Neues Portal „Ganztag entwickeln“ für Sachsen : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Der Ganztagsschulverband Sachsen hat das partizipative Portal „Ganztag entwickeln“ gestartet. Sächsische Schulen mit Ganztagsangebot sind aufgefordert, sich aktiv bei der Verbreitung guter Beispiele zu beteiligen.

© Ganztag entwickeln

Am 5. Oktober 2020 war es in den Räumen des Sächsischen Mitmach-Fonds in Leipzig so weit: Christoph Bülau, der Co-Vorsitzende des Ganztagsschulverbandes Sachsen, hob während einer Pressekonferenz den virtuellen Vorhang: Passend am UNESCO-Weltlehrertag ging „Ganztag entwickeln. Ein Unterstützungssystem für Schulen mit Ganztagsangeboten in Sachsen“ ans Netz. Die Plattform stellt für Schulen mit Ganztagsangeboten, aber auch für Eltern und externe Kooperationspartner „fundiertes Grundwissen zu den Möglichkeiten und Potenzialen eines guten Ganztags im Freistaat Sachsen“ bereit. 

„In Sachsen gelten fast alle Schulen als Schulen mit Ganztagsangeboten. Wir wollen flächendeckend Standards an diesen Schulen sicherstellen, indem wir akademisches Wissen niedrigschwellig für die pädagogische Praxis aufbereiten“, so Christoph Bülau. „Wir glauben, dass Informationen ein Schlüssel zum Erfolg guter Schulen sind. Deswegen stellen wir auf unserer Plattform nicht nur Hintergrundwissen zu den Qualitätsmerkmalen und den zugehörigen Qualitätsbereichen des sächsischen ‚Qualitätsrahmens Ganztagsangebote‘ bereit, sondern aus der gesamten erziehungswissenschaftlichen Forschung rund um Ganztagsschulen“ erläutert er.

Plattform für Schulentwicklung

„Wir“ meint das Verbundprojekt des Arbeitsbereichs Schulentwicklungsforschung der Universität Leipzig, an dem auch Christoph Bülau beschäftigt ist, des Landesverbandes des Ganztagsschulverbandes, des Verlags für Schulpädagogik und Schulentwicklung sowie verschiedener sächsischer Schulen mit Ganztagsangeboten und außerschulischen Partnern. Alle Beteiligten arbeiten ehrenamtlich an dem Projekt mit. Die engagierten „Webmaster“ möchten ebenso wie die Autorinnen und Autoren der Beiträge die Plattform als eine zentrale Anlaufstelle für alle Fragen rund um die Schulentwicklung im Ganztag etablieren – mit kurzweiligen Lernvideos, Blog-Einträgen, Materialien, Hintergrundinformationen und qualitativ hochwertigen Praxisbeispielen.

Das Verbundprojekt sieht sich in der Tradition der Serviceagenturen „Ganztägig lernen“ der Länder, wie sie mit dem Begleitprogramm zum IZBB entstanden waren. Die Serviceagenturen unterstützen Schulen beim Auf- und Ausbau von Ganztagsangeboten, sie organisieren Vernetzung und Austausch der Schulen, zum Beispiel durch Schulhospitationen und landesweite Veranstaltungen. Seit deren Förderung 2015 vom Bund an die Länder überging, haben sich unterschiedliche Unterstützungssysteme entwickelt. In Sachsen liegen die Beratungs- und Serviceleistungen in der Hand des Staatsministeriums für Kultus und des Landesamts für Schule und Bildung mit seinen fünf Regionalstellen.

© Ganztag entwickeln

„Weil uns ganz viele Akteure aus den Schulen und außerschulische Partner immer wieder darauf angesprochen haben, wie sinnvoll eine gemeinsame landeseigene Plattform wäre“, entschloss sich der Ganztagsschulverband Sachsen, dessen Co-Vorsitzender Christoph Bülau ist, „die Sache in die Hand zu nehmen“. Für die rund 1.400 sächsischen Schulen wurde die Plattform für Schulentwicklung ins Leben gerufen.

Keine „Serviceagentur 2.0.“

„Ganztag entwickeln“ versteht sich nicht als „Serviceagentur 2.0.“, auch nicht als Konkurrenz zu den Unterstützungsangeboten des Landes, sondern als ein ergänzendes Angebot: „Eine Bürgergesellschaft und zivilgesellschaftliches Engagement leben schließlich davon, dass Menschen ihre Interessen wahrnehmen“, findet der Co-Landesvorsitzende. 

Das überzeugte die Sächsischen Mitmach-Fonds, die den Strukturwandel in den Braunkohleregionen begleiten, so sehr, dass sie das Leipziger Verbundprojekt im Juni 2020 zu einem der Preisträger 2020 ihres Ideenwettbewerbs in der Kategorie „ReWIR – zivilgesellschaftliches Engagement der Bürgerinnen und Bürger im Lausitzer und Mitteldeutschen Revier“ kürten und finanziell förderten. Bis zur Pressekonferenz just in den Räumen der Mitmach-Fonds entwickelte das Team um Christoph Bülau den Internetauftritt als ein interaktives, partizipatives Projekt. 

Das Anliegen erläutert Christiane Dubiel, Co-Vorsitzende des Verbandes und Konrektorin der Kurt-Masur-Grundschule Leipzig, die in diesem Jahr den Sächsischen Schulpreis erhalten hat: „Uns ist es wichtig gewesen, alle Nutzergruppen mit einzubeziehen. So haben wir einen intensiven Beteiligungsworkshop veranstaltet. Vertreten waren dort Ganztagsschulkoordinatoren, Lehrkräfte, Schulleitungen, außerschulische Partner, Schülervertreter und Eltern sowie die Lehrerbildung, insgesamt 20 Personen. Alle haben wir befragt: Was erwartet ihr von der Plattform? Was braucht ihr für Materialien? Was wünscht ihr euch?“

„Mitmachen!“

Der Ansatz war also ganz bewusst nicht top-down gewählt; den Schulen sollen keine „Expertenrezepte“ vorgesetzt werden, an denen sie sich orientieren sollen, sondern das Portal wurde anhand der Wünsche und Erfahrungen von Beteiligten konzipiert. Die Partizipation endete aber nicht mit der Vorbereitung. Sondern sie ist integraler Bestandteil des Portals geworden, wie die Rubrik „Mitmachen!“ und der Blog mit der Bitte an die Leserinnen und Leser, sich aktiv zu beteiligen, signalisieren. 

"Alle Nutzergruppen einbeziehen" © Ganztag entwickeln

„So ein Portal fehlte bisher“, meint Christoph Bülau. „Bei rund 1.400 Schulen mit Ganztagsangeboten gibt es mit Sicherheit ganz viele gute Beispiele für jeden der im ‚Sächsischen Qualitätsrahmen‘ definierten Qualitätsbereiche. Da kann es um die Kooperation mit außerschulischen Partnern, um Schülerpartizipation oder Elternmitwirkung, um Raumgestaltung, um Förderangebote, um die Zusammenarbeit von Schule und Hort gehen – die Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen.“

Möglichst vielseitige Informationen sollen die Basis für die Analyse der jeweiligen Schulsituation und für die Entscheidungen über Schulentwicklungsprozesse schaffen. Nur so kann Christoph Bülau zufolge das Potenzial ganztägig arbeitender Schulen auch ausgeschöpft werden. „Zudem schafft eine entwickelte Informationskultur an Schulen eine größere Planungs- und Handlungssicherheit und damit Verlässlichkeit für alle schulischen und außerschulischen Akteure, wenn es um die für die Qualitätssicherung des Ganztags geht.“

Ganztagsschulforschung nutzen

Dabei geht es auch um eine niedrigschwellige, allgemeinverständliche Vermittlung der Ganztagsschulforschung. „Es gibt in Deutschland schon viel Literatur zum Thema Ganztag, aber was so ein bisschen fehlt, ist die Wissenschaftskommunikation. Wir möchten komplexe Zusammenhänge so runterbrechen und akademische Sprache so vermitteln, dass sie auch in der Weiterbildung, in der Dienstberatung oder abends auf der Couch einfach zu verstehen sind“, erläutert Christoph Bülau. Das gilt selbstverständlich auch für die regelmäßigen Ergebnisse der sächsischen Ganztagsschulforschung.

Das Portal enthält bereits Erklärvideos zu Bereichen wie „Rhythmisierung“, „Bewegter Unterricht – Bewegte Pause“, „Multiprofessionelle Teams“, „Hausaufgaben“ oder allgemein zum Thema Ganztagsangebote. Daneben gibt es Materialien, Arbeitshilfen und Literaturhinweise, darunter den sächsischen „Qualitätsrahmen Ganztagsangebote“. Eine Besonderheit sind sicherlich die von Studierenden verfassten Texte zu verschiedenen Qualitätsbereichen des Ganztags.

Christiane Dubiel und Jens Richter von Prima Tandems Dresden © Ganztag entwickeln

In der Rubrik „Ideen für GTA“ ist das Portal zunächst mit drei beispielhaften „Ideen für Ganztagsangebote“ an Oberschulen und Gymnasien gestartet, entwickelt von Studierenden der Universität Leipzig: „Diskriminierungssensiblen Umgang lernen“, „Abenteuer Ernährung“ und „Music for All“. Der Landesverband hat eine Arbeitshilfe zum Qualitätsrahmen Ganztagsangebote beigesteuert, mit Gelingensbedingungen und Tipps, um die Ziele in den verschiedenen Qualitätsbereichen zu erreichen. Da der „Sächsische Qualitätsrahmen Ganztagsangebote“ die Schulen auffordert, eine Sozialraumanalyse durchzuführen, enthält die Arbeitshilfe auch ein Interview mit Prof. Ulrich Deinet, der erklärt, was eine Sozialraumanalyse ist und wie man diese durchführt. 

Virtuelle 360-Grad-Schulbegehungen

Die Schulen können die auf der Website aufbereiteten Materialien vielfältig nutzen. Christoph Bülau hofft zum Beispiel, dass Schulen, die bei der Anwendung des „Sächsischen Qualitätsrahmens“ feststellen, dass sie in einem bestimmten Bereich noch Defizite sehen, die Erklärvideos zurate ziehen. Auch für die Lehrerausbildung und in der Aus- und Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern oder von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern sind die Inhalte des Portals „Ganztag entwickeln“ gut geeignet.

Denn, so Bülau: „Jede Profession kommt doch mit dem Thema Ganztag in Berührung. Und je mehr Fragen an uns herangetragen werden, umso mehr können wir mit neuen Inhalten darauf reagieren.“ Vereine und Verbände erhalten die Möglichkeit, ihre Angebote auf der Website vorzustellen. Außerdem sollen Schulen sich als good practice Beispiele präsentieren. „Die Seite wächst mit Ihren Beiträgen, Anmerkungen und Wünschen“, heißt es dort.

Das Portal soll in den nächsten Monaten weiter ausgebaut werden. So sind in Kooperation mit Prof. Christof Amrhein von der Fakultät Medien der Hochschule Mittweida virtuelle 360-Grad-Schulbegehungen in Planung. „Ganztag ist für uns nicht das Angebot am Nachmittag“, macht Christoph Bülau deutlich. „Ganztag sehen wir als eine Chiffre für Schulentwicklung, als eine Frage von guter Schule und gutem Unterricht. Die Rhythmisierung und die Zeitstrukturen, die Raumgestaltung, das Mittagessen – all das kann durch den Ganztag anders in den Blick genommen und verändert werden. Eigentlich geht es bei unserem Portal um Schulentwicklung.“

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