Die Zukunftsschule am Meer : Datum: Autor: Autor/in: Peer Zickgraf
Die ecolea - Internationale Schule Rostock, gegenwärtig von rund 200 Schülerinnen und Schüler besucht, ist ein dreizügiges Gymnasium mit den Jahrgangsstufen fünf bis sieben.
Aus den Klassenräumen dringen die Töne von Blasinstrumenten in gedämpftem Staccato in den Flur. Kurz darauf fallen die schwarzen Koffer, die die Schülerinnen und Schüler an diesem frühsommerlichen Frühlingstag im Mai geschultert haben, besonders ins Auge. In ihnen befinden sich Blasinstrumente. Im regen Verkehr, der zwischen Flur und Klassenraum der ecolea am Nachmittag aufgekommen ist, begegnen sich nicht nur gut gestimmte Mädchen und Jungen der Jahrgangsstufen fünf bis sieben, sondern mit den Koffern über ihren Schultern auch die unterschiedlichen Gattungen der Blasinstrumente: Trompete, Klarinette, Saxophon, Querflöte und Euphonium.
Besonderer Beliebtheit erfreut sich das Saxophon. Ein Mädchenquartett hat sich zu Proben in den Klassenraum zurückgezogen: Hanna, Annika, Maxi und Henrike, alle zwölf Jahre alt, proben den Evergreen aus dem Kino-Blockbuster "Titanic". Zwei Sängerinnen und zwei Saxophon-Spielerinnen bilden das Quartett.
Die Schülerinnen werden durch ihren Musiklehrer Frank Genkinger, der auch Leiter der Bläserklassen ist, am Klavier begleitet. Sie üben für einen schulinternen Musikwettbewerb. Wie die vier Schülerinnen lernen alle Kinder an der ecolea von Beginn an, ein Instrument zu spielen.
Alle Kinder lernen ein Musikinstrument
Der Musikunterricht erfolgt also am Instrument und beinhaltet das Musizieren im Klassenverband mit Orchesterblasinstrumenten. "Das gemeinsame Musizieren stärkt die Klassengemeinschaft und fördert die sozialen Kompetenzen", erläutert Silke Bull. Der Musikschwerpunkt an der Ecolea wird durch die Schulleiterin tatkräftig unterstützt. Schon zu früheren Zeiten als Musiklehrerin erkannte sie das Potenzial, das in der Musik im Bereich der individuellen Förderung schlummert.
Die teuren Musikinstrumente, die sich viele Schülerinnen und Schüler normalerweise nicht leisten könnten, stellt die ecolea den Fünft- bis Siebtklässlern leihweise zur Verfügung: "Die individuelle Form der Förderung der Schülerinnen und Schüler, auch die der musikalischen Förderung, funktioniert nur, weil die Kolleginnen und Kollegen den ganzen Tag in der Schule anwesend sind", erläutert die Schulleiterin.
Eine Zukunftsschule des 21. Jahrhunderts
Die ecolea - Internationale Schule Rostock, die gegenwärtig rund 200 Schülerinnen und Schüler hat, ist ein dreizügiges Gymnasium mit den Jahrgangsstufen fünf bis sieben. Jedes Jahr baut sie eine Jahrgangsstufe auf, so dass alle Schülerinnen und Schüler ihr Abitur ablegen können. Die öffentliche Schule in freier Trägerschaft zeichnet sich laut Schulleiterin Bull durch das Einbeziehen des Gemeindelebens in die Ganztagsschule aus.
Ihr Profil ruht unter anderem auf bilingualem Unterricht, der Ausrichtung auf Naturwissenschaften sowie dem Austausch mit europäischen Schulen. Die ecolea bereitet die Schülerinnen und Schüler auf die Globalisierung vor: "Wir haben nicht nur eine europäische, sondern eine internationale Orientierung", erläutert die Schulleiterin.
Die Schülerinnen und Schüler lernen in buchstäblich allen Lagen und nutzen beinahe jeden Winkel der Schule. "Das Haus ist von oben bis unten besetzt", sagt Bull. Draußen auf dem Flur, der auch als "Sozialfläche" und Präsentationsraum dient, sitzen Jungen und Mädchen der Klasse 5c auf dem Boden. Ein Junge hat sich als Kelte verkleidet: auf dem Kopf trägt er einen papiernen Helm und in der Hand hält er ein Schwert, das der Schüler ebenfalls aus Papier gebastelt hat: "Wie lebten die Kelten, und wie bauten sie ihre Häuser?" - diesen Fragen geht die fünfköpfige Arbeitsgruppe nach.
Da die Schülerinnen und Schüler die historische Lebensweise der Kelten später vor ihrer Klasse präsentieren, sind viele Mittel der Recherche erlaubt: außer Büchern und dem Internet eben auch das darstellende Spiel. Sie sollen dabei das Methodenlernen üben, das dem Unterricht zugute kommt.
Von "Skills" und Kelten
Theater im Besonderen und kulturelle Bildung im Allgemeinen haben für Silke Bull einen großen Stellenwert: "Das darstellende Spiel ist Unterrichtsfach", so die Schulleiterin. Es fügt sich in den ganzheitlichen Ansatz der Schule ein, der die Kinder als Gesamtpersönlichkeit versteht.
"Wir brauchen Kreativität, um die Probleme der Zukunft zu lösen. Projekte in den Bereichen Musik, Theater, Tanz, Literatur, Medien und Kunst ermöglichen die Entwicklung von kreativen Potenzialen. Kooperationen mit Musikschulen, Theatergruppen, Literaturhäusern und Kunst- und Medienwerkstätten stellen die Arbeit in der Schule in einen gesellschaftlichen Zusammenhang und sichern Professionalität und Wirklichkeitsbezug", ist auf der Homepage der ecolea unter der Überschrift "Kunst und Kultur" zu lesen.
Eine Besonderheit der Schule ist ferner die Einübung in Schlüsselqualifikationen unter dem Vorzeichen "Skills". Sie vermitteln den Schülerinnen und Schülern soziale Fähigkeiten und methodische Werkzeuge und verdeutlichen den erweiterten Lernbegriff an der ecolea. Neben der musikalischen Ausbildung am Instrument, gibt es an diesem Nachmittag auch dazu eine Schüler-AG, die von einer Lehrerin begleitet wird.
Auf der Tafel steht geschrieben: "Kurzvortrag". Was muss man dabei beachten? Der zwölfjährige Maximilian gibt dem Besucher Auskunft: "Laut und deutlich sprechen und den Gesprächspartner direkt anblicken." Der selbstbewusste Schüler lässt seiner Neugierde freien Lauf: "Was machen Sie eigentlich hier?", fragt er den auswärtigen Besucher.
Eine Schule mit Strand
Wenn man die Individualität einer Schule beschreiben möchte, müssen die zahlreichen Details im Zusammenhang mit dem Ganzen betrachtet werden. Die umfangreichen Musikangebote, Stärkung der Sozialkompetenzen, Theater, Segeln in Rostock-Warnemünde vor Ort, die Erforschung der natürlichen Umgebung am Strand oder nicht zuletzt die Einrichtung der "Freien Lernorte" zur Stärkung der Medienkompetenz werden in der ecolea organisch mit dem Unterricht verwoben.
Dieser findet in sogenannten "Unterrichtsbändern" statt, die sich vom 45-Minuten-Rhythmus gelöst haben. Die Schule beginnt morgens um 7:30 Uhr mit einem offenen Anfang: "In dieser Zeit haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, ihre Hausaufgaben zu erledigen, falls sie es nicht am Vortag geschafft haben", erläutert die Schulleiterin.
Die Fächer Englisch, Deutsch, Mathe, Physik, Musik, Sport und andere werden in Bändern unterrichtet. Es gibt zwei Bänder am Vormittag à 90 Minuten, ein drittes mit 55 Minuten sowie ein viertes Band à 85 Minuten. Die Auflockerung des dichten Schultags ermöglicht eine lange Mittagspause von 50 Minuten. Viermal im Jahr gibt es ferner eine Kompaktwoche für Projekte wie die Kinderoper "Brundibär" sowie eine Woche im Jahr, die sich ausschließlich Sportangeboten wie Segeln, Ringen, Tennis oder Akrobatik widmet.
Monsieur Bocuse auf einem Mountainbike
Doch dies alles wäre für die Kinder ohne die Mensa mit seinem Chefkoch Heinz Neudek nur halb so viel wert. Volle 100 Prozent der Schulkinder nehmen an dem Mittagessen in einer modern ausgestatteten und zudem gemütlichen Mensa teil. An diesem Nachmittag trifft man den Chefkoch mit seinem Mountainbike in gelber-weißer Fahrradkluft an.
Neudek macht sich auf dem Weg, um seine Schulkinder vor den Feiertagen mit rund 200 Stück Eis zu versorgen. "Er kennt jeden Fischer oder Lebensmittelhändler persönlich", so Bull. Angesichts der derzeitigen Preisexplosion im Lebensmittelbereich ist das eine recht günstige Ausgangssituation. Einmal die Woche geht Neudek nämlich selbst einkaufen. Schließlich möchte der Chefkoch seine Schulkinder nicht nur mit frischem Obst und Salat gesund ernähren, sondern auch weiterhin auf ihre persönlichen Wünsche eingehen.
"Was mögen die Kinder?" Da Heinz Neudek bereits in vielen Bundesländern gearbeitet hat, kann er sie immer wieder mit Speisen wie Spätzle gewinnen, die in Mecklenburg-Vorpommern nicht besonders bekannt sind. "Heute gab es für die Kinder aber Hühnerfrikassee und fünf verschiedene Salate: Das passt zum frühsommerlichen Wetter." Die Speisen werden natürlich frisch zubereitet. Hinzu kommt, dass die Mensa über eine Lärmdämmung, gute Beleuchtung und schöne Möbel eine Esskultur entfaltet.
Lesen unter olympischen Bedingungen
"Die Kinder verbringen mindestens 35 Stunden pro Woche in der Schule", erläutert Silke Bull die Anforderungen ihrer Einrichtung. Die Vermittlung zukunftsfester Lesekompetenzen mit Beginn der fünften Klassenstufe drückt sich nicht zuletzt in den Diagrammen aus, die vor den Klassenräumen hängen. Daraus geht anschaulich hervor, wie viele Buchseiten eine Klasse schafft.
Diese Ergebnisse werden im Rahmen der Leseolympiade zwischen den Klassen vergleichbar dargestellt. Das Gleiche gilt für die Leseleistung der einzelnen Schülerinnen und Schüler. Auch diese wird nach Seitenzahl pro Schüler in Diagrammen errechnet. Die jeweils drei besten werden regelmäßig ausgezeichnet. Einen Preis können aber auch diejenigen Schulkinder gewinnen, die ihre Leseleistung besonders steigern.
Physik oder Chemie am Wasser erforschen
Hohe Anforderungen stellt die ecolea ferner im naturwissenschaftlichen Bereich. Dabei kommt der Schule zugute, dass die Fachräume für Physik und Chemie sich auf dem neuesten technischen Stand befinden. Der Fachunterricht in den Naturwissenschaften wird aber eng mit den außerschulischen Lernorten verwoben: "Alles schreit bei uns danach, dass wir am Wasser forschen", erläutert die Schulleiterin. Wenn am Vormittag Naturwissenschaften in den Fächern Mathe, Physik oder Chemie vermittelt werden, kann das neu erworbene Wissen am lebenden Objekt studiert werden.
Das Leibniz-Institut für Ostseeforschung, das sich als Partner mit im Boot befindet, hilft dabei, die außerschulischen Lernorte professionell zu erschließen: "Die Interessen der Kinder werden am Nachmittag fortgeführt", sagt Bull. Dafür werden "Verantwortungspartnerschaften" mit Partnern und Sponsoren gepflegt.
Hohe Anforderungen an die Kinder
In der ecolea besteht das Besondere unter anderem in der Verbindung des Alten mit dem Neuen. Oder, wie es auf der Homepage der Schule heißt: "Das Grundgesetz misst den Schulen in freier Trägerschaft einen weiten Rahmen eigener Gestaltung und Profilierung zu, der es ihnen ermöglicht, zukunftsorientierte und praxisnahe Bildung zu vermitteln. Alle Sinne ansprechend, möchten wir den individuellen Voraussetzungen, Interessen und Begabungen der Kinder gerecht werden. Wir möchten, dass die Kinder sich in unserer Schule wohl fühlen und sie auf dieser Grundlage zu guten Leistungen führen."
Kategorien: Ganztag vor Ort - Lernkultur und Unterrichtsentwicklung
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