Qualität für Ganztagsschulen in Mecklenburg-Vorpommern : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Die Kooperation der Ganztagsschulen mit außerschulischen Partnern ist ein Schwerpunkt in Mecklenburg-Vorpommern. Die Qualität der Angebote hat dabei oberste Priorität. Bildungsministerin Birgit Hesse spricht im Interview über aktuelle Entwicklungen.

Potrträtfoto Birgit Hesse
Bildungsministerin Birgit Hesse © Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur / Silke Winkler

Online-Redaktion: Frau Ministerin, Mecklenburg-Vorpommern baut die Ganztagsschulen kontinuierlich aus. Wie schätzen Sie den Stand der Entwicklung ein?

Birgit Hesse: Wir kommen gut voran. In jedem Schuljahr nehmen weitere Schulen ihre Arbeit als Ganztagsschule oder volle Halbtagsgrundschule auf. Andere wechseln von der offenen Ganztagsschule zur teilweise gebundenen oder zur gebundenen Ganztagsschule.

Bei uns im Land gibt es 337 ganztägig arbeitende Schulen. Das sind circa 65 Prozent aller öffentlichen allgemeinbildenden Schulen. Bezogen auf die Gesamtzahl der Schüler in der Primarstufe und Sekundarstufe I nimmt jeder zweite Schüler an ganztägigen Angeboten teil. Das sind circa 72.000 Schülerinnen und Schüler.

Seitdem wir den Ausbau der Ganztagsschulen wieder aufgenommen haben, haben wir 6.900 weitere Ganztagsplätze schaffen können. Damit bin ich ganz zufrieden, aber es reicht noch nicht. Wir haben die Möglichkeit, in dieser Legislaturperiode, also bis 2021, insgesamt bis zu 10.000 Ganztagsplätze für Schülerinnen und Schüler zu schaffen.

Online-Redaktion: In der Sekundarstufe hat Mecklenburg-Vorpommern ein anderes Ganztagsmodell als im Primarbereich – warum diese Unterschiede?

Hesse: Das ist eine ostdeutsche Besonderheit, wenn Sie so wollen, und sie ist historisch gewachsen. Die Kinder lernen morgens in der vollen Halbtagsgrundschule. Das ist eine Schule mit verlässlichen Öffnungszeiten. Am Nachmittag macht ihnen der Hort Angebote. Für Eltern bietet dieses Angebot vor allem den Vorteil, dass es verlässlich ist.

Frühstückstisch
Breakfast S-GmbH des Schulzentrums Paul Friedrich Scheel © Redaktion www.ganztagsschulen.org

Online-Redaktion: Auf dem 3. Landeskongress „Ganztägig lernen für die Zukunft“ in Rostock ging es auch um die Qualität der Angebote und qualifiziertes Personal. Wo sehen Sie besondere Herausforderungen?

Hesse: Wir müssen dafür sorgen, dass es genügend gute Angebote gibt. Ferner wollen wir eine Qualitätsinitiative für das ganztägige Lernen in Mecklenburg-Vorpommern starten. Es ist doch klar: Wer an den Schulen Angebote macht, muss qualifiziert sein. Wir planen außerdem ein landesweites Beratungsnetzwerk, das die Ganztagsschulen unterstützt.

Unsere Serviceagentur „Ganztägig lernen“ ist schon heute für viele Lehrerinnen und Lehrer eine wichtige Anlaufstelle, bei der sie Unterstützung finden. Außerdem stelle ich immer wieder fest, dass Anbieter und Schulen oft nicht zueinander finden. Beim Ganztagsschulkongress habe ich eine Online-Kontaktbörse angekündigt. Diese Kontaktbörse ist auf den Internetseiten der Serviceagentur „Ganztägig lernen“ seit Januar dieses Jahres online. Hier finden Schulen gute Angebote. Aber es dürfen durchaus noch mehr werden.

Online-Redaktion: Die Diskussion dreht sich in allen Ländern um Verlässlichkeit und Flexibilität. Ist die Organisationsform – offene oder gebundene Ganztagsschulen – ein Thema in Mecklenburg-Vorpommern?

Hesse: Ja, auch darüber sprechen wir. In unserem Schulgesetz steht, dass Ganztagsschulen in der Regel in gebundener Form errichtet werden sollen. Das hat einen Grund: Gerade gebundene Ganztagsschulen machen neue Lernformen möglich. Auf eine Mathestunde am Vormittag kann ein Ganztagsangebot folgen. Nach einer Sportstunde, nach der die Schülerinnen und Schüler ausgepowert sind, muss nicht unbedingt eine Deutschstunde auf dem Stundenplan stehen. Dieser Unterricht kann auch später stattfinden, wenn sich die Schülerinnen und Schüler wieder besser konzentrieren können. In der offenen Ganztagsschule geht das beispielsweise nicht, weil einige Kinder mittags nach Hause gehen. In der gebundenen Ganztagsschule bleiben alle Kinder und Jugendlichen bis zur selben Uhrzeit. Das ist auch für die Schülerbeförderung von Vorteil, gerade in den ländlichen Räumen.

Schüler der Europaschule Rövershagen im Bildungszentrum
Schüler der Europaschule Rövershagen im Bildungszentrum Ribnitz-Damgarten © Europaschule Rövershagen

Online-Redaktion: Das Thema „Ländliche Räume“ ist wieder mehr in der öffentlichen Diskussion . Welche Herausforderungen für den Ganztag sehen Sie?

Hesse: Auch hier bietet die Ganztagsschule viele Vorteile. Kinder und Jugendliche, die auf dem Land wohnen, erhalten in der Schule ein abwechslungsreiches Nachmittagsprogramm. Viele Schülerinnen und Schüler würden sonst alleine zu Hause sitzen. Dort vertreiben sie sich dann die Zeit mit dem Smartphone oder vor dem Computer. In der Ganztagsschule verbringen sie den Tag mit Gleichaltrigen. Das ist doch eine tolle Sache. Schulen mit Ganztagsangeboten können Schülerinnen und Schülern ein Programm bieten, was vielleicht auch nicht allen Elternhäusern möglich ist. Insofern leisten sie einen Beitrag zur Chancengerechtigkeit. Das hat kürzlich eine PISA-Sonderauswertung zu Lernerfolgen nachgewiesen.

Online-Redaktion: Wo sehen Sie künftig die Schwerpunkte der Ganztagsschule in Mecklenburg-Vorpommern?

Hesse: Genau dort, bei den Angeboten. Und bei der Qualität dieser Angebote. Im Januar dieses Jahres habe ich mit den Dachverbänden und Netzwerken in den Bereichen Kinder- und Jugendbildung, Kultur und Sport sowie den Kirchen eine Zusammenarbeit vereinbart. Die Verbände und Netzwerke wollen in ihrem Bereich dafür werben, dass Vereine, Institutionen und Einrichtungen Ganztagsangebote gestalten und den Schulalltag für Schülerinnen und Schüler abwechslungsreicher machen.

Schülerinnen und Schüler beim Surfunterricht
Surfunterricht der Regionalen Schule Tom Beyer in Göhren/Rügen © Regionale Schule Tom Beyer

Das Interesse ist groß, immer mehr Verbände wollen mitmachen. Bei der Unterzeichnung dieser Rahmenvereinbarung und der Willensbekundung allein darf es aber nicht bleiben. Wir wollen gemeinsam dafür sorgen, dass die Schulen viele Angebote machen können und die Schülerinnen und Schüler davon profitieren.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

 

Seit 2009 haben auf www.ganztagsschulen.org regelmäßig Bildungsministerinnen und Bildungsminister in Interviews die Entwicklungen beim Ausbau der Ganztagsangebote in ihrem Land erläutert. Alle Interviews finden Sie in der Rubrik „Bildungpolitik: Interviews“.

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