„Update OGS“: Ganztagsbildung in Kooperation : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Nach 15 Jahren Ausbau der offenen Ganztagsschule in NRW hat die Serviceagentur „Ganztägig lernen“ eine neue Fortbildungsreihe entwickelt: „Update OGS“ soll die Kooperation von Schule und Jugendhilfe neu verorten.

15 Jahre nach dem Start der offenen Ganztagsschulen (OGS) in Nordrhein-Westfalen arbeiten inzwischen 90 Prozent der Grundschulen als OGS, und mit 320.000 Schülerinnen und Schülern haben im vergangenen Schuljahr erstmals über 50 Prozent der Kinder ein OGS-Angebot wahrgenommen. Jedes Jahr erhöht sich die OGS-Förderung des Landes und der Kommunen um jeweils 3 Prozent; Anfang 2019 hat es eine einmalige Landesförderung von 14 Prozent gegeben. „Diese Dynamisierung der Finanzierung ist erfreulich“, findet Uwe Schulz, Leiter des Referats Ganztagsbildung im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration. „Wir wollen die OGS weiter ausbauen.“

Bei dem dynamischen Ausbau ergeben sich auch immer wieder neue Fragen und Herausforderungen – für Schulleitungen und Ganztagskoordinatoren, aber ebenso für die Träger des Ganztags, für Jugend- und Schulverwaltungsämter, für die Schulaufsicht und für die Fort- und Weiterbildung. Solche Fragen sind beispielsweise: Wie gelingt die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe in der Offenen Ganztagsschule? Welche Beispiele guter Praxis gibt es? Oder auch: Wie gehen Schulen und Träger mit einem veränderten Raumbedarf um?

Jugendliche proben ein Tanzstück
Proben an der Grossenbruchschule für das Tanzstück "Ausbruch" © Jugendhilfe Essen

Die Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Nordrhein-Westfalen führt dazu eine neue Fachtagsreihe „Update OGS“ durch. „Update“ verrät bereits, worum es geht: um Aktualisierung, um Vergewisserung und vielleicht auch um neue Modelle. Und so ist die Reihe für alle gedacht, die Impulse für die Weiterentwicklung der OGS suchen und entsprechende Entwicklungsprozesse auf den Weg bringen möchten. Angesprochen sind besonders auch diejenigen, die ihr Aufgabenfeld in der OGS neu übernehmen. Fünf Fachtage in den Regierungsbezirken Arnsberg, Düsseldorf, Detmold, Köln und Münster bieten bis Jahresende die Gelegenheit zum Austausch über Beispiele guter Kooperationspraxis, einschließlich Impulsen zu den Themen „Räume“ und „Personal“.

„Kooperationen entstehen nicht von alleine“

Den Anfang machte der Regierungsbezirk Arnsberg. Am 18. September 2019 lud die Serviceagentur in die Katholische Akademie Schwerte ein. Referatsleiter Uwe Schulz vom Familienministerium hatte zum Auftakt gleich eine gute Nachricht im Gepäck: „Erstmals fördern wir als Familienministerium mit der 'Qualifizierungsmaßnahme OGS' die Durchführung von Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie Maßnahmen der Weiterentwicklung der Qualität im außerunterrichtlichen Bereich der Offenen Ganztagsschule im Primarbereich mit 550.000 Euro in 2020, dann ab 2021 mit 750.000 Euro“.

Die Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege vertrat Ursula Hawighorst, Referatsleiterin Kinder-, Jugend- und Familienhilfe bei der AWO Westliches Westfalen. Die AWO hat in den letzten Jahren immer wieder die Weiterentwicklung qualitativer Standards für die OGS gefordert.  „Zum Wohle der Kinder werden sich die Partner Schule und Jugendhilfe aufeinander zubewegen. Um das zu erleichtern, müssen die Verwaltungen der Schul- und Jugendämter unserer Ansicht nach verpflichtend zusammenarbeiten“, meinte Ursula Hawighorst.

Dagmar Hardt-Zumdick  bei einem Vortrag
„Ein neues Verständnis von Schule ermöglichen“ © Caritas Aachen

Der Regierungsbezirk Arnsberg gehört zu den „Pionieren“ des OGS-Ausbaus. Jetzt sind 90 Prozent der Grundschulen bereits OGS, und 47.000 Schülerinnen und Schüler, 38 Prozent, nehmen am Ganztagsangebot teil. Sabine Stahl, Dezernentin für Grundschulen im Regierungsbezirk, betonte auf dem Fachtag die Kooperation: „Multiprofessionelle Teams sind im Referenzrahmen Schulqualität des Landes klar formuliert. Der Bildungs- und Entwicklungsauftrag ist nur durch mehr Partner zu erfüllen. Die Ganztagsgrundschule erhöht dadurch ihre Fähigkeit, Probleme zu lösen. Die Beteiligten erfahren Entlastung.“

Kooperationen würden aber nicht von alleine entstehen. Besonders die Schulleitungen seien hier gefragt, denn sie legten letztlich die Grundlage für die Zusammenarbeit der Ganztagsschule mit außerschulischen Partnern. Zur Qualitätsentwicklung gehört für Sabine Stahl aber insbesondere auch die Kooperation von Kommune und Schulaufsicht, wie sie in Arnsberg schon lange praktiziert wird.

Qualität gemeinsam entwickeln – bis zum Ferienprogramm „Wernutopia“

Über eine solche Kooperation in Form der regionalen Qualitätszirkel berichteten die Serviceagenturleiterinnen Hiltrud Wöhrmann und Birgit Schröder, zu denen die SAG auch im Regierungsbezirk Arnsberg einlädt: „Zu den regionalen Qualitätszirkeltreffen werden jeweils zwei Vertreter aus den kommunalen Zirkeln entsendet. Hier tauschen sich die Beraterinnen und Berater der Ganztagsschulen, die Schulaufsicht und die OGS-Träger aus. Die regionalen Qualitätszirkel sind eine Plattform, um über den Tellerrand zu schauen.“

Von der Arbeit der Qualitätszirkel in der Stadt Werne berichteten Claudia Barth vom Schuldezernat, die Leiterin des Schulverwaltungsamtes Liane Jäger und die Schulleiterin der Wiehagenschule Klaudia Funk-Bögershausen. In Werne sind alle drei Grundschulen offene Ganztagsschulen – mit rund 900 Schülerinnen und Schülern, von denen genau die Hälfte an der OGS teilnimmt. Liane Jäger erläuterte die Sicht der Stadt: „Bildung, Erziehung, Förderung und Freizeit – Schule ist mehr als Unterricht. Es sind viele helfende Hände nötig, um ein Kind zu bilden und zu erziehen, und daher ist Vernetzung nötig, was Zeit braucht.“

Gruppenfoto beim Ferienprogramm „Wernutopia“ in Werne
Ferienprogramm „Wernutopia“ in Werne © Stadt Werne

In Werne haben Schulverwaltungsamt und Jugendamt ein gemeinsames kommunales Leitbild für Bildung und Erziehung entwickelt und sich laut Liane Jäger in den Qualitätszirkeln, zu denen die Schulverwaltung zweimal im Jahr einlädt, dafür ein Jahr Zeit genommen. So werden fundierte Qualitätsstandards entwickelt. Außerdem haben beide Ämter gemeinsam das sechswöchige Sommerferienprogramm „Wernutopia“ auf die Beine gestellt.

„Kinder erfolgreich fördern“

„Kooperationsvereinbarungen müssen fortlaufend weiterentwickelt werden“, beschrieb Schulleiterin Klaudia Funk-Bögershausen die Erfahrungen der Wiehagenschule. „Die Schulleitung kann nicht alles alleine leisten. Information, Austausch und Kommunikation sind zentral. Das ist uns so wichtig, dass wir die Schule für Konzeptionstage auch einmal schließen. Wir haben uns externe Moderatoren dazu geholt. Unser Motto ist: Wir haben keine OGS, wir sind eine OGS!“ Die Mitarbeit in den Qualitätszirkeln findet sie sinnvoll, weil dort diskutiert wird, was „unter den Nägeln brennt“, aber auch Visionen entstehen.

Ganz neu zum Schuljahr 2019/2020 ist die Grundschule Wefelshohl in Lüdenscheid gestartet. Seit sechs Wochen ist Christine Kortwittenborg die Schulleiterin der offenen Ganztagsgrundschule. Susanne Sondermann von der Stabsstelle Jugendhilfe- und Bildungsplanung der Stadt Lüdenscheid berichtete, dass zur Planung und Konzeptentwicklung die Steuerungsgruppe des Qualitätszirkels im Juni 2018 nach Bonn reiste: Sie wollte dort an der Gottfried-Kinkel-Schule ein bisschen „spicken“. Ab Januar 2019 wurde anschließend ein Konzept für die neue Ganztagsgrundschule erarbeitet, das dann im Juni im Qualitätszirkel diskutiert wurde.

Träger ist das Evangelische- Johanneswerk. Gemeinsam haben Stadt, Schule und Träger einen Flyer mit dem Leitsatz „Kinder erfolgreich fördern“ erarbeitet, den Heike Sternemann als Ganztagskoordinatorin der Schule vorstellt. Zu gemeinsamen Konzeptionstagen wurden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schule und des Jugendhilfepartners eingeladen – viele verschiedene „Professionen“ saßen am Tisch. „Die gemeinsamen Sitzungen sind wichtig“, so Heike Sternemann. Schulleiterin Christine Kortwittenborg nimmt einmal wöchentlich an der OGS-Teamsitzung teil, Heike Sternemann einmal im Monat an der Lehrerkonferenz.

Erfolgsmodell Dortmund: OGS-Fachkräfte selber ausbilden

Blick ins Publikum bei der Fortbildungsreihe „Update OGS“
© Redaktion

Zwei Worte fallen mit schöner Regelmäßigkeit, wenn es um den weiteren Ausbau der OGS geht: Sie lauten „Raumnot“ und „Fachkräftemangel“. So auch in der Stadt Dortmund. Die Stadt hat sich daher entschieden, selbst OGS-Fachkräfte auszubilden. „Der Personalmangel brennt richtig bei uns. Fachpersonal wandert in die Kitas ab, weil OGS oft keine Vollzeitstellen bieten und einen schlechteren Personalschlüssel haben“, berichtete Merle Schütte vom Fachbereich Schule des Evangelischen Kirchenkreises Dortmund.

Seit 2017 bildet beispielsweise das Kolping-Bildungswerk Paderborn in neun Monaten Fachkräfte, die Merle Schütte zufolge in der Mehrheit bereits oft über eine Vorbildung im pädagogischen Bereich verfügen, per Weiterbildung aus. Am Ende steht eine Abschlussprüfung mit Zertifikat. Die Stadt stellt dafür Ansprechpartner zur Verfügung, und die Träger übernehmen selbst die Kosten.

Für die Stadt Dortmund ist Angelika Strößner, die stellvertretende Schulleiterin der Libellen-Grundschule, eine solche Ansprechpartnerin. Auf dem Fachtag berichtete sie: „Die Fortbildung ist ein Erfolgsmodell der Dortmunder Trägerlandschaft. Statt einzeln fortzubilden, haben sich alle Träger zusammengetan. Am Jahresende werden wir 50 Fachkräfte ausgebildet haben.“ Auch hier lautet das Motto also: Gemeinsam sind wir stark.

 

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