Ganztags forschen am eigenen MINT-Projekt : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Der Fachtag „MINT und Ganztagsschule“ der MINT-Geschäftsstelle Rheinland-Pfalz informierte über die Fülle der Möglichkeiten, im Ganztag einen MINT-Schwerpunkt zu setzen. Auch ein außerschulischer Lernort stellte sich vor.

„Faszination ist die Verbündete der MINT-Fächer"
„Faszination ist die Verbündete der MINT-Fächer" © Britta Hüning

Der Online-Fachtag „MINT und Ganztagsschule“ der MINT-Geschäftsstelle Rheinland-Pfalz lockte rund 100 Interessierte an die Bildschirme. Um es vorwegzunehmen: Sie erhielten eine Fülle von Informationen und Anregungen. Vor allem aber erlebten sie die Vorstellung eines Praxisbeispiels, das die Chancen alltagstauglichen und handlungsorientierten Unterrichts im MINT-Bereich derart motivierend darstellte und erlebbar machte, dass wohl nahezu alle Zuhörenden am liebsten gleich am kommenden Tag Ähnliches in ihren Schulen etabliert hätten.

Wie wertvoll MINT sein kann, unterstrich Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig in einer Videobotschaft zum Auftakt des Nachmittags. „Die Faszination ist die gemeinsame Verbündete der MINT-Fächer“, betonte sie und hob hervor: „Der Ganztag kann dafür einen einzigartigen Spielraum schaffen.“ Sie verwies auf die „neue MINT-Landschaft“ Rheinland-Pfalz und die vor sechs Jahren gegründete dazugehörige Geschäftsstelle: „Sie unterstützt Schulen bei ihrer Suche nach Kooperationspartnern, bietet aber auch eine entsprechende Plattform für die Anbieter, sich zu präsentieren.“

Immer mehr MINT-Patenschaften

Der Leiter der Geschäftsstelle Tim Thielen stellte die vielschichtigen Möglichkeiten und Angebote vor. Er machte unter anderem deutlich, dass in den sogenannten MINT-Regionen des Landes – ein Beispiel ist die MINT-Region Koblenz oder die MINT-Region Eifel – viele Kooperationspartner aus den Bereichen Schulen, Hochschulen, Kommunen und der regionalen Wirtschaft zusammenwirken, um die MINT-Förderung entlang der Bildungskette – Kita, Grundschule, weiterführende Schulen, Übergang zu Ausbildung und Studium – zu vernetzen und um eine frühzeitige Berufs- und Studienorientierung für MINT-Berufe zu ermöglichen.

Regelmäßig können sich MINT-Regionen neu bewerben. Ein koordinierender Projektträger erhält hierzu eine Anschubförderung für eine Laufzeit von zwei Jahren. Ergänzend werden aber auch kleinere regionale MINT-Projekte für zwei Jahre gefördert.. Darauf wies Tim Thielen ebenso wie auf die umfangreichen Materialsets für Schulen hin. Als Beleg für die Attraktivität der Unterstützung, Fortbildungen und Materialien nannte er konkrete Zahlen. Waren es 2018 noch 120 Schulen, die eine MINT-Patenschaft eingingen, so seien es inzwischen 436 und damit 27 Prozent der Schulen in Rheinland-Pfalz.

Anschließend präsentierte Margrit Scholl, Referentin im MINT-Referat des Pädagogischen Landesinstituts Rheinland-Pfalz, die umfassenden Möglichkeiten, sich an der von vier Ministerien (Bildung, Wissenschaft und Gesundheit, Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau sowie Klimaschutz, Umwelt, Energie und Umwelt) unterstützten MINT-Strategie zu beteiligen. „Lehrkräfte werden dafür fortgebildet, die Materialien zu nutzen. Dabei handelt es sich um abwechslungsreiches, haptisches Material für den Experimentalunterricht“, unterstrich die Referentin.

Spielraum im Ganztag

„Selbstständige Arbeit ist eine Frage des Vertrauens"
„Selbstständige Arbeit ist eine Frage des Vertrauens" © Britta Hüning

Erwarten dürfen die Interessierten eine bunte Mischung aus den verschiedenen MINT-Bereichen – angefangen von Mathematikboxen „Escape Rooms“, die auch in Biologie und Physik eingesetzt werden können, über Experimentier-, Klima- bis hin zu einem Grundwasserkoffer. Selbst ein Paket zur Ameisenforschung sowie eines für die Projektarbeit „Erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit“ befinden sich im Angebot. Mal ganz abgesehen von der Möglichkeit, Schülerinnen und Schüler, die sich in besonderem Maße über den Unterricht hinaus im MINT-Bereich engagieren, mit dem MINT-Zertifikat auszuzeichnen.

Wichtige Details rund um die Gestaltungsräume für vertragliche Kooperationen zwischen Schulen und außerschulischen MINT-Akteuren gab Stephan Bachmann, der Referent für Ganztagsschule und Ganztagsbetreuung im Ministerium für Bildung, den Teilnehmenden mit auf den Weg. Er stellte die Feinheiten von Dienstleistungs-, Kooperations- und Projektverträgen vor. Mit Blick auf den Ganztagsausbau für Kinder im Grundschulalter erinnerte er daran, dass „mit ihm die Förderung von Investitionen verbunden ist. Dazu zählt auch die Ausstattung des Ganztags“. Nach der Förderrichtlinie in Rheinland-Pfalz könnte gegebenenfalls auch der Ausbau von MINT-Angeboten berücksichtigt werden.

Die Frage aus dem Kreis der Zuhörenden, ob Schulen auch MINT-Angebote außerhalb ihres Gebäudes an außerschulischen Lernorten nutzen könnten, beantwortete er mit einem deutlichen: „Ja, das ist sogar erwünscht.“ Er fügte hinzu: „Sie können auch Online-Angebote nutzen.“ Selbstverständlich sei jedoch, dass die Aufsicht der Schülerinnen und Schüler während ihrer Arbeit auf einem Online-Portal gewährleistet sei.

 

Wer sich nun auf die Suche nach Kooperationsmöglichkeiten begibt, findet schnell Antworten auf den Internetseiten der MINT-Geschäftsstelle. Übersichten bündeln die Schulen, die im MINT-Bereich aktiv sind, sowie umgekehrt außerschulische Einrichtungen, die Partnerschaften mit den Schulen eingehen möchten.

Neugier verdient es, gefördert zu werden

Bereits zueinander gefunden haben die Goethe-Realschule plus in Koblenz und die Makerspace Mayen-Koblenz gGmbH. Der außerschulische Lernort in Bendorf nennt als Kern seiner Arbeit „das bedingungslose Ausleben von Neugier. Wir sind der Überzeugung, diese Neugier steckt in jedem (jungen und alten) Menschen und verdient es, gefördert zu werden.“

Robotik-AG: Konstruieren und Programmieren
Robotik-AG: Konstruieren und Programmieren © Gerhart-Hauptmann-Gymnasium Wismar

Geschäftsführerin Eva Pfitzner hob hervor, dass Makerspace einen hohen Wert auf Individualität lege und Strukturen zur Verfügung stelle, in denen sich Kinder und Jugendliche stärkenorientiert, altersunabhängig und sprachfrei bewegen können. Schülerinnen und Schüler erhalten Gelegenheiten, sich experimentell insbesondere im Bereich Mathematik, Naturwissenschaft und Technik zu beschäftigen.

Sehr offen räumte Anja Schäper, Lehrerin an der Goethe-Realschule plus, ein, wie schwer es sei, im herkömmlichen Unterricht die Schülerinnen und Schüler zu erreichen. Seit die Koblenzer Schule, die dem Landesnetzwerk „Schule der Zukunft“ angehört, die Möglichkeiten an diesem außerschulischen Lernort nutzt, lernten die Lehrkräfte ihre Schülerinnen und Schüler ganz anders kennen. „Plötzlich sind sie mit Herz und Hand dabei, suchen sich ihre Projekte aus“, berichtete sie.

„… und hinterher wird aufgeräumt“

Auf dem Gelände des Kooperationspartners, mit dem die Goethe-Realschule plus im Rahmen des Ganztags einen Dienstleistungsvertrag abgeschlossen hat, können sich die Schülerinnen und Schüler frei bewegen. Sie dürfen, wie Eva Pfitzner darstellte „alle Schränke aufmachen“. Dabei gebe es nur eine Regel: „Wenn du ein Werkzeug kennst, darfst du es nehmen und nutzen. Wenn du es nicht kennst, lässt du dich aufklären, dann darfst du es nutzen. Und hinterher wird aufgeräumt.“

Auch schon Grundschülerinnen und Grundschüler können forschen und experimentieren. Die Angebote reichen von der MakerSpace Rallye mit 3-D Drucker und der „XTool Box“ mit Lasergravierer über den Trickfilm-Workshop „Deine Stories“ bis zur „Schmuck-Werkstatt – auch für Jungs“. Es bedarf wenig Fantasie, um zu erkennen, welche Begeisterung diese Form des selbstständigen Forschens an Gegenständen, die die Lernenden interessieren, ausbricht. Als Beispiel nannte Pfitzner jene Gruppe, die aktuell eine Drohne programmieren möchte, damit diese helfen kann, Müll aufzusammeln.

Benötigt wird ein Greifarm. Bei einem Besuch eines regionalen Drohnenkonstrukteurs werden sie voraussichtlich Antworten finden. Doch bevor es da hingeht, sollen die Schülerinnen und Schüler selbst mit Geduld recherchieren, forschen und ausprobieren. „Lösungstipps gibt es erst, wenn es gar nicht mehr weitergeht“, sagt Pfitzner und fügt hinzu: „So lernen sie aus ihren Erfahrungen, probieren, stellen fest, wenn sie sich irren, aber eben auch, dass es klappt.“

Die Schülerinnen und Schüler lernen in diesem Projekt auch Alltagskompetenzen: So besorgen sich ihr Material selbst und rechnen es später ab. Den Weg aus Koblenz ins zwölf Kilometer entfernte Bendorf bewältigen sie zumeist eigenständig mit dem Bus. Lehrerin Anja Schäper weiß: „Für manche ist das eine kleine Weltreise, wenn sie sonst selten aus ihrem Stadtteil herauskommen“. Die Aufsicht übernimmt eine Lehrkraft. „Aber es ist so wie die selbstständige Arbeit am außerschulischen Lernort auch eine Frage des Vertrauens“, betont die Lehrerin. Ein Vertrauen, das sich offenbar auszahlt.

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