Neu: KMK-Empfehlungen zur Qualität des Ganztags : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Die Kultusministerkonferenz der Länder hat „Empfehlungen zur Weiterentwicklung der pädagogischen Qualität der Ganztagsschule“ beschlossen. Schülerinnen und Schüler wandten sich auch direkt an die KMK-Präsidentin.

Prof. Dr. R. Alexander Lorz, Hessischer Kultusminister, KMK-Präsidentin Katharina Günther-Wünsch, Christine Streichert-Clivot, Ministerin für Bildung und Kultur im Saarland, Generalsekretär der KMK Udo Michallik (v.l.n.r.)
Prof. Dr. R. Alexander Lorz, Hessischer Kultusminister, KMK-Präsidentin Katharina Günther-Wünsch, Christine Streichert-Clivot, Ministerin für Bildung und Kultur im Saarland, Generalsekretär der KMK Udo Michallik (v.l.n.r.) © Kultusministerkonferenz

Gerade drei Monate sind vergangen, seit sich Schülerinnen und Schüler auf Einladung der Serviceagentur Ganztag Berlin beim Kongress „So sieht’s aus: Unser Blick auf Ganztagsschule“ getroffen hatten, um ihren Ideen einer guten Ganztagsschule Ausdruck zu verleihen. Die rund 80 Kinder aus zwölf Grundschulen der Bundeshauptstadt nannten Konkretes: Sie wünschen sich u.a. „ein gutes Miteinander – keinen Streit“ oder „eine Ausstattung der Schule, die zu unseren Interessen passt. Nämlich mehr Natur, mehr Tiere und mehr Fußballplätze.“ Oder: „Lernen soll mehr Spaß machen!“

In diesen Tagen überreichten Kinder der Nürtingen-Grundschule Berlin-Kreuzberg ihre dort entwickelten Vorstellungen der Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, Katharina Günther-Wünsch. Die Bildungssenatorin ist in diesem Jahr auch amtierende KMK-Präsidentin und hat das Thema Ganztag zu einem ihrer Schwerpunkte erklärt.

Sie konnte bei dieser Gelegenheit den Schülerinnen und Schülern verraten, dass die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) erstmals „Empfehlungen zur Weiterentwicklung der pädagogischen Qualität der Ganztagsschule und weiterer ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter“ entwickelt hat. Diese wurden in der 383. Sitzung am 12. Oktober 2023 beschlossen und veröffentlicht.

Erstmals Definition von Qualitätskriterien

Die KMK-Präsidentin dankte „allen Schülerinnen und Schüler für ihr tolles Engagement und die konkreten Vorschläge zur Ganztagsqualität in der Grundschule“. Sie verwies auf das Schwerpunktthema der Berliner KMK-Präsidentschaft und zeigte sich erfreut, dass die zwölf „wegweisenden Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Ganztagsqualität“ nun von der Kultusministerkonferenz beschlossen werden konnten. „Erstmals überhaupt hat die KMK damit gemeinsame Qualitätskriterien für die Ganztagsschule in Deutschland definiert“, betonte sie.

Katharina Günther-Wünsch ergänzte: „ Unser Leitmotiv sind die Kinder. Ihre Interessen und Bedürfnisse sind bei der pädagogischen Gestaltung ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote handlungsleitend. Schulleitung und gegebenenfalls außerschulische Kooperationspartner tragen gemeinsam Verantwortung dafür, dass die Ganztagsangebote die Lebenswelt der Kinder über das Aneignen von Kompetenzen hinaus ermutigend bereichern und nicht auf Betreuungsangebote reduziert werden.“

Die konkrete Umsetzung und Ausgestaltung der Rahmenbedingungen erfolgen durch die Länder vor dem Hintergrund ihrer spezifischen Systeme und Strukturen. Schwerpunkte ganztägiger Bildung seien jedoch die Förderung von Kompetenzen und die Verzahnung formaler, non-formeller und informeller Lernangebote. Darüber hinaus meinte sie: „Positive Beziehungen untereinander in der Schule und mit Eltern sind zu fördern. Und natürlich gehören ein Mittagessen und kindgerechte Räume ebenfalls dazu.“

Impulse für die Weiterentwicklung

Die KMK-Präsidentin zeigte sich überzeugt davon, dass die Empfehlungen den qualitativen Rahmen auch für die bundesweite Umsetzung des ab dem 1. August 2026 stufenweise in Kraft tretenden Rechtsanspruchs auf ganztägige Bildung für Kinder im Grundschulalter, wie er im Ganztagsförderungsgesetz von 2021 verankert worden ist, bilden können: „Mit den Empfehlungen soll substanziell dazu beigetragen werden, den erweiterten Zeitrahmen der Ganztagsschule und weiterer ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote pädagogisch zu nutzen und damit Kindern erweiterte Lernchancen zu ermöglichen.“

Das Investitionsprogramm Ganztagsausbau ist im Mai 2023 gestartet
Das Investitionsprogramm Ganztagsausbau ist im Mai 2023 gestartet © Britta Hüning

Die Empfehlungen vom 12. Oktober 2023 geben Impulse für die Weiterentwicklung der Qualität des formalen, non-formalen und informellen Lernens über den ganzen Tag und benennen, was die pädagogische Qualität umfasst. Hervorgehoben werden beispielsweise die handlungsleitende Rolle der Bedürfnisse und Interessen der Kinder bei der Angebotsgestaltung, die Bedeutung von Wohlbefinden und positiven pädagogischen Beziehungen, die starke Zusammenarbeit der Professionen und Akteure auf der Grundlage eines gemeinsamen Bildungsverständnisses, der Lebenswelt- und Sozialraumbezug sowie eine bedarfsgerechte Raumkonzeption und eine gesunde Mittagsverpflegung.

Schließlich bestätigen die Länder in den KMK-Empfehlungen ihren Grundkonsens von 2004, was eine Ganztagsschule ist. Dieser ist die Basis für die jährlichen Berichte „Allgemeinbildende Schulen in Ganztagsform in den Ländern“. Zugleich wird betont, dass diese Definition der Ganztagsschule keine unmittelbare Gültigkeit für den Begriff der „Ganztagsgrundschule“ gemäß Artikel 1 des Ganztagsförderungsgesetzes hat. Danach ist der Anspruch „auf Förderung in einer Tageseinrichtung“ weiter gefasst. Die KMK-Empfehlungen setzen vielmehr auf Kontinuität und heben die Bedeutung der Bildung gegenüber Betreuung sehr stark hervor.

Zentrale Merkmale einer Ganztagsschule sind nach der KMK-Definition unter anderem, dass ganztägige Angebote im Umfang von täglich mindestens sieben Zeitstunden an mindestens drei Tagen pro Woche stattfinden, dass ein Mittagessen für am Ganztag teilnehmende Schülerinnen und Schüler bereitgestellt wird und dass die Ganztagsangebote unter der Aufsicht und Verantwortung der Schulleitung organisiert und in enger Kooperation mit der Schulleitung durchgeführt werden und in einem konzeptionellen Zusammenhang mit dem Unterricht stehen.

Empfehlungen im Detail

Die zwölf Empfehlungen zur pädagogischen Qualität der Ganztagsschule und weiterer ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote orientieren sich an Ergebnissen der Bildungsforschung und insbesondere an den wissenschaftlichen Befunden der über 15 Jahre vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten „Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG)“, die den quantitativen Ausbau der Ganztagsschulen in der Kooperation mit allen 16 Ländern intensiv begleitet hatte.

Diese hatten unter anderem zum Ergebnis, dass der erweiterte Zeitrahmen der Ganztagsschule noch nicht per se eine Wirkung auf individuelle und fachliche Förderung entfaltet, sondern dass es auf die Qualität der Angebote, die Kontinuität der Angebotsnutzung sowie auf positive soziale Beziehungen ankomme. Um das Potenzial der erweiterten Lernangebote im Ganztag auszuschöpfen, ist außerdem die umfassende Zusammenarbeit aller im Ganztag tätigen Personen erforderlich, auf der Ebene der pädagogischen Praxis ebenso wie auf Leitungsebene. Die zwölf Empfehlungen zur Umsetzung ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote, die im KMK-Papier (ab S. 5) jeweils ausführlich erläutert werden, lauten kurz gefasst:

  • Empfehlung 1: Bei der pädagogischen Gestaltung ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote sind die Interessen der Kinder handlungsleitend.
  • Empfehlung 2: Ganztagsschulen und Träger weiterer ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote fördern Kompetenzen und machen konzeptionell miteinander verbundene formale, non-formale und informelle Lernangebote.
  • Empfehlung 3: Die Steuerung und Ausgestaltung des Ganztagsangebots wird von der Schulleitung und ggf. mitwirkenden Kooperationspartnern partizipativ verantwortet.
  • Empfehlung 4: Ganztagsschulen und Träger weiterer ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote ermöglichen einen Schultag mit rhythmisierten und flexiblen Zeitstrukturen.
  • Empfehlung 5: Für gelingende ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote ist die Kooperation unterschiedlicher Professionen in festen Kooperationsstrukturen erforderlich.
  • Empfehlung 6: In ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangeboten wird die Entwicklung von gelingenden Beziehungen zwischen Kindern und dem pädagogisch tätigen Personal sowie in der Zusammenarbeit mit Eltern unterstützt.
  • Empfehlung 7: Lernorte mit ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangeboten knüpfen tragfähige Netzwerke im Sozialraum und kooperieren mit außerschulischen Partnern.
  • Empfehlung 8: Ganztagsschulen und Träger weiterer ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote schaffen die Voraussetzungen, um das Wohlbefinden der Kinder zu stärken und zu fördern.
  • Empfehlung 9: Ganztagsschulen und Träger weiterer ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote gestalten die pädagogische Praxis auch in Kooperation mit Angeboten der freien Kinder- und Jugendhilfe.
  • Empfehlung 10: In Ganztagsschulen und weiteren ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangeboten wird für jedes Kind ein gesundes Mittagessen angeboten.
  • Empfehlung 11: Ganztagsschulen und Träger weiterer ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote gestalten Raum und Räume auch durch kreative Flächennutzungskonzepte zu kindgerechten Lern- und Lebensräumen.
  • Empfehlung 12: Ganztagsschulen und Träger weiterer ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote sichern die Qualität der Ganztagsangebote und überprüfen ihre Wirkung.

Immer noch steigender Bedarf

15 Jahre begleitete StEG die Entwicklung von Ganztagsschulen.
15 Jahre begleitete StEG die Entwicklung von Ganztagsschulen. © StEG, Foto: Britta Hüning

„Bildungspolitischer Motor der Ganztagsschulentwicklung“, so erinnern die „Empfehlungen“, war seinerzeit die PISA-Studie. Nach deren ersten Ergebnissen 2000 hatte die Kultusministerkonferenz im Dezember 2001 gemeinsame Anstrengungen zur Qualitätsentwicklung des deutschen Bildungswesens beschlossen, darunter auch „Maßnahmen zum Ausbau von schulischen und außerschulischen Ganztagsangeboten mit dem Ziel erweiterter individueller Bildungs- und Fördermöglichkeiten“.

Inzwischen sind gut zwei Drittel aller Schulen bundesweit als Ganztagsschulen organisiert. Etwa die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler in Deutschland (2021: 1.367.877) nutzt bereits Ganztagsangebote in der Schule. Mit der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf ganztägige Bildung rechnet die Kultusministerkonferenz mit einem weiteren Anstieg der Ganztagsschulen und weiterer ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote.

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