Clemensschule: „Ganztag ist nicht verlängerter Unterricht“ : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Die Clemensschule Wesuwe in Haren (Ems), eine offene Ganztagsgrundschule, nutzt auch die Adventszeit für die Schulentwicklung. Schulleiter Hermann Lübbers im Interview.

Schüler führen ein adventliches Theaterstück auf
Stadt Haren, FC Wesuwe und Förderverein stifteten die Theaterbühne. © Clemensschule Wesuwe

Online-Redaktion: Herr Lübbers, vor zwei Jahren sind wir durch unseren Weihnachtsartikel auf Ihre Schule gestoßen – lassen Sie uns bei dem Thema beginnen: Wesuwe und Ihre Ganztagsgrundschule bekamen kürzlich wieder hohen Besuch...

Hermann Lübbers: Ja, wie jedes Jahr waren der Nikolaus, Knecht Ruprecht und die Engelchen da, erst im Dorfgemeinschaftshaus in Wesuwe-Siedlung und dann in der Kirche von Wesuwe. Dort haben unsere Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit den Kindergartenkindern ihre eingeübten Gedichte und Lieder vorgetragen. Der Chor, die Kinderschola Wesuwe und die Kolpingkapelle haben wunderschöne Weihnachtsmusik gemacht. Es war eine sehr gelungene Veranstaltung, die schon eine Tradition bei uns hat.

Online-Redaktion: Tradition haben auch Ihre Adventsfeiern?

Lübbers: Das rührt noch von meinem Vorgänger Reinhard Monden her und ist ein fester, lieb gewonnener Bestandteil unserer Adventszeit. Jeden Montag versammeln wir uns alle vor der ersten Unterrichtsstunde, wenn es noch dämmrig und die Stimmung sehr besinnlich ist, um unseren großen Adventskranz. Die nächste Kerze wird entzündet, und die Schülerinnen und Schüler tragen Gedichte und Lieder vor. Unser ehemaliger Rektor begleitet uns seit seiner Pensionierung vor sechs Jahren regelmäßig auf der Gitarre. Das ist eine Bereicherung, dass er immer noch dabei ist und den Kontakt zu uns hält.

Es entsteht auch ein Gemeinschaftsgefühl, was bei den Kindern und uns Erwachsenen sehr gut ankommt. Ich finde es wichtig, dass wir das so machen, denn wir wollen die Adventszeit mit Inhalt füllen: Was bedeuten Advent und Weihnachten? Wir wollen auch den christlichen Bezug herstellen. Das wird in den adventlich geschmückten Klassen fortgeführt, wo montags im Anschluss unter anderem Weihnachtsgeschichten vorgelesen werden. Es gibt immer wieder Kinder, die das zu Hause gar nicht mitbekommen, dass die Adventszeit eine besondere Zeit ist, oder die nicht wissen, was sie bedeutet. Wir tragen da auch zur Bildung bei.

Online-Redaktion: Dazu gehört auch die Weihnachtskartenaktion...

Kollegium der Clemens-Schule
Das Kollegium mit Schulleiter Hermann Lübbers (vorn Mi.). © Clemensschule Wesuwe

Lübbers: Über Mitbürger aus Wesuwe haben wir Kontakt zu einer Hilfsorganisation erhalten, die Projekte in Guatemala unterstützt. Das Projekt steht unter der Überschrift „Kinder helfen Kindern“. Wir finden es wichtig, dass sich unsere Schülerinnen und Schüler sozial engagieren. Bereits im Sommer hatten wir einen Sponsorenlauf. Und im Frühjahr haben unsere Schülerinnen und Schüler im Kunstunterricht und in der Kreativ-AG am Nachmittag genauso wie Kinder im Ernährungs- und Gesundheitszentrum CERNE, ein Hilfsprojekt in Guatemala, Karten mit weihnachtlichen Motiven gemalt. Die haben wir nun drucken lassen. Die Schülerinnen und Schüler verkaufen sie an Bekannte, Freunde und Verwandte. Mit dem Erlös unterstützt unsere Schule das Gesundheitszentrum. Unseren Kindern haben wir gezeigt, was dort konkret mit dem Geld geschieht.

Online-Redaktion: Kommen wir zum Ganztag: Wie ist die Akzeptanz des Ganztagsangebots an Ihrer Schule?

Lübbers: Wenn der Unterricht um 12.45 Uhr endet, fällt hier nicht auf einmal der Vorhang, sondern die meisten Kinder bleiben hier, essen zu Mittag und besuchen die Arbeitsgemeinschaften. Die Nachfrage an der Teilnahme ist sehr groß. Die Eltern stehen sehr dahinter, und wir erhalten überwiegend positive Rückmeldungen. Alle unsere 110 Schülerinnen und Schüler nehmen mindestens an einem Tag in der Woche am Angebot teil, einige an allen drei Tagen.

Selbst wenn Eltern für die Erstklässler erstmal nur vorsichtig einen Tag wählen, weiten sie die Nutzung häufig schon im zweiten Halbjahr aus, weil es den Kindern so gut gefällt. Das ist nicht nur der Berufstätigkeit geschuldet. Das Angebot ist einfach attraktiv! Die Schülerinnen und Schüler entscheiden sich selbst dafür. Manche melden sich auch an, weil ihre Freunde hier sind.

Online-Redaktion: Sie erwähnten das Gemeinschaftsgefühl. Erstreckt sich das auch auf die außerschulischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Ganztagsangebote gestalten?

Lübbers: Wir sind eine offene Ganztagsschule, aber für uns spielt es keine Rolle, dass es zwei Blöcke des Schultages gibt. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Betreuung und der AGs gehören zu unserem Kollegium. Sie sind fachlich und von ihren Persönlichkeiten her voll akzeptiert. Wer unsere Schule besucht, wird nicht unterscheiden können, wer hier Lehrer ist und wer zum weiteren pädagogischen Personal gehört. Die Übergänge sind ja fließend.

Wir sehen den Nachmittag ausdrücklich nicht als verlängerten Unterricht, sondern hier sollen andere Aktivitäten im Vordergrund stehen. Wir haben öfter diskutiert, ob wir den Nachmittag mehr „verschulen“ sollten, zum Beispiel durch Förderunterricht. Aber wir sind zum Ergebnis gekommen, dass der Vormittag inhaltlich voll genug gepackt ist. Die Schülerinnen und Schüler lernen im Unterricht sehr viel.

Schüler sortieren Hühnereier
Nach dem Besuch des Hofs Lampen gibt es Eierspeisen in der Schulküche. © Clemensschule Wesuwe

Davon soll sich der Nachmittag mit anderen Akzenten abheben. Das heißt aber nicht, dass die Angebote nicht pädagogisch durchdacht sind. Zum Beispiel unsere Steinzeit-AG: Sie wird von Mitarbeitern des Archäologischen Museums durchgeführt, und die können Dinge vermitteln, die auch im Sachkundeunterricht zu Hause wären. Aber der Rahmen und die Art und Weise der Vermittlung sind ganz anders.

Online-Redaktion: Im Leitbild der Schule ist der Punkt „Anleitung zum selbstständigen und eigenverantwortlichen Lernen“ aufgeführt. Welche Methoden werden dazu eingesetzt?

Lübbers: Über das Thema „Individuelle Förderung“ machen wir uns schon lange Gedanken und haben uns dazu auch externe Hilfe vom Niedersächsischen Landesinstitut für Qualitätsentwicklung (NLQ) geholt. Wir haben uns jetzt entschieden, in den kommenden Jahren verstärkt Lernwerkstätten einzusetzen. Hier scheinen uns die Möglichkeiten selbstständigen Lernens sehr gut zu sein. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden an Themen wie zum Beispiel in Englisch „Christmas“ oder in Deutsch an „Gedichten“. Die Kolleginnen und Kollegen stellen die Lernwerkstätten in den pädagogischen Konferenzen dem ganzen Kollegium vor und können nach Bedarf von allen eingesetzt werden.

Online-Redaktion: Gibt es auch im Nachmittagsbereich des offenen Ganztags Förderangebote?

Lübbers: Nach dem Mittagessen gibt es bei uns das einstündige „Übende Lernen“. Dort erledigen die Kinder ihre Hausaufgaben, begleitet von Lehrkräften und außerschulischen Fachkräften. In den Klassenräumen stehen Computer mit Lernprogrammen wie „Mathe-Piraten“. Dort können die Schülerinnen und Schüler in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden selbstständig arbeiten, wenn sie früher mit ihren Aufgaben fertig sind. Jedes Kind hat dazu sein eigenes Konto. Oder sie erhalten von den Lehrkräften und den pädagogischen Mitarbeiterinnen differenzierende Aufgaben.

Online-Redaktion: Die Clemensschule hat gerade den 2. Platz beim Klimaschutzpreis mit ihrem Projekt „KLASSE! Bienen“ erreicht. Wie ist Ihre Schule auf die Bienen gekommen?

Schüler in Imker-Anzügen mit einer Bienenwabe
Umwelt- und Klimaschutz: Projekt „KLASSE! Bienen“. © Clemensschule Wesuwe

Lübbers: Wir haben unser Schulcurriculum überarbeitet und sind auf das Thema „Insekten“ zu sprechen gekommen. Aus unserer Kooperation mit dem Förderverein Imme Bourtanger Moor ist seit letztem Schuljahr ein Bienenschaukasten entstanden, der, so wie ich das mitbekommen habe, relativ einmalig sein soll. Hier können die Schülerinnen und Schüler die ganzen Ablaufprozesse eines Bienenlebens im Jahreskreislauf miterleben. Eine Kollegin hat das im Ideenaustausch mit dem Verein für den Unterricht aufbereitet, Themen gesucht und unterschiedliche Materialien zusammengestellt. Und die Niedersächsische Bingo-Umweltstiftung hat uns finanziell unterstützt, sodass wir den Kasten aufbauen, Infotafeln aufstellen und Zubehör wie Schutzanzüge kaufen konnten.

Online-Redaktion: Für eine Grundschule ungewöhnlich ist Ihr Projekt „Hospiz macht Schule“. Wie ist das zustande gekommen?

Lübbers: Dieser Kontakt besteht schon über viele Jahre, es gab damals einen konkreten Anlass. Die Mutter einer Schülerin ist in der Hospizbewegung tätig. Innerhalb einer Woche beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler mit den Themen Hospiz, Tod, Sterben und Trauer und werden dabei auf einfühlsame Weise, professionell und kindgerecht von ehrenamtlichen Hospizhelferinnen begleitet. Zum Abschluss kommen freitags die Eltern zu einem Frühstück und Austausch dazu. Die Nachfrage nach diesem Projekt ist sehr hoch, sodass wir dieses Jahr nicht zum Zuge gekommen sind, aber im kommenden Jahr werden wir wieder dabei sein. Wir finden es wichtig, dass sich die Kinder auch einmal mit diesen Themen beschäftigen. Es hat hier sehr positive Rückmeldungen gegeben, und ich kann anderen Schulen das Projekt nur empfehlen.

Online-Redaktion: Ein ganz anderes Beispiel aus dem Ganztagsangebote ist die AG „Abenteuer Landwirtschaft“. Was passiert dort?

Lübbers: Bei uns führen das Markus Ostermann und Michael Wester von der Vereinigung des Emsländischen Landvolkes zusammen mit örtlichen Landwirten durch. Es gibt jeweils einen theoretischen Teil und daran anschließend einen Ausflug auf den Bauernhof. Ist zum Beispiel das Thema „Milch“ dran, besuchen die Schülerinnen und Schüler einen Milchbauern. In der Woche darauf kommen die Landfrauen, um mit den Kindern mit Milchprodukten etwas zu kochen. Das nächste Thema kann „Ackerbau“ oder „Getreide“ sein, wo eine Getreideernte besucht wird und dann mit Getreide gebacken wird. Die Bauern sind sehr daran interessiert, in die Schulen zu kommen, um den Kindern ein realistisches Bild der Landwirtschaft zu vermitteln, die unsere Region sehr prägt.

Schüler bei der Adventsfeier
Mit Liedern, Gedicht und Nikolaus-Rap in den Advent. © Clemensschule Wesuwe

Online-Redaktion: Weihnachten ist die Zeit des Wünschens. Wenn Sie Wünsche für Ihre Schule frei hätten, welche wären das?

Lübbers: Wir wünschen uns, dass wir allen Kindern gerecht werden können. Die Heterogenität der Schülerschaft ist nicht selten eine Herausforderung. Mit Hochbegabung und Förderbedarf umzugehen und Kinder mit Migrationshintergrund zu fördern. Um erfolgreich inklusiv zu unterrichten, wünschen wir uns mehr Förderlehrer und Förderlehrerinnen und auch mehr Stundenzuweisungen dafür.

 

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