"Gut nachgefragt": Ganztagsschulen im Saarland : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Eine Ganztagsschullandschaft mit mehr gebundenen Angeboten, die dennoch Wahlfreiheit für Schülerinnen, Schülern und Eltern lässt, ist das Ziel im Saarland. Kultusminister Ulrich Commerçon spricht im Interview über aktuelle Entwicklungen.

Online-Redaktion: Herr Minister, das Saarland hat in den letzten Jahren den Ausbau der Freiwilligen Ganztagsschulen gefördert. Was zeichnet dieses Modell aus?

Bildungsminister Ulrich Commerçon
Bildungsminister Ulrich Commerçon © Ministerium für Bildung und Forschung Saarland

Ulrich Commerçon: Die Vorgängerregierungen haben in den letzten Jahren vor allem die „Freiwillige Ganztagsschule“ ausgebaut. Dieses Modell ist ein reines Betreuungsangebot im Anschluss an den herkömmlichen Vormittagsunterricht und trägt natürlich auch zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei. Seit 2012 liegt unser Schwerpunkt jedoch auf der Förderung gebundener Ganztagsschulen, die die individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes im Blick haben.

Online-Redaktion: Im Schuljahr 2015/16 verzeichneten die gebundenen Ganztagsschulen des Landes eine um elf Prozent höhere Anmeldung. Wie steht das Land zur Frage von offenen und gebundenen Ganztagsschulen?

Commerçon: Die gebundenen Ganztagsschulen werden in der Tat sehr gut nachgefragt. Das bestärkt mich in unserem Ziel, dieses Angebot weiter auszubauen. Zum Beginn meiner Amtszeit gab es lediglich sieben Standorte. Ab dem kommenden Schuljahr 2016/17 werden wir 17 gebundene und neun teilgebundene Ganztagsschulen haben. Ich möchte den Eltern ein auswahlfähiges Angebot zwischen beiden Formen machen. Davon sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Deshalb liegt die Priorität auf dem weiteren Ausbau der gebundenen Ganztagsschulen.

Online-Redaktion: Was erwarten die Eltern im Saarland von Ganztagsschulen?

Commerçon: Die Eltern setzen vor allem auf Verlässlichkeit, auf Angebote, die auf die beruflichen und familiären Bedürfnisse abgestimmt sind und zu ihrem Lebensalltag passen. Wünschen die Eltern ein ganzheitliches Konzept mit dem Schwerpunkt der vertieften pädagogischen Förderung ihrer Kinder, melden sie es an einer gebundenen Ganztagsschule an. Steht hingegen eher die zeitweise Betreuung der Kinder am Nachmittag im Vordergrund, nehmen sie das offene Ganztagsangebot der Freiwilligen Ganztagsschule wahr.

Online-Redaktion: Im Saarland unterliegen die ganztägigen Angebote der Qualitätssicherung durch eine externe Evaluation. Wie wird diese Evaluation durchgeführt, und was folgt aus den Ergebnissen?

Schüler und Lehrer bei der Hausaufgabenbetreuung
Hausaufgabenbetreuung in der Aula Lebach (Landkreis Saarlouis) © Britta Hüning

Commerçon: Es geht bei der externen Evaluation um eine konstruktive Rückmeldung an die gesamte Schulgemeinschaft zur Qualität der schulischen Arbeit und ausdrücklich nicht um die Beurteilung der Arbeit einzelner Lehrkräfte. Ein Aspekt ist dabei die Frage von Bildung und Betreuung am Nachmittag. Wichtigstes Ziel ist die Anregung einer systematischen Schul- und Unterrichtsentwicklung. Wissenschaftlich begleitet wird die Evaluation durch die Universität Erfurt.

Online-Redaktion: Kürzlich haben Sie für das neue Projekt „Schule leiten“ einen Kooperationsvertrag mit der Deutschen Schulakademie unterzeichnet. Welche Rolle haben aus Ihrer Sicht die Schulleitungen für die Qualität von Ganztagsschulen?

Commerçon: Ohne empathische und führungsstarke Schulleitungen ist eine gute Schulentwicklung nicht möglich. Die Schulleiterinnen und Schulleiter übernehmen in ihrem Berufsleben vielfältige Aufgaben: Sie geben Impulse und Richtung, motivieren das Kollegium, entscheiden über Entwicklungsprozesse, optimieren das pädagogische Angebot und vieles mehr. Es braucht also engagierte Schulleitungen, die ihre Rolle professionell reflektieren. Dabei wollen wir die erforderliche Unterstützung leisten.

Online-Redaktion: Welche Unterstützung erhalten die Ganztagsschulen außerdem für die Schulentwicklung?

Commerçon: Wir stellen den Schulen über unser Landesinstitut für Pädagogik und Medien Beraterinnen und Berater zur Verfügung, die ihre Unterstützung bei der Schulentwicklung anbieten. In der Regel erfolgt dies durch Beratungen, pädagogische Tage, Zukunftswerkstätten, Fortbildungen und Schulbesuche. Bis Ende 2015 wurden parallel auch Fortbildungs- und Beratungsangebote durch die Serviceagentur „Ganztägig Lernen.“ angeboten. Wir wollen uns nach dem Auslaufen dieses bundesweiten Programms an einem Nachfolgeformat beteiligen.

Gemeinschaftsschule Völklingen II
Besuch einer 7. Klasse der Gemeinschaftsschule Völklingen II in einer Synagoge © Gemeinschaftsschule Völklingen II

Online-Redaktion: Wie sehen die Schwerpunkte für die Zukunft aus?

Commerçon: Ich möchte den Ausbau gebundener Ganztagsangebote weiterhin konsequent vorantreiben. Mein Ziel ist eine Ganztagsschullandschaft, die den Schülerinnen und Schülern und deren Eltern die Wahlfreiheit zwischen gebundenen und offenen Angeboten bietet. Damit schaffen wir mehr Chancengleichheit, mehr Lernzeit für die Kinder, mehr Familienzeit und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

Seit 2009 haben auf www.ganztagsschulen.org regelmäßig Bildungsministerinnen und Bildungsminister in Interviews die Entwicklungen beim Ausbau der Ganztagsangebote in ihrem Land erläutert. Alle Interviews finden Sie in der Rubrik „Bildungpolitik: Interviews“.

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