GTA in Sachsen – wie lässt sich Qualität messen? : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Wie können Schulen die Qualität ihrer Ganztagsangebote zeitsparend selbst evaluieren? Der Ganztagsschulverband Sachsen hat sich mit dieser Frage beschäftigt und einen übersichtlichen Fragebogen ins Netz gestellt.

Sechs Qualitätsmerkmale umfasst der „Qualitätsrahmen Ganztagsangebote“ (PDF, 356kB, nicht barrierefrei), mit dem das Sächsische Kultusministerium seit Januar 2019 „die Vergleichbarkeit der Angebote und die Chancengerechtigkeit für Schülerinnen und Schüler“ sichern möchte: Gestaltung der Zeitstruktur, Freizeitangebote, individuelle Förderung, Kooperation mit außerschulischen Partnern, Partizipation von Eltern und Schülern sowie die Qualitätssicherung und -entwicklung. „Die Inhalte des Qualitätsrahmens GTA bilden das sächsische Qualitätsverständnis ganztägiger Angebote hinsichtlich gestaltbarer Prozessmerkmale an Schulen in Sachsen ab“, heißt es dazu auf der Website des Kultusministeriums.

Als eine Basis für die „Qualitätssicherung und -entwicklung“ schreibt der Qualitätsrahmen vor, dass die Ganztagsangebote „regelmäßig intern evaluiert“ werden. Die Evaluationsergebnisse sollen dokumentiert, ausgewertet und schulintern veröffentlicht werden, und die Steuergruppen sollen anhand der Evaluationsergebnisse die Fortschreibung der Ganztagskonzeption vornehmen.

Zeitsparende Evaluationsinstrumente gesucht

Christoph Bülau
Christoph Bülau © Universität Leipzig / Sven Reichhold

Über die „Prozesse der schulinternen Evaluation“ heißt es: „Die Schule verfügt über geeignete methodische Instrumente zur Evaluation der ganztägigen Angebote.“ An dieser Stelle liegt für Christoph Bülau, den Co-Vorsitzenden des Ganztagsschulverbandes Sachsen, der Hase im Pfeffer: „Viele Lehrerinnen und Lehrer, die als Ganztagskoordinatorinnen und -koordinatoren eingesetzt sind, fragen sich hier: Wie?“ Gemeint sind Fragen wie: Wie entwickle ich ein geeignetes methodisches Instrument? Wie entwickle ich zum Beispiel einen Fragebogen, der annähernd Gütekriterien der Forschung – objektiv, valide, reliabel – entspricht und damit aussagekräftige Ergebnisse bringt?

Christoph Bülau ist seit 2014 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Leipzig und seit 2016 am Lehrstuhl für Schulpädagogik unter besonderer Berücksichtigung von Schulentwicklungsforschung tätig. Er weiß, dass „wir Lehrkräfte noch nicht ausbilden, wie sie Evaluationen entwickeln und durchführen können“. Selbst wenn es so wäre, würden der Schulalltag mit den vielen Aufgaben, die Lehrerinnen und Lehrer neben ihren Unterrichtsaufgaben „noch und nebenbei“ zu erledigen haben, und die ständige Zeitknappheit dies nicht erleichtern.

Für Bülau ist es daher geboten, dass ein Evaluationsinstrument, in diesem Fall ein Fragebogen, vier Kriterien erfüllen sollte: „Er muss zeitsparend, datenarm, digital verfügbar und kostenfrei sein.“ Und einen ebensolchen Fragebogen hat er im Rahmen einer Online-Mikro-Fortbildungsreihe „Ganztagsangebote in Sachsen – wie lässt sich die Qualität messen?“ vorgestellt. Er ist Teil einer Arbeitshilfe zum „Qualitätsrahmen Ganztagsangebote“, die der Ganztagsschulverband Sachsen im Oktober 2020 veröffentlicht hat.

Die Qualität der Angebote erfassen

Dennis Nowak
Dr. Dennis Nowak © GTSV Sachsen

Die Arbeitshilfe greift auch das Thema Evaluation auf. Dazu hatte der Verband ein Modellprojekt in Kooperation mit Dr. Fabienne Ennigkeit und Dr. Dennis Nowak ins Leben gerufen. Fabienne Ennigkeit ist Akademische Rätin in der Abteilung Sportpädagogik des Instituts für Sportwissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main und beschäftigt sich unter anderem mit quantitativen Methoden in der empirischen Bildungsforschung. Dennis Nowak ist Lehrer am Adorno-Ganztagsgymnasium in Frankfurt am Main und derzeit als abgeordneter Lehrer am Medienzentrum Frankfurt und im Staatlichen Schulamt tätigt. Außerdem ist er Lehrbeauftragter am Institut für Sportwissenschaften der Goethe-Universität.

Fabienne Ennigkeit und Dennis Nowak haben das Evaluationsinstrument „Ganztag: Interne Evaluation für Schulen“ (GAINS) zur Messung der Angebotsqualität im Ganztag konzipiert, der von Ganztagskoordinatoren und Lehrkräften als auch von Schülerinnen und Schülern, aber ebenso von Eltern genutzt werden kann. Einen Teil daraus haben nun Christoph Bülau und seine Mitstreiter im Landesverband auf der Online-Kommunikationsplattform Edkimo allen sächsischen Schulen mit Ganztagsangeboten kostenfrei zur Verfügung gestellt.

In der Online-Fortbildungsreihe konnten die interessierten Ganztagskoordinatorinnen und Ganztagskoordinatoren und Lehrkräfte beispielhaft den Fragebogen, der die Qualität eines GTA-Angebots aus der Perspektive von Schülerinnen und Schülern bewertet, kennenlernen. „Die Fragen sind auf der Basis wissenschaftlicher Ganztagsschulforschung entwickelt worden“, erläutert Christoph Bülau, „und thematisieren Aspekte, die sich als zentral für die Qualität der Angebote herausgestellt haben.“ Der Fragebogen erfasse alle Angebotstypen und Förderangebote: Bewegungsangebote, Spiel- und Sportangebote, musisch-künstlerische Angebote, mathematisch-informatische, naturwissenschaftlich-technische oder Fremdsprachenangebote. Zugleich kann er als Instrument der Partizipation der Kinder und Jugendlichen genutzt werden.

28 Aussagen in fünf Minuten

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Der Ganztagsschulverband tritt für die Interessen der Schulen ein. © GTSV Sachsen

Der Fragebogen besteht aus 28 Aussagen, welche die vier Faktoren Lernförderlichkeit, Interesse, pädagogische Unterstützung und Lerngemeinschaft abbilden. Aussagen sind zum Beispiel: „Ich lerne in dieser AG Dinge, die mir im Unterricht helfen“, „Ich lerne in dieser AG Dinge, die ich vorher nicht wusste“, „Ich freue mich auf diese AG“ oder „In dieser AG bringe ich mich ein“. Die Schülerinnen und Schüler können zu jeder Aussage eine von vier Antwortmöglichkeiten auswählen: „Stimmt gar nicht“, „Stimmt eher nicht“, „Stimmt eher“ und „Stimmt genau“.

Die Antworten sind durch das standardisierte Vorgehen vergleichbar – sowohl für Ganztagskoordinatoren, die so die verschiedenen Angebote am Ende eines Schulhalbjahres vergleichen können, als auch für GTA-Leitungen, wenn sie im Verlauf eines Schulhalbjahres die Veränderungen erfassen wollen. Vor allem aber, so betont Christoph Bülau: „Die Bearbeitung dauert nur fünf Minuten.“

Die Antworten fasst das Programm in Sekundenschnelle und gut überblickbar in Tortendiagrammen zusammen. Den Nutzerinnen und Nutzern steht es frei, eigene Fragen hinzuzufügen und auf andere zu verzichten oder auch Fragen zu ändern. Der „Zettelwirtschaft“ biete dieser digitale Fragebogen Einhalt. Das Evaluations-Tool ist für alle Endgeräte optimiert. Versierten Nutzerinnen und Nutzern können die Lehrkräfte einfach einen QR-Code zur Verfügung stellen, über den die Schülerinnen und Schüler direkt auf die Website mit der entsprechenden Befragung gelangen.

Die bisherigen Rückmeldungen sowohl von Schulen als auch von außerschulischen Bildungsanbietern haben Christoph Bülau bereits gezeigt, dass es sich um ein hilfreiches Instrument handelt, um die Qualität der Angebote weiterzuentwickeln oder Kooperationen zu professionalisieren. Vor allem die Besprechung der Ergebnisse mit den Schülerinnen und Schülern und den Angebotsleitungen sei „ein guter Anlass, um über die Gestaltung der Ganztagsangebote ins Gespräch zu kommen und die Schulentwicklung voranzutreiben‟. Demnächst werde der Landesverband den Schulen einen zweiten Fragebogen zugänglich machen.

 

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