Qualität bleibt Schwerpunkt: Ganztag in Sachsen-Anhalt : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Was oft übersehen wird: Nicht nur in Sekundarschulen, auch an Grundschulen verzeichnet Sachsen-Anhalt schulbezogene Ganztagsangebote. Kultusminister Stephan Dorgerloh spricht im Interview über aktuelle Entwicklungen.

Online-Redaktion: Herr Minister, im Schuljahr 2015/2016 gelten in Sachsen-Anhalt 109 öffentliche Schulen als Ganztagsschulen. Wie stellt sich die aktuelle Entwicklung dar, wird weiter ausgebaut?

Stephan Dorgerloh
Kultusminister Stephan Dorgerloh © Kultusministerium Sachsen-Anhalt

Stephan Dorgerloh: Hier haben wir in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugelegt. Zu Beginn der Legislatur 2011 lag die Zahl der Ganztagsschulen noch bei 84. Außerdem wurden die Ganztagsangebote, die es an allen Förderschulen des Landes gibt, weiter ausgestaltet und an vielen Stellen erweitert.

Bei den Sekundar- und Gemeinschaftsschulen sind schon jetzt mehr als die Hälfte unserer Schulen Ganztagsschulen. Bei den Gymnasien ist es etwa ein Drittel. Darüber hinaus erfüllen die meisten Gymnasien theoretisch die Anforderungen. Praktisch zählen wir sie jedoch nicht mit, solange nicht auch ein fundiertes pädagogisches Konzept in den Schulen erarbeitet und umgesetzt wird. Ganztag nur auf dem Papier reicht uns nicht aus. Wenn Ganztagsschule drauf steht, dann soll auch Ganztagsschule drin sein. Für uns ist die Qualität der Angebote entscheidend und nicht allein die Quantität.

Aber wir werden die Ganztagsbetreuung weiter ausbauen und möchten die bestehenden Angebote qualitativ verbessern. Das ist und bleibt ein Schwerpunkt unserer Arbeit. Dabei wollen wir mehr Ganztagsschulen in gebundener Form, weil hier der Schultag pädagogisch ganzheitlich gestaltet und durchgehend zeitlich rhythmisiert werden kann. Politik muss verlässliche Rahmenbedingungen sichern, eine wirksame Qualitätssicherung durchsetzen und eine bedarfsorientierte Unterstützung der Schulen sicherstellen.

Online-Redaktion: Ganztagsschulen sind meist weiterführende Schulen. Wie sieht es bei den Grundschulen aus, und welche Rolle spielen dabei die Schulhorte?

Dorgerloh: Die Horte spielen für uns eine wichtige Rolle, weil sie gerade im Grundschulbereich ein ganztägiges Bildungs- und Betreuungsangebot sicherstellen. Das ist eine Tradition, die bei uns im Land über Jahrzehnte gewachsen ist, häufig aber von außen gar nicht so wahrgenommen wird. Dabei ist das für die Eltern in Sachsen-Anhalt völlig klar: Grundschule und Hort gehören zusammen. Damit relativiert sich auch das Bild bei den Ganztagsgrundschulen. Formal gibt es in Sachsen-Anhalt davon nämlich lediglich vier und 14 Grundschulen mit kooperativem Hortangebot, die im Rahmen des Investitionsprogramms "Zukunft Bildung und Betreuung" (IZBB) gefördert wurden.

Wenn wir jedoch berücksichtigen, dass bei uns an nahezu allen Grundschulstandorten durch die enge Kooperation zwischen Schulen und Horteinrichtungen ein ganztägiges Bildungs- und Betreuungsangebot unterbreitet wird, entsteht ein ganz anderes Bild. Und das ist durchaus vergleichbar mit den Angeboten anderer Bundesländer und geht bei den Angebotszeiten mitunter darüber hinaus. Grundlage ist das Kinderförderungsgesetz, abgekürzt KiFöG: Für Schulkinder bis zum Abschluss der 6. Klasse besteht danach die Möglichkeit der Hortbetreuung – vor und nach der Schule –, die aber nicht in Trägerschaft der Schule liegt.

Konkret heißt das: In Sachsen-Anhalt bestehen an nahezu allen Grundschulstandorten schulbezogene Ganztagsangebote, die im Schuljahr 2014/15 von 42.750 Schülerinnen und Schülern genutzt wurden. Das sind mehr als zwei Drittel aller Schülerinnen und Schüler der Grundschulen. Fragen wir also nach einem ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangebot und zählen Horte und Ganztagsschulen zusammen, dann befinden wir uns bei einem Ländervergleich plötzlich im oberen Drittel. Dazu kommen noch die Angebote der freien Schulen, die wir in der offiziellen Statistik nicht berücksichtigen. Sachsen-Anhalt meldet traditionell nur die Angebote der staatlichen Schulen.

Online-Redaktion: Was erwarten Eltern in Sachsen-Anhalt von einer Ganztagsschule? Gibt es eventuell Unterschiede nach Schulformen?

Dorgerloh: Das liegt in der Natur der Sache. Im Grundschulbereich steht neben den inhaltlichen Angeboten und der Hausaufgabenhilfe der Betreuungsaspekt mit im Vordergrund. Das verschiebt sich im Lauf der Zeit immer mehr. Dann geht es vor allem darum, mit inhaltlichen Angeboten zu punkten, kreative Möglichkeiten zu schaffen, Talente zu fördern und Defizite auszugleichen.

Die Schule kann sicher nicht alles leisten, aber sie kann zusätzliche Bildungsangebote unterbreiten, die Kinder und Jugendliche weiterbringen. Gerade von Seiten der Eltern gibt es eine große Erwartungshaltung, der sich die Schulen mit einer breiten Angebotspalette stellen, auch wenn am Ende nicht alle Wünsche verwirklicht werden können.

Mit der Ausweitung der pädagogisch gestalteten Lernzeit kann insbesondere an den weiterführenden Schulen eine nachhaltige Entwicklung erreicht werden. Die Angebote der Ganztagsschulen ergänzen hier die schulische und familiäre Erziehung. Durch das ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebot wird die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler insgesamt nachhaltig gefördert.

Online-Redaktion: Seit 2013 sind einige Ganztagsschulen - wie die Johannes-Gutenberg-Schule in Wolmirstedt, die Albert-Schweitzer-Schule in Aschersleben oder die Sekundarschule Friedrichstadt in Wittenberg - zu Gemeinschaftsschulen geworden. Was ist das Besondere von Gemeinschaftsschulen? Und sind alle auch Ganztagsschulen?

Dorgerloh: Das Besondere an den Gemeinschaftsschulen ist das längere gemeinsame Lernen durch Verzicht auf eine äußere Fachleistungsdifferenzierung – wie es im Fachjargon heißt. Die Schülerinnen und Schüler werden gemeinsam in einer Klasse unterrichtet. Auf diese Weise kann die zu frühe Festlegung auf den späteren Bildungsabschluss und -weg vermieden werden. Das gibt allen mehr Bildungschancen. Wir sind überzeugt, dass das Schulsystem in unserem Land für jede Schülerin und jeden Schüler die Chance bieten muss, den für sie oder ihn bestmöglichen Schulabschluss zu erreichen. Gerade Spätstarter oder Kinder mit nicht so viel elterlicher Frühförderung haben in der Gemeinschaftsschule mehr Zeit zu zeigen, was in ihnen steckt.

Schon jetzt sind mehr als die Hälfte der Gemeinschaftsschulen auch Ganztagsschulen. Die drei von Ihnen genannten Schulen haben ihren Schultag vollständig rhythmisiert. Diese Ganztagsangebote eignen sich hervorragend zur Gestaltung von Gemeinschaftsschulen - deshalb begrüßen wir auch alle Aktivitäten, die in diese Richtung gehen.

Online-Redaktion: Welche Rolle spielen außerschulische Kooperationspartner für die Gestaltung der Ganztagsschule?

Dorgerloh: Eine ganz wesentliche. Sie sind eine enorme Bereicherung, und wir sind gezielt dabei, dies auch weiter zu forcieren. Schule muss möglichst viele Partner mit ins Boot holen, um thematisch breite Angebote zu machen. Das reicht von einem freien Träger der Jugendhilfe über die Feuerwehr bis zu den ortsansässigen wissenschaftlichen Einrichtungen, Unternehmen und Geschäftsleuten. Aber auch einzelne Personen verfügen über Kompetenzen und gute Ideen, um in der Schule tätig zu werden. Es tut allen Beteiligten gut, wenn es hier zu einer engen und zielgerichteten Zusammenarbeit kommt. Davon profitieren die Schülerinnen und Schüler, ja die ganze Schule, weil Anregungen von außen kommen, aber auch die Kooperationspartner haben etwas davon.

Online-Redaktion: Welche Unterstützung ermöglicht das Land den Ganztagsschulen für ihre Schulentwicklung?

Dorgerloh: Die bedarfsorientierte Unterstützung der Ganztagsschulen läuft zum einen über Angebote des Landesinstitutes für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt, des LISA, zum anderen über die schulfachliche Begleitung durch das Landesschulamt. Darüber hinaus gibt es insbesondere die speziell auf die Ganztagsschulen zugeschnittenen Angebote der Serviceagentur „Ganztägig lernen“. Deshalb haben wir uns in Sachsen-Anhalt entschieden, die Kooperation mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) nach dem Auslaufen von IZBB und der Beendigung der Bundesförderung in den kommenden Jahren fortzuführen.

Die Angebote der Serviceagentur passen gut zum Unterstützungssystem und Bemühen des Landes, die Qualität an der zunehmenden Anzahl von Ganztagsschulen weiterzuentwickeln. Besonders hervorzuheben ist dabei auch das Netz der Referenzschulen, das in Zusammenarbeit mit der Serviceagentur und dem Ganztagsschulverband entwickelt worden ist und als Fortbildungsformat auch auf andere Schulen übertragen werden soll. Hier können sich Schulen, die diesen Weg einschlagen wollen, selbst schlau machen und von anderen lernen, wie es geht.

 

Seit 2009 haben auf www.ganztagsschulen.org regelmäßig Bildungsministerinnen und Bildungsminister in Interviews die Entwicklungen beim Ausbau der Ganztagsangebote in ihrem Land erläutert. Alle Interviews finden Sie in der Rubrik „Bildungpolitik: Interviews“.

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