Ganztagsschulen in Berlin: Gute Lern- und Lebensorte : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

In Berlin werden Ganztagsschulen von Kindern, Jugendlichen und Eltern geschätzt – als gute Lern- und Lebensorte. Bildungssenatorin Sandra Scheeres spricht im Interview über aktuelle Entwicklungen.

Porträtfoto Senatorin Sandra Scheeres
Sandra Scheeres, Senatorin für Bildung, Jugend und Wissenschaft © Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft

Online-Redaktion: Frau Senatorin, in Berlin sind alle Grundschulen und Integrierten Sekundarschulen bereits Ganztagsschulen. Wie ist die Entwicklung bei den Gymnasien?

Sandra Scheeres: Die Entwicklung bei den Gymnasien ist sehr positiv. Allein zu Beginn des letzten Schuljahres konnte ich sieben neue Ganztagsgymnasien genehmigen. Ich war sehr beeindruckt von den innovativen Ganztagskonzepten, die mir zur Genehmigung vorlagen. In Berlin haben wir nunmehr 25 Ganztagsgymnasien.

Online-Redaktion: Wie steht das Land zur Frage von offenen und gebundenen Ganztagsschulen?

Scheeres: Zunächst geht es darum, alle Ganztagsschulen – unabhängig davon, ob sie offen oder gebunden arbeiten – zu Orten des Lernens und Lebens zu entwickeln. Es kommt auf die Qualität des Angebots der Ganztagsschule an. Das heißt, es lässt sich nicht sagen, dass gebundene Ganztagsschulen per se besser wären als offene. Und Eltern sehen die Angebote durchaus unterschiedlich, auch das möchte ich berücksichtigen.

Außenansicht des Dienstgebäudes
Die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft in der Bernhard-Weiß-Straße © Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft

Dennoch sehe ich in der gebundenen Ganztagsschule die für die Entfaltung des Ganztagsschulpotentials besseren Rahmenbedingungen – das liegt an der verbindlichen Teilnahme über die Unterrichtszeit hinaus. Das Mehr an Zeit in der Ganztagsschule kann im gebundenen Ganztag zu einer besseren konzeptionellen Verschränkung von formalen und informellen Bildungsangeboten führen und letztlich ein Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit sein.

Der nahezu stürmische Ausbau der Ganztagsschulen ist eine der umfassendsten Schulreformen der letzten Jahre. Ich halte es daher für richtig, dass jede Schule zentrale Fragen ihrer Schulentwicklung selbst entscheiden kann. Dazu gehört auch die Entscheidung darüber, ob die Schule im offenen, teilgebundenen oder gebundenen Ganztag arbeiten möchte. Etablierte Vernetzungs-, Beratungs- und Kooperationsstrukturen unterstützen die Schulen bei der Entwicklung ihres Ganztagsschulkonzepts. Zunehmend entscheiden sich insbesondere Sekundarschulen und Gymnasien für den gebundenen Ganztagsbetrieb.

Online-Redaktion: Was erwarten Berliner Eltern von Ganztagsschulen? Gibt es Unterschiede in den Bezirken?

Schülerinnen und Schüler in der Klasse in der Hannah-Höch-Grundschule
© Britta Hüning

Scheeres: Für Eltern ist die Berliner Ganztagsschule vor allem im Bereich der Grundstufe familienpolitisch von großer Bedeutung. Die Öffnungszeiten von 6 bis 18 Uhr an allen Schul- und Ferientagen führen zu einer hohen Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Akzeptanz des Ganztagsangebotes in allen Schulformen macht aber auch deutlich, dass die unterrichtsergänzenden Angebote von den Berliner Eltern sehr geschätzt werden. Die Eltern nehmen sehr positiv wahr, dass aus ihrer „Unterrichtsschule“ eine Ganztagsschule mit einem veränderten Verständnis von Bildung wird. Die Ganztagsschule ist in allen Berliner Bezirken als guter Lern- und Lebensort für Kinder und Jugendliche akzeptiert.

Online-Redaktion: Das „Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule“ und die „Eckpunkte für eine gute Ganztagsschule“ für die Integrierten Sekundarschulen zeigen die Potenziale erweiterter Lernzeit und ganzheitlicher Förderung auf. Wie sehen Sie den Stand in Berlin, und wie unterstützt das Land die Qualitätsentwicklung der Ganztagsschulen?

 Peter Teller und Oliver Prutz vor dem Gewächshaus der Schule an der Wuhlheide
Erzieher Peter Teller und Oliver Prutz der Grundschule an der Wuhlheide © Archiv www.ganztagsschulen.org

Scheeres: Nach dem zügigen Ausbau der Berliner Ganztagsschulen liegt die eigentliche Herausforderung in der Qualitätsentwicklung, die Schritt halten muss. Das länderübergreifende Programm „Ideen für Mehr! Ganztägig lernen“ ist eine gute Grundlage für die Bearbeitung zentraler Fragen der Ganztagsschulentwicklung. Die Berliner Serviceagentur „Ganztägig lernen“ berät die Schulen in allen Fragen der Ganztagsschulentwicklung. In ihren schulübergreifenden Netzwerken ermöglicht die Serviceagentur den Dialog zwischen den Schulen und bietet ihnen vor Ort professionelle Beratung an.

Das Berlin-Brandenburger Fortbildungsinstitut LISUM macht ebenfalls Angebote zur Qualitätsentwicklung, die insbesondere den Blick auf die multiprofessionelle Zusammenarbeit mit dem gemeinsamen Ziel der individualisierten Förderung richten. Mir ist in diesem Zusammenhang auch wichtig, dass Ganztagsschulen auch die Begabungsförderung stärker in den Blick nehmen und nicht nur in, sondern auch außerhalb der Schule Fördermöglichkeiten zulassen.

Schülerinnen an der Kletterwand der Gustav-Falke-Grundschule in Berlin
Kletterwand der Gustav-Falke-Grundschule in Berlin Mitte © Gustav-Falke-Grundschule

Online-Redaktion: Vor gut einer Woche hat der 3. Berliner Ganztagsschulkongress stattgefunden. Welche Impulse bietet er?

Scheeres: „Wir sind alle irgendwie anders“ war die Botschaft unseres Ganztagsschulkongresses. Dahinter steht das Verständnis, dass insbesondere an Ganztagsschulen Schülerinnen und Schüler die Chance auf gemeinsames Lernen und Leben haben. Der Kongress sollte Impulse dafür liefern, wie Teilhabe und Integration an der Ganztagsschule nicht nur gelingen, sondern wie das Potenzial des Ganztags hierfür optimal genutzt werden kann. Den Berliner Akteuren wurde die Möglichkeit geboten, Gestaltungselemente inklusiver Ganztagsschule in Theorie und Praxisbeispielen kennenzulernen, sich mit anderen Kollegien auszutauschen und im Schulteam Impulse für die Gestaltung der eigenen Ganztagsschule zu entwickeln.

Auch nach Schulschluss sitzen die Schülerinnen und Schüler noch gerne auf dem Schulhof
John-Lennon-Gymnasium © John-Lennon-Gymnasium

Entsprechend dem Kongresstitel „Irgendwie anders – Chancen inklusiver Ganztagsschule“ wurden viele Workshops zu den Themenschwerpunkten „Gemeinschaft bilden – inklusive Werte verankern“ und „Eine Schule für alle entwickeln“ angeboten und durch Praxisbeispiele ergänzt. Einzigartig und auch im dritten Jahr des Ganztagsschulkongresses wieder positiv von den Teilnehmenden aufgenommen wurde die Gestaltung des Kongresses analog zu einem rhythmisierten Ganztag. So konnte neben Workshops und Vorträgen in der Lernlounge selbstbestimmt gelernt werden. In den Pausen wurde gejodelt, gegessen oder einfach auch nur entspannt. Die offensichtlich gute Stimmung auf einem Kongress, der Gestaltungselemente guten Ganztags aufnimmt, motiviert die Teilnehmenden sicherlich, den Weg von der Unterrichtsschule zur Ganztagsschule auch weiterhin mutig zu gehen.

Online-Redaktion: Gibt es Schwerpunkte für die Zukunft, die Ihnen besonders wichtig sind?

Scheeres: Den Ausbau und die Qualitätsentwicklung weiter vorantreiben und das Erreichte verstetigen. Schulentwicklung ist immer ein dynamischer Prozess der Reflexion. Wir bleiben also weiterhin auf dem Weg und beziehen alle Akteure auf Augenhöhe ein.

 

Seit 2009 haben auf www.ganztagsschulen.org regelmäßig Bildungsministerinnen und Bildungsminister in Interviews die Entwicklungen beim Ausbau der Ganztagsangebote in ihrem Land erläutert. Alle Interviews finden Sie in der Rubrik „Bildungpolitik: Interviews“.

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