15 Jahre Ganztagsschulen in Bremen : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

„Ganztag macht's möglich“ war das Motto der Jubiläumstagung „15 Jahre Ganztagsschule – Inventur und Impulse“ in Bremen. Was der Ganztag möglich macht, zeigten auch Schülerinnen und Schüler.

Blick in einen Veranstaltungsraum
„Das Landesinstitut zum kreativen Ort gemacht“ © Redaktion

Dass an diesem Tag im Bremer Landesinstitut für Schule (LIS) etwas anders war als sonst, merkte Claudia Bogedan bei ihrem Eintreffen am Nachmittag des 13. Mai 2019 sofort. „Seit vier Jahren komme ich ins LIS, aber zum ersten Mal sind so viele Kinder da“, meinte die Senatorin für Kinder und Bildung, die auch sofort von Schülerinnen und Schülern umringt wurde.

„15 Jahre Ganztagsschule – Inventur und Impulse“ hatte die Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Bremen ihre Tagung überschrieben. Doch deren Leiterin Angelika Wunsch und ihr Team hatten die Veranstaltung bewusst nicht als Blick in die Vergangenheit angelegt. Auch sollte es keine übliche Tagung sein, auf der ein Vortrag den anderen ablöst – eine Rede gab es an diesem Tag überhaupt nicht. Die Besucherinnen und Besucher erwartete eher eine Art Leistungsschau gemäß dem Motto „Ganztag macht's möglich“.

Schülerinnen und Schüler formulieren ihre Anliegen

17 Ganztagsschulen zeigten an Ausstellungsständen, zum Teil auch ganz praktisch in der Vorführung, was an ihren Schulen dank zusätzlicher Zeit, anderer Lernorte, Kooperationen mit außerschulischen Partnern, Partizipation, Teamarbeit im Kollegium, Rhythmisierung und Bewegungskonzepten, schließlich auch der Digitalisierung ermöglicht wird. „Die Ausstellerschulen sollen mit ihren Projekten ansteckend wirken, sie haben das LIS zu einem kreativen Ort gemacht“, beschrieb es Angelika Wunsch. Rund 160 Teilnehmende – 80 Erwachsene und 80 Schülerinnen und Schüler – bevölkerten die Ausstellung.

Vorschläge beim Open Space
Open Space der Schülerinnen und Schüler: Viele Wünsche © Redaktion

Nicht nur die Protagonistinnen und Protagonisten der Ganztagsschulen konnten sich über die Beispiele aus der Praxis für die Praxis den ganzen Tag über informieren, auch Senatorin Bogedan kam bei einem Rundgang mit den Pädagoginnen und Pädagogen und den Schülerinnen und Schülern ins Gespräch. Die Schülergruppe hatte, während alle anderen einen der vier Workshops besuchten, im Open Space selbst Wünsche formuliert, die sie an ihren Schulen verwirklicht sehen wollen.

„Kein Brokkoli!“, lautete einer dieser Wünsche. Aber das Spektrum reichte über das Mittagessen weit hinaus: „Gemütlichere Flure, kleine Sofas, kleine Tische“, „Einführung digitaler Medien, Internet-Unterricht für alle und informationstechnische Grundlagen“ sowie „schnelleres W-LAN“. Dass „Schüler eigene AGs geben können“, „es mehr Auswahl an AGs“ und eine freiere Gestaltung am Nachmittag geben sollte, waren weitere Anliegen. Auch „Fridays for Future ohne Ärger“ war das Anliegen einer Gruppe.

„Bewegte Klassenzimmer“ und „Kultur.Forscher!“

Am Stand der Oberschule an der Ronzelenstraße nahm Senatorin Bogedan auf einem Ergometer Platz. Die sportbetonte Ganztagsschule hat sich das „bewegte Klassenzimmer“ auf ihre Fahnen geschrieben. Seit rund zwei Jahren stehen in sechs Klassen jeweils zwei bis drei Ergometer mit selbstgebauten hohen Tischen. Die Schülerinnen und Schüler können strampeln, während sie auf den Pulten schreiben können – und werden ruhiger und arbeiten konzentrierter. „Die Kolleginnen und Kollegen sagen übereinstimmend, dass sich die Lernatmosphäre verbessert hat. Ebenso wie das Sozialverhalten, die Lernleistungen und die Gesundheit“, berichtet Lehrer Harald Wolf.

Schülerin und Schüler bauen eine Holzbank
Holzbänke in der AG selber bauen © Redaktion

Unübersehbar und -hörbar war die Grundschule an der Oderstraße präsent. Die Schülerinnen und Schüler sägten mitten auf der Ausstellungsfläche Holz zu. „Wir bauen unsere eigenen Holzbänke in einer AG“, berichtete eine Schülerin der Senatorin. Das AG-Angebot der offenen Ganztagsgrundschule ist noch reichhaltiger und reicht von „Kreatives Erzählen“ über Tanztheater, Schach und Französisch bis zur Puppenspiel-AG und zur „Clownerie“. Bei einem Schulbesuch konnte sich Senatorin Bogedan kürzlich ein Bild vor Ort machen.

Die Carl-von-Ossietzky-Oberschule Bremerhaven macht derweil Druck. Kunst-Lehrer Niki Welter stellte das „Kultur.Forscher!“-Projekt vor, in dem sich die Schülerinnen und Schüler mit künstlerischen Drucktechniken befassen. Kooperationspartner des Projekts ist der Kunstverein Bremerhaven. Für die Druckwerkstatt hat die Ganztagsschule eigens eine Siebdruckmaschine angeschafft, mit der die Schülerinnen und Schüler nun auch beispielsweise T-Shirts, Hefte und Plakate mit selbst entworfenen Motiven bedrucken. Das Exemplar eines bedruckten Jutebeutels konnte die Senatorin als Andenken mitnehmen.

„Superlessing“ – schon mehrfach ausgezeichnet

Cover der Schülerzeitung Superlessing
© Schule an der Lessingstraße

Zum Stand der Schule an der Lessingstraße, einer gebundenen Ganztagsgrundschule, lockte die Schülerzeitung „Superlessing“, die schon mehrfach beste Bremer Schülerzeitung war und auch beim Schülerzeitungswettbewerb der Länder ausgezeichnet worden ist. Die Grundschule erhielt 2018 auch das Internet-ABC-Qualitätssiegel für Medienkompetenz.

Wer sich über Teamentwicklung an der Ganztagsschule informieren wollte, konnte dies am Stand der Grundschule an der Düsseldorfer Straße tun, während die Marktschule Bremerhaven über die Verbindung von Vor- und Nachmittag und die Oberschule Roter Sand über die Gestaltung der Mittagspause und Mittagsfreizeit informierten.

Laut Petra Perplies, Direktorin des Landesinstituts für Schule, zeigten die ausstellenden Schulen deutlich, „was der Ganztag alles kann“. Vor 15 Jahren habe es einen gewissen „Glaubenskrieg“ gegeben, ob Ganztagsschulen in offener und gebundener Form gestaltet werden sollten. 15 Jahre später gebe es immer noch unterschiedliche Auffassungen darüber, jedoch: „Ich finde, es ist gut so, dass es diese unterschiedlichen Auffassungen gibt“, so Petra Perplies.

Ganztagsschule soll ihr Potenzial ausschöpfen können

Senatorin Claudia Bogedan sieht keinen Grundsatzstreit. Der Ganztag werde in unterschiedlicher Ausprägung und Schrittigkeit ausgebaut. „Die tollen Beispiele hier zeigen, was Ganztagsschulen leisten, um gute Bildungsangebote zu machen.“ Die Politik habe den Auftrag verstanden, in den nächsten Jahren deutlich schneller voranzukommen. Die Grundlage dafür biete die Schulstandortplanung. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass die räumlichen Gegebenheiten noch nicht überall so vorhanden sind, dass die Ganztagsschulen ihr Potenzial in voller Bandbreite ausschöpfen können – baulich und personell. „Das wird sich weiter verbessern.“

Claudia Bogedan mit Schülerinnen und Schülern
© Redaktion

Die Senatorin versprach, „für den Grundschulbereich arbeiten wir derzeit an Doppelbesetzungen – nicht nur für Ganztagsschulen“. Im ersten Schritt sollen das Tandems aus Lehrkräften und Erzieherinnen sein. „Kinder wünschen sich zwei Erwachsene als Ansprechpartner im Klassenraum. Das ist eine der Aufgaben, von der wir hoffen, sie schon im kommenden Jahr umsetzen zu können.“

Für die vier Workshops setzte die Serviceagentur auf den nützlichen Blick über den Tellerrand: Impulse zu den Themen Raumgestaltung, Ernährung, Digitalisierung und Teamarbeit kamen auch aus anderen Bundesländern.

Landesinstitut mit Ganztagsleben gefüllt

Die Architektin Katharina Sütterlin aus Berlin berichtet vom Projekt „Bauereignis“, das Grundschulen bei der baulichen Veränderung unterstützt. Die Grundschule am Heidenberger Teich aus Kiel stellte ihr Digitalisierungskonzept vor. Aus Brandenburg war die GemüseAckerdemie Potsdam angereist, um vom „Lernen auf dem Gemüseacker“ zu berichten. Niedersachsen war durch Henning Rosahl, den ehemaligen Schulleiter der Robert-Bosch-Gesamtschule Hildesheim vertreten, der die konsequente Ausrichtung auf Teamarbeit für Ganztagsschulen hervorhob.

Tanzvorstellung der Schule In der Vahr
Jazz/HipHop-AG der Schule In der Vahr © Redaktion

Nicht nur im Saal waren derweil zahlreiche Schülerinnen und Schüler unterwegs. Im Rahmenprogramm auf der Bühne zeigten sie ebenfalls, was sie selbst in Ganztagsschulen künstlerisch auf die Beine stellen können: Der Chor und das Orchester der Grundschule an der Horner Heerstraße sangen und musizierten. Eine Schülerin und ein Schüler der Oberschule an der Julius-Brecht-Allee begeisterten ebenso mit Tanzdarbietungen wie Schülerinnen der Ganztagsgrundschule In der Vahr.

Serviceagentur-Leiterin Angelika Wunsch freute sich am Ende des Tages über viele positive Rückmeldungen zur Jubiläumsveranstaltung: „Wir wollten das LIS richtig mit Leben füllen, und das ist uns, denke ich, gut gelungen.“ Der Ganztag macht’s es möglich.

 

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