Ganztagsangebote in Sachsen: Grundsatz „Jeder zählt“ : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Das Land Sachsen hat sein Ganztagsangebot schon fast flächendeckend ausgebaut. Eltern und Schüler sind mit der Quantität und Qualität der Ganztagsangebote weitgehend zufrieden. Kultusministerin Brunhild Kurth spricht im Interview über die aktuellen Entwicklungen.

Online-Redaktion: Frau Ministerin, Sachsen steht sehr gut da, was den Ausbau schulischer Ganztagsangebote betrifft. Laut Statistik der Kultusministerkonferenz gibt es fast flächendeckend Ganztagsangebote. Wie gelingt Sachsen diese Vorreiterrolle?

Brunhild Kurth: Sachsen unterstützt seit 2005 die Schulen beim eigenverantwortlichen Ausbau von Ganztagsangeboten (GTA). Seither hat sich an den allgemeinbildenden Schulen ein positives Grundverständnis zu ganztägiger Bildung und Erziehung herausgebildet. Ganztagsangebote sind zu einem Merkmal von Schulqualität geworden. Sie ermöglichen Schulen, ihr eigenes Profil herauszubilden, weiterzuentwickeln und damit ihre Attraktivität zu erhöhen. Aktuell bieten rund 97 Prozent der Schulen Ganztagsangebote an. In Zukunft konzentrieren wir uns auf den weiteren qualitativen Ausbau der Ganztagsangebote.

Online-Redaktion: Warum wird in Sachsen nicht von "Ganztagsschulen" gesprochen, sondern von Schulen mit Ganztagsangeboten?

Brunhild Kurth: In Sachsen sind sowohl die Gestaltung als auch die Teilnahme an Ganztagsangeboten freiwillig. Das ist auch im Sinne der Eltern. Laut einer Befragung der TU Dresden von 2012 bevorzugen Eltern und Lehrer eindeutig offene und freiwillige Angebote mit verbindlicher Teilnahme in einem bestimmten Zeitraum. Deswegen sprechen wir von Schulen mit Ganztagsangeboten. Ganztagsschulen stehen eher für ein verpflichtendes Angebot. Das heißt, die Teilnahme an den Angeboten ist für alle Schülerinnen und Schüler für jeden Tag der Woche obligatorisch.

Online-Redaktion: Welche Rolle spielen die Horte für die Ganztagsangebote?

Brunhild Kurth: Grundschule und Hort übernehmen gemeinsam die pädagogische Verantwortung für die ihnen anvertrauten Kinder. So wie im Hort konkrete Alltagserfahrungen zum Ausgangspunkt für Bildungsprozesse werden, knüpft der Unterricht in der Grundschule an die Erfahrungswelt der Kinder an. Das gemeinsame Bildungsverständnis ist die Grundlage für die Zusammenarbeit.

Ziel unserer GTA-Förderung ist es, diese Zusammenarbeit weiter zu verbessern. Daher verlangt die GTA-Verordnung eine Versicherung des Antragstellers, dass eine Kooperationsvereinbarung zwischen Grundschule und Hort vorliegt. Die Ganztagskonzeption von Schule und Hort wird gemeinsam entwickelt und regelmäßig miteinander abgestimmt. Dadurch erzeugen wir Synergien statt Konkurrenz.

Online-Redaktion: Was erwarten die sächsischen Eltern von den Ganztagsangeboten?

Brunhild Kurth: Seit 2006 wird im Auftrag des Kultusministeriums der Aufbau und die Entwicklung der Ganztagsangebote in Sachsen durch die TU Dresden wissenschaftlich begleitet. Die Ergebnisse einer umfangreichen Studie mit Eltern- und Schülerbefragung haben gezeigt, dass eine große Mehrheit der Eltern und Schüler mit der Quantität und Qualität der Ganztagsangebote zufrieden sind. Über 90 Prozent der Eltern stimmten den Aussagen zu, dass Ganztagsangebote die Attraktivität der Schulen erhöhen und dauerhaft installiert werden sollten.

Mehr als 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler waren der Auffassung, dass Ganztagsangebote die Schulzeit interessanter machen würden. Eine Mehrzahl vertrat die Meinung, dass sich dadurch ihre schulischen Leistungen verbessert hätten. Auch die Freude an Schulfächern würde zunehmen. Nach der Auffassung von Schulleitungen würden Ganztagsangebote das Schulklima verbessern und Schulentwicklungsprozesse intensiver vorantreiben.

Eltern wollen die bestmögliche Bildung für ihre Kinder. Schule soll jedes einzelne Kind entsprechend seinen Fähigkeiten und Talenten individuell fördern. Die Ganztagsangebote nehmen diesen Grundsatz „Jeder zählt“ auf und sind eine nachhaltige Ergänzung zum Lernen im Unterricht.

Gezielt können hier die Talente zum Beispiel durch Musik- oder Sportangebote gefördert werden. Bei Problemen in Mathematik oder in den Fremdsprachen können unterstützende Ganztagsangebote der Weg zu besseren Noten sein, ohne dass teurer Nachhilfeunterricht in Anspruch genommen werden muss. Die Angebote sind vielfältig. Sie reichen von der Förderung sowohl leistungsschwacher als auch leistungsstarker Schüler über Angebote zur Stärkung der sozialen Kompetenzen.

Schüler betrachten ein Kaninchen
© Oberschule Brand-Erbisdorf

Online-Redaktion: Sie haben gesagt, dass der Fokus in Sachsen jetzt auf dem weiteren qualitativen Ausbau der Ganztagsangebote liege. Welche Unterstützung erhalten die Schulen vom Land?

Brunhild Kurth: Mit einem vereinfachten Förderverfahren seit 2013/14 und finanziellen Nachbesserungen haben wir die Weichen für den qualitativen Ausbau gestellt. Wir haben den Schulen mehr Eigenverantwortung übertragen, bürokratische Hürden abgebaut und so Zeit für noch mehr Qualität geschaffen. Im aktuellen Doppelhaushalt stehen wieder insgesamt 22,4 Millionen Euro pro Jahr für Schulen zur Verfügung, damit sie ihre Ganztagsangebote umsetzen können.

Die konstante verlässliche Förderung werden wir auch in Zukunft beibehalten. Zudem haben wir ein Beratungs- und Unterstützungssystem in der Schulaufsicht etabliert. Den Schulen stehen jederzeit Ansprechpartner sowohl für die finanzielle als auch für die inhaltliche Umsetzung ihrer Ganztagsangebote zur Verfügung.

Online-Redaktion: In ländlichen Regionen haben es Schulen mitunter wegen Busanbindungen und fehlenden Kooperationspartnern schwerer, Ganztagsangebote zu realisieren. Wie kann man dort helfen?

Schülerin mit Keramik
© Goethe-Oberschule Wilthen

Brunhild Kurth: Im ländlichen Raum kommt es auf eine gute Organisation und auf ein hohes Maß an Kommunikation an. Es müssen Abstimmungen zwischen Schule, Kommune und den Verkehrsverbünden stattfinden. Das ist in der Stadt aber nicht anders, denn nicht jeder Schüler in der Stadt besucht eine Schule um die Ecke, sondern ist auf den öffentlichen Verkehr angewiesen. Außerdem besuchen auch viele Schülerinnen und Schüler vom Land städtische Bildungseinrichtungen.

Insofern sind Abstimmungen in der Stadt und auf dem Land gleichermaßen notwendig. Mir ist nicht bekannt, dass es in den ländlichen Regionen Probleme gibt, Kooperationspartner zu finden. Im Gegenteil, ob Sport-, Musik- oder Feuerwehrvereine, auf dem Land sind solche Kooperationspartner viel näher an den Menschen dran. Eine nachhaltige und gewinnbringende Verbindung zwischen Schule und externen Partnern ist auf dem Land schnell und unkompliziert hergestellt. Außerdem spricht auch nichts dagegen, externe Partner aus der Stadt fürs Land zu gewinnen.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

Seit 2009 haben auf www.ganztagsschulen.org regelmäßig Bildungsministerinnen und Bildungsminister in Interviews die Entwicklungen beim Ausbau der Ganztagsangebote in ihrem Land erläutert. Alle Interviews finden Sie in der Rubrik „Bildungpolitik: Interviews“.

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