"Pädagogisch und gesellschaftlich wichtig": Ganztagsschule in Bayern : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Passgenau, lebendig und qualitativ hochwertig soll das Ganztagsangebot sein, ob gebunden oder offen. Bayern investiert in den Ausbau von Ganztagsschulen. Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle spricht im Interview über aktuelle Entwicklungen.

Online-Redaktion: Herr Minister, Bayern baut intensiv Ganztagsschulen aus. Wie schätzen Sie den derzeitigen Stand und die Nachfrage ein?

Porträtfoto Ludwig Spaenle
Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle © StMBW

Ludwig Spaenle: Es ist das Ziel der Bayerischen Staatsregierung, den Eltern mit ihren Kindern eine flächendeckende und bedarfsorientierte Versorgung mit verschiedenen Formen von Ganztagsangeboten unterbreiten zu können. Neben Ganztagsschulen in gebundener und offener Form haben auch Horte und die bewährte bayerische Mittagsbetreuung weiterhin große Bedeutung. Die Eltern haben dabei die gesetzlich garantierte Wahlfreiheit, ob ihre Kinder ein Ganztagsangebot besuchen oder nicht.

Das heißt auch: Ganztagsangebote werden dort eingerichtet, wo Bedarf ist. Entsprechende Anträge stellen die Schulen zusammen mit ihren Sachaufwandsträgern. Bayern hat in den vergangenen Jahren massiv in den Ausbau der Ganztagsangebote investiert. Entsprechend konnten alle genehmigungsfähigen Anträge genehmigt werden. Mittlerweile führen über 80 Prozent der allgemeinbildenden Schulen in Bayern ein Ganztagsangebot.

Online-Redaktion: Welche Rolle spielt das Programm „FAGplus15“?

Spaenle: Der Freistaat Bayern wendet für den Ausbau der Ganztagsschulen erhebliche Mittel auf: Im Schuljahr 2014/2015 beispielsweise finanzierte Bayern für die gebundenen Ganztagsklassen rund 1.750 Lehrerstellen und mehr als 7 Millionen Euro für die Kooperation mit externen Partnern. Für die offenen Ganztagsgruppen brachte der Freistaat rund 85 Millionen Euro auf, für die Mittagsbetreuung und die verlängerte Mittagsbetreuung mehr als 41 Millionen Euro. Zu diesen Beträgen kommen noch die Leistungen der Sachaufwandsträger hinzu. Die Sachaufwandsträger haben zum Beispiel allein für die gebundenen Ganztagsschulen rund 18,5 Millionen Euro und für die offenen Ganztagsgruppen knapp 20 Millionen Euro aufgebracht.

Außerdem investieren die bayerischen Kommunen als Sachaufwandsträger hohe Beträge in die Errichtung von Räumlichkeiten für den Ganztag. Der Freistaat unterstützt sie dabei mit dem Sonderinvestitionsprogramm „FAGplus15“. Die genannten Summen zeigen die hohe Bedeutung, die dem Ausbau der Ganztagsangebote in Bayern zukommt.

Online-Redaktion: Wie steht Bayern zur Frage von offenen und gebundenen Ganztagsschulen?

Spaenle: Alle Ganztagsangebote ermöglichen es, die Schülerinnen und Schüler zusätzlich zu fördern. Für viele Eltern sind Ganztagsangebote zudem eine wichtige Voraussetzung, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können. Ganztagsangebote stellen deshalb einen wichtigen pädagogischen und gesellschaftlichen Beitrag zur Weiterentwicklung des bayerischen Schulwesens dar. Dies gilt für gebundene und offene Angebote gleichermaßen.

Schulische Ganztagsangebote werden in Bayern auf Antrag des Sachaufwandsträgers zusammen mit der jeweiligen Schule eingerichtet. Denn Schulen und Sachaufwandsträger kennen den Bedarf und die Wünsche der Eltern am besten. Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass Bedarfslage und Wünsche vor Ort sehr unterschiedlich sein können. Das gilt gerade auch für die Frage, ob offene oder gebundene Ganztagsangebote benötigt werden.

Die Vielfalt der Angebote eröffnet den Schulen und  Sachaufwandsträgern, Eltern, Schülerinnen und Schülern große Gestaltungsmöglichkeiten und ist daher eine echte Chance, in den Kommunen eine passgenaue, lebendige und qualitativ hochwertige soziale Infrastruktur einzurichten.

Online-Redaktion: Im April 2015 fand im Landtag die Tagung „Bildung stärken“ des Bayerischen Musikrats statt, bei der es um die Kooperation mit der kulturellen Bildung und dem Sport ging. Welche Bedeutung haben außerschulische Partner für die Ganztagsschulen?

Spaenle: Die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern ist eine wichtige Säule des bayerischen Ganztags. Sie eröffnet nicht nur den Schulen, sondern auch dem Umfeld der Schulen große Chancen: Das schulische Angebot wird bunter und vielfältiger – und das Umfeld der Schulen erreicht auch Kinder, die sonst vielleicht keinen Zugang zu Sportvereinen oder Musikschulen gefunden hätten.

Die Ganztagsschule ist so ein wichtiges Bindeglied zum gesellschaftlichen Leben vor Ort. Besonders wertvoll und anregend sind ergänzende Angebote in Musik, Kunst und Sport. Bewegung. Gemeinsames Musizieren oder künstlerische Betätigung sind für die Konzentrationsfähigkeit und die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder von zentraler Bedeutung. Durch den Wechsel aus Anspannung und Entspannung kann zudem das Lernen positiv beeinflusst werden.

Online-Redaktion: Was erwarten die Eltern von Ganztagsschulen? Gibt es regionale Unterschiede?

Spaenle: Ganztagsangebote spielen für viele Eltern bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine wichtige Rolle. Auch deshalb ist es ein wichtiges Anliegen der Staatsregierung, die Ganztagsangebote flächendeckend und bedarfsorientiert auszubauen. Entsprechend den unterschiedlichen Gegebenheiten in Stadt und Land können wir grundsätzlich feststellen, dass die Nachfrage nach Ganztagsangeboten in Ballungsregionen etwas stärker ist als im ländlichen Raum. Außerdem fällt auf, dass Eltern im ländlichen Raum eher flexible, offene Angebote schätzen. Und genau deshalb richten sich Art und Umfang der Ganztagsangebote in Bayern nach dem Bedarf vor Ort.

Online-Redaktion: Gibt es Schwerpunkte für die Zukunft, die Ihnen besonders wichtig sind?

Spaenle: Ein Schwerpunkt der nächsten Jahre liegt sicherlich darin, die Qualität der Ganztagsangebote weiterzuentwickeln und die Möglichkeiten der Kooperation mit außerschulischen Partnern etwa in den Bereichen Sport, Musik, Kunst oder MINT-Förderung auszubauen. Außerdem haben wir unsere Angebotspalette nochmals erweitert:

Im Rahmen des „Ganztagsgipfels“ haben wir im Frühjahr 2015 mit den kommunalen Spitzenverbänden in Bayern vereinbart, dass in den Jahrgangsstufen 1 bis 4 künftig auch offene Ganztagsangebote eingerichtet werden können. Damit ergänzen wir die hochwertigen gebundenen Ganztagsangebote in den Jahrgangsstufen 1 bis 4 um eine flexible, offene Angebotsform. Außerdem erproben wir im Rahmen von Modellversuchen, wie schulische Ganztagsangebote und Kindertageseinrichtungen sinnvoll miteinander verknüpft werden können.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

Seit 2009 haben auf www.ganztagsschulen.org regelmäßig Bildungsministerinnen und Bildungsminister in Interviews die Entwicklungen beim Ausbau der Ganztagsangebote in ihrem Land erläutert. Alle Interviews finden Sie in der Rubrik „Bildungpolitik: Interviews“.

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