kleine Klassen, gezielte Übungen und Lehrkräfte, die ihre Schüler während des Unterrichts massieren. "Man darf natürlich von dem Ganztagsangebot keine Wunder erwarten", sagt Schulleiter Tobias Leonarczyk. "Schule ist Schule, und Schule bleibt Schule. Aber ich denke, wenn Schule einfach förderliche Bedingungen zum Lernen bietet, dann ist Schule auf dem richtigen Weg. Es macht das Lernen für die Schüler leichter."

Um leistungsdifferenziert zu fördern und die Schwächen einiger Schülerinnen und Schüler gezielt abzubauen, hat die Lessinggrundschule in Leipzig eine Lerntherapeutin eingestellt. Die Ganztagsschule hat die Möglichkeit, auf Honorarbasis Kräfte von außen hinzuzunehmen, genutzt. Die Lerntherapeutin kommt einmal in der Woche und begleitet den Mathematikunterricht von Ingo Ullrich. Wenn Lerntherapeutin Annette Kiehl mit den Kindern arbeitet, hält sich der Klassenlehrer im Hintergrund. Erst bei der Stillarbeit setzt er sich gemeinsam mit ihr zu den Schülerinnen und Schülern, die Unterstützung brauchen.

Neue Lernformen entwickeln

Neue Lernformen auszuprobieren, ist eine Vorliebe der Lehrkräfte der Mittelschule "Anne Frank" in Stauchitz. Hier beginnt jeder Tag mit freier Stillarbeit als Blockunterricht. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten an vorbereiteten Aufgaben nach eigenem Plan. Es ist ihnen überlassen, ob sie sich zuerst mit Mathematik, mit Englisch oder mit Geographie beschäftigen. Wer mag, kann sich bei Mitschülern, Lehrern und auch anderen Fachlehrern Hilfe holen. Klassenlehrerin Heike Möbius ist überzeugt, dass die Kinder so mehr lernen.

"Ich kann jeden Tag verfolgen, was die Kinder gelernt haben und durch die individuelle Hilfe, die ich geben kann, weiß ich, was sie können, oder wo ich noch einmal ansetzen muss." Auch die Zusammenarbeit von Ganztagsschule und Hort an den Grundschulen läuft nach anfänglichen Irritationen reibungslos. Die Erzieherinnen gehen morgens teilweise mit in den Unterricht und betreuen die Kinder, denen das Lernen schwerer fällt. Dafür unterstützen die Lehrer die Kinder nachmittags bei der Hausaufgabenbetreuung im Hort.

Etwas Besonderes hat sich die Grundschule "Am Albertschacht" in Freital ausgedacht. Dank eines engagierten Elternvereins und der Ganztagsschulförderung des Landes Sachsen gibt es hier ein ungewöhnliches Klassenzimmer für einen fächerverbindenden Unterricht im Grünen: den Schulgarten. Das grüne Klassenzimmer wird von so gut wie allen Fächern genutzt oder einfach nur als Ruheoase in der Hektik des Schulalltages genossen. Die Kinder haben die Biotope selbst geplant, das Baumaterial besorgt, die Pflanzen und Tiere gekauft und das Biotop angelegt. Es war viel Arbeit, aber jetzt sind alle stolz und die Kinder sind sehr gerne dort.

Wichtig: Entspannung am Mittag

Immer wieder geht es in den Ganztagsschulen auch um Entspannung: um einen entspannten Schulbeginn, für den einige Schulen ihre Tore schon um halb acht öffnen oder in denen andere auf die morgendliche Pausenglocke verzichten. Zwischen den Lerneinheiten gibt es längere Pausen, die auf dem Pausenhof, in Ruheräumen oder richtigen Ruheoasen verbracht werden. An der Mittelschule "Anne Frank" in Stauchitz wird in der kreativen Mittagspause Yoga angeboten.

Ein Hit im Förderzentrum Chemnitz ist das Ganztagsangebot "Spiele der Welt" oder auch die Kletterwand. Die Kletterwand ist von Fördermitteln bezahlt worden und begünstigt die Konzentration und Koordination der Jugendlichen. Nach einer Dreiviertelstunde an der Wand ist jeder entspannt und kann dem anschließenden Englischunterricht wieder aufmerksam folgen.

Interessante Angebote bereichern den Schulalltag

Viele Angebote externer Partner bereichern den Ganztagsschulbetrieb in allen vorgestellten Schulen überwiegend am Nachmittag. Kurse wie Kegeln, Judo, Bildhauerei, Tanzen, Zirkusschule, Inline-Skaten, Keramik, PC, Schach, Klavier, Schulchor, Fechten, Schulband, Videokurs, Hockey oder eine Schülerzeitungsredaktion werden von ortsansässigen Vereinen, Eltern, Lehrern oder Arbeitssuchenden betreut. Dabei ist es nicht immer leicht, die Projekte dauerhaft am Laufen zu halten. Manchmal zieht eine Mutter weg, die Tanz gegeben hat oder ein Arbeitsloser, der mit den Kindern an einem interessanten Eisenbahnprojekt arbeitete, hat eine Stelle gefunden. Dennoch lohnt sich die Mühe.

"Schule wird durch die Einbindung von außerschulischen Angeboten zu einem Ort des Lernens" findet Tobias Leonarczyk, Leiter der Förderschule Chemnitz. "Auch ein Stückweit zu einem Ort der Begegnung." Am Goethe-Gymnasium in Bischofswerda kann jeder seine Meinung zu den Angeboten abgeben und Wünsche äußern. Durch die Möglichkeiten sich auszuprobieren, verstärkt sich die Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler in der Schule zu bleiben, ist Schulleiter Bodo Lehnig sicher. Und auch Heike Möbius von der Mittelschule in Stauchitz ist positiv überrascht: "Es ist schön, die Schüler von einer anderen Seite kennenzulernen. Man kommt ins Staunen, was die Schüler in ihrer Freizeit alles packen können."

Kategorien: Service - Tipps

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