7. Saarländischer Ganztagsschulkongress "Schule in Bewegung" : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Bereits der Tagungsort signalisierte das Schwerpunktthema des 7. Saarländischen Ganztagsschulkongresses in der Herrmann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken „Schule in Bewegung – Was Schule bewegt“.

Selbst lange Traditionen sind noch für Premieren gut. Das bewies die Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Saarland am 14. September 2013 mit der inzwischen 7. Ausgabe ihres Saarländischen Ganztagsschulkongresses. Erstmals fand die Veranstaltung nicht in der Europaakademie in Otzenhausen, sondern in Saarbrücken statt. Und zum ersten Mal bot der Kongress die Bühne für einen offiziellen Akt: Vor dem Plenum unterzeichneten Ulrich Commerçon, der Saarländische Minister für Bildung und Kultur, und Gerd Meyer, Präsident des Landessportverbands für das Saarland (LSVS), eine Kooperationsvereinbarung für das Engagement der Sportvereine in den Ganztagsschulen.

Die Kooperation passte perfekt zu Ort und Thema dieser Veranstaltung: Die rund 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen Platz im Saal des Hauses der Athleten der Sportschule; die Veranstaltung stand unter der Überschrift „Schule in Bewegung – Was Schule bewegt“.

Die Serviceagentur reagierte mit diesem Themenschwerpunkt auch auf ein offensichtlich vorhandenes Interesse, wie Kati Helm von der Deutschen Kinder- und Stiftung (DKJS) in ihrem Grußwort berichten konnte: „Seit einem Jahr bietet die Serviceagentur in Zusammenarbeit mit dem Landessportverband eine Fortbildungsreihe zu Sport und Bewegung in der Ganztagsschule an. In acht Modulen lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, welche Bewegungsangebote durchführbar sind und wie sie gestaltet werden können – das Angebot war sofort ausgebucht, und es gibt lange Wartelisten.“

Ausbildung von Schülermentoren

LSVS-Präsident Gerd Meyer räumte zur Eröffnung des Kongresses ein, die Halbtagsschule sei "ideal für die Sportvereine" gewesen. 106.000 Vereinsmitglieder unter 18 Jahren gebe es im Saarland, die früher immer am Nachmittag Zeit für den Verein gehabt hätten. „In Kindertagesstätten und in Schulen haben wir den Schulsport schon immer im Interesse der Kinder begleitet. Die Ganztagsschule ist jetzt für uns eine riesige Gefahr, aber zugleich auch eine Riesenchance“, meinte Meyer.

Das Thema Ganztagsschule sei inzwischen zum Glück entideologisiert, es stelle sich vor Ort nur noch die Frage, ob Schulen die offene oder die gebundene Form bevorzugten, was von den Finanzen und dem Elternwillen abhänge. „Mit der Kooperationsvereinbarung wollen wir unsere Zusammenarbeit verstetigen“, erklärte der Präsident. „Die AG-Leiter können demnächst bei uns die Vereinstrainerausbildung machen. Und alle AG-Schülerinnen und -Schüler werden kostenlos Mitglieder in den Vereinen und können die Vereinsstrukturen nutzen. Ich rechne auch damit, dass wir in Zukunft Talente unter den Kindern leichter und häufiger identifizieren können.“

Der Landessportverband hat bereits mit der Ausbildung von so genannten Schülermentoren begonnen, die als Mentoren in die Arbeitsgemeinschaften der Ganztagsschulen gehen werden. „24 sind bereits ausgebildet, weitere 16 Schülermentoren werden es bald sein“, vermeldete Meyer. Einer Teilnehmerin, die skeptisch nach der ausreichenden Qualifikation dieser Mentoren fragte, musste der Verbandspräsident zugestehen, dass es wegen der Zeiten am frühen Nachmittag oft nicht möglich sei, voll ausgebildete und erfahrene Vereinstrainer einzusetzen, da viele berufstätig seien. Aber für die Arbeit in den Ganztagsschulen seien die Mentoren gut gerüstet. „Wir hoffen allerdings auch, noch mehr unserer älteren Vereinstrainer, die bereits Rentner sind, für die Arbeit in den Schulen zu gewinnen“, erklärte Meyer.

Sport wandert in die Ganztagsschule“

Prof. Georg Wydra von der Universität des Saarlandes hakte hier bei der Podiumsdiskussion ein: „Natürlich wären hochqualifizierte Kräfte wünschenswert. Da dies aber noch nicht finanzierbar ist, müssen wir uns langsam auf diesen Zustand zubewegen. Wie sich der ganze Prozess der Zusammenarbeit gestalten wird, können wir noch nicht absehen, da es keine Blaupause für den Ausbau der Kooperation gibt.“ Den Vereinen machte der Sportpädagoge Mut: „Eine Studie zum G8 in Hessen hat gezeigt, dass der Sport nicht unter der Ausdehnung der Schulzeit leidet. Den Jugendlichen ist die Sportvereinszeit am wichtigsten.“

Bildungsminister Commerçon hielt es für unabdingbar, die Sportvereine stärker in die Schulen einzubinden: „Bei einer Schule, die an vier Tagen von 8 bis 16 Uhr dauert, brauchen wir Rhythmisierung und damit auch Bewegung – zumal die Zahl der gebundenen Ganztagsschulen in dieser Legislaturperiode noch mal um vier auf dann 25 Schulen steigen wird. Realistischerweise müssen wir davon ausgehen, dass die in den 90er Jahren abgeschaffte 3. Sportstunde nicht mehr eingeführt werden wird – allein schon die heutige Stundentafel macht das unmöglich. Also wandert der Sport in den Ganztagsbereich.“

Vielfältige Sportangebote, aber freiwillig

In seinem Vortrag „Bewegung, Spiel und Sport – ein Muss in der Schule“ zitierte Prof. Wydra aus Studien, welche die Bedeutung von Bewegung für Lernen und Konzentrationsfähigkeit aufzeigten. Die Befundlage zu der Frage, ob Kinder und Jugendliche sich heute mehr oder weniger bewegen, ist Wydra zufolge „völlig unterschiedlich“. Man könne nicht, wie häufig unterstellt, von einem „Bewegungsnotstand“ bei der heranwachsenden Generation sprechen.

Der Sportpädagoge präsentierte dem Plenum Forschungsergebnisse, die positive Wirkungen der Bewegung zeigten. John Ratey, assoziierter Professor für Neuropsychiatrie der Harvard Medical School, habe 2009 solche Wirkungen nachgewiesen. Auch Sabine Kubesch vom TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen in Ulm habe die große Bedeutung von Bewegung für Konzentrationsfähigkeit und Lernen betont. Die Sportwissenschaftler Dieter Leyk und Peter Wamser von der Deutschen Sporthochschule Köln konnten 2002 in einer Studie belegen, dass an Tagen mit Schulsport die Zahl der Unterrichtsstörungen sank.

Besonders ermutigend sind laut Wydra Ergebnisse, wie sie die Erziehungswissenschaftler Renate Zimmer und Meinhart Volkamer vorgelegt haben: Beim Vergleich von Kindertagesstätten ohne besonderes Bewegungsangebot mit einer Sport-Kita, in der Bewegungserziehung fest im Tagesablauf verankert ist, zeigten sich immense Unterschiede in der Leistungsfähigkeit zwischen den Kindern. Auch Programme wie „Kids in Bewegung“ des Landessportverbandes für das Saarland haben Wydra zufolge schon zur besseren Leistungsfähigkeit von Kindern in den Kitas beigetragen.

„Wir sollten die Leitidee eines erziehenden und bildenden Sportunterrichts auch in den außerunterrichtlichen Sport- und Spielangeboten in den Ganztagsschulen verfolgen“, resümierte der Sportpädagoge. „Es sollte vielfältige Angebote geben, die sportartenorientiert sind.“ Wichtig sei es aber die Freiwilligkeit für die Kinder und Jugendlichen.

Schulfach „Glück“ – vom Erdulder zum Gestalter

Das Kongressmotto „Schule in Bewegung“ beschränkte sich aber nicht auf die physische Bewegung, sondern auch auf die geistige. Die sieben Workshops regten dazu an, gewohnte Bahnen zu verlassen und neue Blickwinkel einzunehmen. Studienrat Michael Leisinger von der Willy-Hellpach-Schule, einer beruflichen Schule in Heidelberg, der auch den Impulsvortrag hielt, und Lehrer Sebastian Ecker von der Gemeinschaftsschule Neunkirchen-Mitte berichteten über das von ihnen unterrichtete Fach „Glück“.

2007 an der Willy-Hellpach-Schule vom damaligen Schulleiter Ernst Fritz-Schubert eingeführt, haben sich inzwischen laut Leisinger viele Schulen in Deutschland und Österreich entschlossen, „Glück“ auf den Stundenplan zu setzen. „Wir wollen zusammen mit den Schülerinnen und Schülern erfahrbar machen, dass sie Herausforderungen bewältigen und etwas bewirken können“, berichtete Michael Leisinger, der das Fach an der Willy-Hellpach-Schule 90 Minuten in der Woche unterrichtet.

Bewegung und Sport spielen hier ebenfalls eine große Rolle: So organisierte Leisingers Klasse einen Spendenlauf für ein Kinder- und Jugendheim in Eberbach. Mit den Spenden konnten dort neue Spielgeräte angeschafft werden. Statt der erwarteten 200 Euro erliefen die Schüler 1.300 Euro und sahen, „dass sie konkret etwas bewirken können“. Für Leisinger war die Übergabe der Sport- und Spielgeräte ein „Gänsehautmoment“. Aus positiven Schlüsselerlebnissen folgten neue Erfolgserlebnisse – zum Beispiel einen Halbmarathon zu absolvieren. Schüler, die demotiviert an der Berufsschule angefangen hätten, seien in eine Gestalterrolle gewachsen , um bewusst ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

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