Niedersächsische Ganztagsschulen auf der didacta : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Neun Ganztagsschulen präsentierten sich am Ausstellungsstand von Niedersachsen auf der didacta 2018 in Hannover. Dabei war auch StEG mit dem Forschungsprojekt StEG-Kooperation.

Mehr als 800 Aussteller aus 47 Ländern, fast 1.500 Veranstaltungen – die diesjährige Bildungsmesse didacta lockte vom 20. bis 24. Februar 2018 auf das Messegelände Hannover. Alle Stationen des lebenslangen Lernens bildeten sich an den Ständen, in Workshops und Vorträgen ab. Das Niedersächsische Kultusministerium setzte an seinem Ausstellungsstand neben den Themen Inklusion und berufliche Bildung auch einen Schwerpunkt beim Thema Ganztagsschule.

An allen fünf Tagen präsentierten sich neun allgemeinbildende Schulen und fünf berufsbildende Schulen. Dabei waren die Ottfried Preußler-Schule aus Hannover, die Oberschule Westercelle, die Paul-Klee-Schule Celle, die Friedensschule Lingen, die Oberschule Papenteich aus Gifhorn, das Otto-Hahn-Gymnasium Springe, das Hannah-Arendt-Gymnasium Barsinghausen, die Adolf-Grimme-Gesamtschule Goslar und die IGS Roderbruch aus Hannover.

Otto-Hahn-Gymnasium: „Zusammen können wir mehr erreichen“

„Es gibt derzeit drei Motoren für Schulentwicklung: Ganztagsschule, Digitalisierung und Inklusion.‟ Die Schulleiterin des Otto-Hahn-Gymnasiums, Dr. Kerstin Prietzel, ist schon mal eine gute Ganztagsschulbotschafterin am Niedersachsen-Stand. „Ganztagsschule sollte nicht nur ein attraktiver Randbereich sein, sondern sie hat das Potenzial, eine Schule im Kern zusammenzuhalten‟, erklärt sie.

Kerstin Prietzel und Henriette Habitz vom Otto-Hahn-Gymnasium auf der didacta 2018
Schulleiterin Dr. Kerstin Prietzel (l.), Jahrgangsleiterin Henriette Habitz vom Otto-Hahn-Gymnasium © Redaktion www.ganztagsschulen.org

Jahrgangsleiterin Henriette Habitz berichtet, dass das offene Ganztagsangebot in Klasse 5 und 6 am Otto-Hahn-Gymnasium nicht nur als „Betreuung“ von den Eltern angewählt werde. Vielmehr habe sich die Nachfrage auch positiv entwickelt, weil die Eltern sehen, dass die Kolleginnen und Kollegen im Ganztag „nah an den Schülern, Eltern und Klassenleitungen dran sind‟. Außerdem können sie die fünf Wochentage flexibel wählen. Für die Schülerinnen und Schüler ist vor allem wichtig, dass „ihre Freundinnen und Freunde bereits dabei sind‟.

Lehrerinnen und Lehrer ebenso wie pädagogische Fachkräfte gestalten die Hausaufgabenbetreuung, Förderkurse in Deutsch, Englisch und Mathematik und die Arbeitsgemeinschaften. Eine Lehrerin beaufsichtigt den großen Ganztagsraum. Der ist in einzelne Bereiche unterteilt mit Tischen, Sofas, Leseecken. „Hier können sich die Schülerinnen und Schüler zurückziehen, lernen, üben und ausruhen‟, so Henriette Habitz. Der Teamgedanke – auch Förderschullehrkräfte arbeiten mit – präge die Schule sehr. „Zusammen können wir mehr erreichen‟, bringt es die Lehrerin auf den Punkt.

StEG: Transparenz als Grundlage der Kooperation

Ein Team der „Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen – StEG“ widmete sich der Frage, wie multiprofessionelle Kooperation im Ganztag funktioniert, in einem Workshop. Johanna M. Gaiser, Stephan Kielblock und Martin Reinert von der Justus-Liebig-Universität Gießen stellten Ergebnisse einer StEG-Teilstudie „Multiprofessionelle Kooperation als Basis für Inklusion an Ganztagsgrundschulen“ vor. Seit 2016 untersuchen sie das Thema. In vier ausgewählten Grundschulen in Hessen haben sie unter anderem mit den pädagogischen Fachkräften gesprochen.

Stephan Kielblock erzählt von einem Schulbesuch. Es komme vor, dass Lehrkräfte die pädagogischen Mitarbeiterinnen nicht kennen und umgekehrt. „Auf Leitungsebene kennt man sich, aber was ist mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?‟, fragte Kielblock. Er wollte verdeutlichen, dass es manchmal an basalen Dinge hake. Kooperationsvereinbarungen nützten wenig, wenn „niemand wisse, was überhaupt drinsteht. Oder sie auch nach großer Suche nicht gefunden werden‟.

Das Wesentliche in der multiprofessionellen Kooperation sei die Transparenz. „Es muss klar sein, wer wofür verantwortlich ist. Alle müssen sich auf eine gemeinsame Vision und Leitlinien der Zusammenarbeit verständigen. Dazu müssen konkrete Zeiten und Orte gefunden werden‟, führte Johanna Gaiser aus.

Hannah-Arendt-Gymnasium mit Gütesiegel Berufswahl

Mit 1.200 Schülerinnen und Schülern ähnlich groß wie das Otto-Hahn-Gymnasium ist das Hannah-Arendt-Gymnasium Barsinghausen. Das offene Ganztagsgymnasium bietet mit über 40 Arbeitsgemeinschaften an fünf Tagen ein großes Angebot, dazu einen von Schulsozialarbeitern betreuten Freizeitbereich. Auch zwei Schulhunde gibt es. „Ich bin sehr zufrieden mit unserem Ganztag‟, meint Corinna Harms, die Mitglied der erweiterten Schulleitung ist.

Besonders hervorheben möchte sie die Berufs- und Studienorientierung: „Im 11. Jahrgang sind wir einen Tag mit allen Schülerinnen und Schülern unterwegs, damit sich die Jugendlichen über verschiedene Ausbildungsberufe und Studiengänge informieren können.‟ Seit 2015 darf das Hannah-Arendt-Gymnasium das Gütesiegel „Berufswahl- und ausbildungsfreundliche Schule“ tragen. Das Netzwerk Berufswahl-SIEGEL hat das fächerverbindende Konzept der Schule gewürdigt.

IGS Roderbruch: „Kein stressiges Knistern‟

Michael Jürgens und Anke Bent auf einem Gruppenfoto am Stand der IGS Roderbruch
Michael Jürgens (l.) vom Schulelternrat, Anke Bent (m.), Leiterin des Sekundarbereichs der IGS Roderbruch © Redaktion www.ganztagsschulen.org

Noch wesentlich größer ist die IGS Roderbruch in Hannover mit 2.000 Schülerinnen und Schülern – von Klasse 1 bis 13. Was Michael Jürgens, dessen drei Kinder derzeit an der Gesamtschule mit offenem Ganztag lernen, fasziniert, ist, „dass man die Größe nicht merkt‟. Es gebe kein „stressiges Knistern“. Schön sei, dass die Elternarbeit so gut funktioniere, seitdem Brigitte Naber die Schulleitung übernommen hat. „Einmal im Monat setzt sich der Schulelternrat mit der Schulleitung zusammen‟, so Jürgens, „und es wird auch Wert darauf gelegt, dass wir in den Fachkonferenzen präsent sind.‟

Von Klasse 1 bis 6 ist die Teilnahme am Ganztag verpflichtend, danach freiwillig. Gerade organisiert sich die Integrierte Gesamtschule im Primarbereich neu. Die Stadt Hannover führt flächendeckend die Ganztagsgrundschule ein, der schuleigene Hort wird geschlossen. „Wir sind nun auf der Suche nach einem Kooperationspartner für den Nachmittagsbereich‟, so Anke Bent, Leiterin des Sekundarbereichs.

„Unsere Schule zeichnet die große Vielfalt aus. Wir arbeiten integrativ, haben Schülerinnen und Schüler aus sehr vielen Nationalitäten bei uns. Es gibt viele Angebote, die von Kolleginnen und Kollegen geleitet werden. Das ist sehr förderlich für die Differenzierung und auf lange Sicht wichtig für die gesellschaftliche Teilhabe.‟

Oberschule Papenteich: Schülerangebote für Schüler

Milan Kloiber aus der 11. Klasse gefiel an der Ganztagsschule, dass „wir keine Hausaufgaben mehr hatten‟. Insgesamt schätzt er die gelassene Atmosphäre an der IGS Roderbruch. Er findet die vielen Projekte toll, von denen er im Lauf der Jahre so viele wie möglich mitgemacht hat: Theater, Jugend forscht, Schule ohne Rassismus. Aktuell arbeitet er in der Energiegruppe, die die Schule nachhaltig gestalten will.

Die Oberschule Papenteich in Groß Schwülper im Landkreis Gifhorn ist eine teilgebundene Ganztagsschule. In den Klassen 5 bis 7 ist die Teilnahme verpflichtend, danach freiwillig. Viele Externe, darunter Eltern und Einzelpersonen, sind eingebunden, um ein großes AG-Angebot von Astronomie über die Fahrradwerkstatt bis zur Naturkunde-AG zu stemmen. Ältere Schülerinnen und Schüler bieten Tischtennis, Schach und die AG Schülerzeitung an.

„Die Schülerinnen und Schüler machen das sehr gut‟, findet Lehrer Frank Senkpiel. Aus der Wirtschaft hat die Oberschule einen wichtigen – und den wohl bekanntesten – Kooperationspartner in Wolfsburg. Ein Auto, dass die Schülerinnen und Schüler vom Schrottplatz geholt und restauriert haben, hat nun seinen Platz in der Autostadt gefunden.

Friedensschule Lingen: Ganztag als Türöffner für Gespräche

Gruppenfoto mit dem Team der Friedensschule Lingen auf der didacta 2018
Team der Friedensschule Lingen mit Sandra Jarawke (l.) und Ulla Maaß-Brüggemann © Redaktion www.ganztagsschulen.org

An der Friedensschule Lingen, einer Haupt- und Realschule, hat sich ebenfalls das Konzept „Schüler helfen Schülern‟ bewährt. Neunt- und Zehntklässler unterstützen die Fünft- und Sechstklässler bei der Hausaufgabenbetreuung. „Die Schülerinnen und Schüler machen das sehr gewissenhaft. Es ist schön zu sehen, wie sie Verantwortung übernehmen. Es gibt schon eine Warteschlange bei den Kleinen‟, freut sich Sandra Jarawke. Sie ist Schulsozialarbeiterin an der offenen Ganztagsschule und auch am Vormittag tätig. Sie weiß: „Der Ganztag ist der Türöffner für viele Gespräche.‟

Die enge Verknüpfung von Vor- und Nachmittag zeichnet für Schulleiterin Ulla Maaß-Brüggemann ihre Schule aus. Lehrerinnen und Lehrer leiten auch Arbeitsgemeinschaften am Nachmittag, Schulsozialarbeiterinnen bieten Sozialkompetenztraining am Vormittag an. Die Schule kooperiert mit vielen Vereinen der Stadt Lingen, mit der Stadtbücherei und der Lingner Bürgerstiftung sowie mit dem Sozialdienst katholischer Frauen.

„Ganztag ist nicht nur Nachmittagsbespaßung, sondern hat einen pädagogischen Mehrwert‟, findet Ulla Maaß-Brüggemann. „Einige Schülerinnen und Schüler kommen morgens besser im Unterricht klar, weil sie am Nachmittag mit ihren Problemen wahrgenommen werden. Wir arbeiten als Ganztagsschule, weil wir möchten, dass unsere Schülerinnen und Schüler die Schule hocherhobenen Hauptes, mit einem gestärkten Selbstwertgefühl verlassen können.‟

 

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