Bildungsreise München: "...macht was mit dem Raum!" : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Zum diesjährigen Münchner Ganztagsbildungskongress konnten Teilnehmende sich bei Schulexkursionen direkt vor Ort ein Bild von Ganztagsschulen machen. Die Redaktion hat drei von ihnen besucht.

Der 6. Münchner Ganztagsbildungskongress bekam in diesem Jahr eine Zugabe: Die Veranstalter des Referats für Bildung und Sport hatten Exkursionen zu Ganztagsschulen organisiert. Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten einen direkten Einblick in jeweils ganz unterschiedliche Bildungseinrichtungen, ihre pädagogischen Konzeptionen und ihre zum Teil beeindruckenden Baumaßnahmen gewinnen. Eine der beiden Exkursionen führte rund 30 Interessierte zur Grundschule am Winthirplatz, deren Hort an der Nimrodstraße, zum Campus Gerastraße mit der Arthur-Kutscher-Realschule und zum Gymnasium München-Nord.

Grundschule am Winthirplatz: „Run auf den Ganztag“

Außenansicht der Grundschule am Winthirplatz in München
Das Schulgebäude der Grundschule am Winthirplatz aus dem Jahr 1912 © Online-Redaktion

Erste Station ist die Grundschule am Winthirplatz im Stadtteil Neuhasen-Nymphenburg. Das beeindruckende viergeschossige Gebäude aus dem Jahr 1912 ist mit Beginn des Ganztagsbetriebs zum Schuljahr 2012/2013 saniert und ganztagstauglich umgebaut worden. Es entstanden Gruppenräume, die zur Differenzierung und Förderung in Kleingruppen genutzt werden können. 2015 waren neue Verwaltungsräume bezugsfertig. Der früher von der Schulleiterin, der Konrektorin und der Sekretärin gemeinsam genutzte Raum ist heute ein Besprechungszimmer, in dem auch Lernentwicklungsgespräche stattfinden.

Eva Wobido ist seit 2009 Schulleiterin der Grundschule, die im vergangenen Jahr den zweiten Platz beim Münchner Schulpreis belegte. Sie führt die Kongressgruppe durch das komplette Gebäude. Vor fünf Jahren startete sie mit ihrem Team eine Ganztagsklasse, um der großen Nachfrage der Eltern zu entsprechen. Neben der Ganztagsklasse können Eltern auch eine Mittagsbetreuung oder den Hort wählen. An der Grundschule lernen 250 Schülerinnen und Schüler in Halbtagsklassen und rund 100 im Ganztagszug. „Die Ganztagsschüler spielen ruhiger und friedlicher in den Pausen“, hat die Rektorin über die Jahre beobachtet. „Das Sozialverhalten ist in den Ganztagsklassen viel besser – einfach, weil sie mehr Zeit miteinander verbringen und auch wissen, dass sie mehr Zeit haben. Das nimmt Hektik heraus.“

An ihrem Standort gebe es einen „Run auf den Ganztag“. Da die Plätze begrenzt sind, muss Eva Wobido Auswahlgespräche mit Eltern führen. „Dabei mache ich klar, dass Ganztag keine Gaudi ist. Wir legen Wert auf ein attraktives Freizeitangebot und eine starke Rhythmisierung, sodass auch schon am Morgen Partner wie Vereinstrainer eingebunden sind, die andere Sachen mit den Schülerinnen und Schülern machen können als wir im Unterricht. Umgekehrt ist jede Lehrerin mindestens einen Nachmittag in der Woche im Einsatz.“

Kooperation mit dem Hort an der Nimrodstraße

Innenansicht des Horts an der Nimrodstraße
Hort an der Nimrodstraße © Online-Redaktion

Inzwischen gibt es auch eine von der Mittelschule am Winthirplatz mitgenutzte Mensa. Schnell verschiebbare Tische mit festmontierten Sitzen haben dem lärmenden Stühlerücken ein Ende bereitet. Unterstützt durch das brotZeit-Projekt, ist jeden Morgen ein Frühstück ab 7 Uhr möglich. Hier sind neben der Schulleiterin oder einer Lehrkraft auch Seniorinnen und Senioren im Einsatz. „Das ist ein sehr schönes Konzept mit den verschiedenen Generationen. Manche Kinder öffnen sich gegenüber den Opas und Omas nochmal ganz anders als uns gegenüber“, freut sich Schulleiterin.

Die Grundschule am Winthirplatz kooperiert mit rund 20 Partnern, darunter mit dem auf der anderen Seite des Schulhofs liegenden Hort an der Nimrodstraße. Zwischen der Schule und dem Hort besteht eine enge Abstimmung, beispielsweise ein verbindliches Konzept für die Hausaufgabenbetreuung. „Enger können Hort und Grundschule nicht zusammenarbeiten als wir hier“, findet Hortleiterin Alexandra Popoff.

Artur-Kutscher-Realschule: Ein Umbau wie ein Neubau

Nächste Station ist die Artur-Kutscher-Realschule im Stadtteil Moosach. Dass hier noch etwas im Gange ist, sieht man auf den ersten Blick. Bauzäune, rotweiße Flatterbänder, Bauarbeiter, die über Erdhügel stapfen. Die 1971 gegründete Realschule bildet seit 1976 zusammen mit dem Gymnasium Moosach und der Grundschule an der Gerastraße ein Schulzentrum, das nun „Campus Gerastraße“ heißt. Der für die 1970er Jahre typische Betonklotz wies nach knapp 40 Jahren so große bauliche Mängel auf, dass er saniert werden musste. Die Stadt verband das Notwendige mit dem Wünschenswerten und verwirklichte hier im Zuge der Sanierungsmaßnahmen Umbauten im Stil des Münchner Lernhauskonzeptes. Ende 2017 werden die Umbaumaßnahmen abgeschlossen sein.

Regina Lotterschmid, Schulleiterin der Arthur-Kutscher-Realschule
Regina Lotterschmid, Schulleiterin der Artur-Kutscher-Realschule, mit der Besuchergruppe © Online-Redaktion

Technisch und funktional ist das Gebäude mit einem Neubau vergleichbar – auf jeden Fall wirkt es so. Schon in der Eingangshalle begrüßen großzügige Räume mit leuchtenden Farben, die durch eine Beleuchtungsinstallation ständig verändert werden, die Besuchergruppe. Schulleiterin Regina Lotterschmid, Lernhausorganisatorin Verena Drescher und Lernhausleiterin Renate Kalleder führen die Hospitationsgruppe in die neu kombinierte Aula und Mensa. „Wir haben eine eigene Küche mit Hauswirtschafterin. Hier können irgendwann einmal 1.000 Essen rausgehen“, erklärt die Schulleiterin. „Und unsere Bühne ist mit einer Technik ausgestattet, die laut dem Installateur 'eins unterm Prinzregententheater' liegt.“

Lernzeit und Selbstorganisiertes Lernen

688 Schülerinnen und Schüler lernen an der Realschule. In diesem Schuljahr gibt es zwölf gebundene Ganztagsklassen. Regina Lotterschmid: „Moosach ist ein sozial schwieriger Stadtteil, und Bildung ist der einzige Aufstiegskanal. Wir haben hier eine sehr engagierte Mannschaft, die zusammen mit dem Lernhauskonzept die Wiederholerquote in fünf Jahren um 45 Prozent senken konnte.“ Die Lernhäuser sind „kleine Schulen“ innerhalb der großen, in der mehrere Jahrgangsstufen zusammengefasst sind. Neben den Klassenzimmern gibt es Räume für die Differenzierung und ein Teamzimmer für die Lehrkräfte und die außerschulischen Pädagogen. Die Räume wenden sich mit Glasfronten dem „Marktplatz“ zu, der für individualisiertes Lernen, Gruppenarbeiten, Präsentationen ebenso genutzt wird wie für die Pausen und zur Entspannung.

Der Unterricht findet rhythmisiert im Klassenverband bis 16.15 Uhr und freitags bis 13.15 Uhr statt. Um den Wechsel von Unterrichtsformen sowie von Übungsphasen und Bewegung zu gewähren, ist er hauptsächlich in Doppelstunden organisiert. In der Lernzeit sind die Klassen geteilt. Hier arbeiten die Schülerinnen und Schüler an Aufgaben. In den Lernbüros wiederum lernen sie selbstorganisiert in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik und entscheiden dann eigenständig über den Zeitpunkt ihres Leistungsnachweises. Während des Rundgangs durch die Lernhäuser können die Besucher sich davon ein Bild machen: Die Jugendlichen sind auf dem „Marktplatz“ an Einzeltischen in Stillarbeit vertieft. „Dadurch, dass die Grundschulen das eigenverantwortliche Lernen immer mehr fördern, bringen die Fünftklässler das oft schon mit“, berichtet Lernhausorganisatorin Verena Drescher.

Gymnasium Nord: „... macht was mit dem Raum!“

Außenansicht des Gymnasiums München-Nord
Gymnasium München-Nord © Online-Redaktion

Letzte Station der Exkursion ist das Gymnasium München-Nord, eine Eliteschule des Sports. Hier handelt es sich um einen „Neubau auf der grünen Wiese“. Das Gymnasium ist erst 2016 gestartet. Es orientiert sich ebenfalls am Lernhauskonzept. Momentan gibt es eine 5. und eine 7. Jahrgangsstufe mit 310 Schülerinnen und Schülern sowie 27 Lehrkräften. Ausgelegt ist das Gymnasium vierzügig auf 1.000 Lernende. Die Lernhäuser bestehen hier aus sechs Klassenzimmern, zwei Multifunktionsräumen, einem Teamraum und dem Forum.

Schulleiter Leonard Baur, der durch die großzügig angelegten Etagen des zweigeschossigen Baus führt, meint: „Ich habe zu meinen Kolleginnen und Kollegen gesagt: 'Seid kreativ und macht was mit dem Raum!'“ Das Gymnasium ist als teilgebundene Ganztagsschule nach dem „Grünwalder Modell“ organisiert, an vier Tagen der Woche gibt es Ganztagsangebote bis 16.30 Uhr, die Schülerinnen und Schüler können sich optional für zwei bis vier Tage bis 14.45 Uhr, 15.45 Uhr oder 16.30 Uhr anmelden. An den Langtagen finden verpflichtende Studierzeiten statt, in denen die Schülerinnen und Schüler lernen, Hausaufgaben erledigen, Präsentationen vorbereiten, lesen oder sich gegenseitig Vokabeln abfragen können. Hier ist neben einem Kernfachlehrer auch jeweils ein Sozialpädagoge dabei.

Das Gymnasium wirbt damit, dass dieses Modell „kein Vormittag + angehängter Nachmittag“ sei, sondern ein ganzheitliches, echt rhythmisiertes Konzept“ und dass es im Vergleich zu anderen Gymnasien keinen „Freizeitverlust“ gebe. „Das Modell kommt sehr gut an, sodass wir es in den 8. Klassen fortführen werden“, so der Schulleiter.

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