Ganztag in Mecklenburg-Vorpommern: ein guter Mix : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Ganztagsschulen in Mecklenburg-Vorpommern haben vielfältige Möglichkeiten zur Kooperation im Sozialraum, um ihre Schülerinnen und Schüler zu fördern. Bildungsministerin Simone Oldenburg spricht im Interview über aktuelle Entwicklungen.

Online-Redaktion: Frau Ministerin, in Mecklenburg-Vorpommern sind Ganztagsschulen breit ausgebaut worden. Wie ist der Stand der Dinge?

Simone Oldenburg: 342 unserer 502 Schulen arbeiten ganztägig. Im Detail: 75 Prozent der weiterführenden Schulen und jede zweite Grundschule haben sich für diesen Weg entschieden. Bei 150 Schulen und somit also fast 30 Prozent handelt es sich um gebundene Ganztagsschulen.

Ich empfinde diesen Mix als sehr elternfreundlich, aber auch die regionalen Rahmenbedingungen berücksichtigend. Man muss deutlich zwischen ländlichen und städtischen Strukturen unterscheiden. Es kann halt nicht immer gelingen, alle denkbaren Kooperationspartnerinnen und -partner, Vereine oder Menschen, die spannende Arbeitsgemeinschaften anbieten wollen und können, an die Schulen zu holen. Manchmal ist der einzige Verein die örtliche Feuerwehr: Ergibt da der gebundene Ganztag Sinn?

Die Ostsee ganz nah: Surfunterricht
Die Ostsee ganz nah: Surfunterricht © Regionale Schule "Tom Beyer" Göhren

Und natürlich müssen dabei eventuelle Fahrzeiten berücksichtigt werden. Die Ganztagsschulen und Akteure im sozialen Raum sollten gemeinsam ausloten, was für beide Seite, vor allem aber für die Schülerinnen und Schüler, das Sinnvollste ist. Es darf keine Konkurrenzsituation entstehen. Was wir benötigen, ist ein Miteinander. Ein Miteinander, das eine noch bessere Förderung und Forderung der Talente von Schülerinnen und Schülern im Sozialraum ermöglicht.

Online-Redaktion: Welche Unterstützungsangebote erhalten die Ganztagsschulen?

Oldenburg: Pro Jahr erhalten die Ganztagsschulen 2.500 Euro, die sie beispielsweise für Material und die Beschäftigung vom Honorarkräften nutzen können. Darüber hinaus können sie einen Teil der ihnen zustehenden zusätzlichen Lehrerwochenstunden kapitalisieren, das heißt, sie können statt der Stunden finanzielle Mittel erhalten. In diesem Zusammenhang nenne ich gerne die Serviceagentur „Ganztägig lernen“, die die Ganztagsschulen in vielfältiger Weise unterstützt. Die dort entstandenen Netzwerke bereichern viele Schulen, die bereits ganztägig arbeiten und solche, die sich auf diesen Weg begeben wollen, durch den intensiven Erfahrungsaustausch. Schließlich muss das Rad nicht jedes Mal neu erfunden werden.

Online-Redaktion: Welche Bedeutung hat die Kooperation von Ganztagsschulen mit außerschulischen Partnern und stellt diese in ländlichen Regionen eine besondere Herausforderung dar?

Oldenburg: Ohne eine intensive Kooperation mit außerschulischen Kooperationspartnern, gerne auch mit außergewöhnlichen Angeboten wie Reiten oder Angeln, kann eine gemeinsame Förderung der Kinder und Jugendlichen im Sozialraum nicht gelingen. Im Ländlichen stehen wir vor anderen Aufgaben als in den Städten. Auf der einen Seite existieren vielleicht nur wenige potenzielle Partnerinnen und Partner, auf der anderen vielleicht sogar zu viele. Wenn wir aber eine umfassende „Bildung“ erreichen möchten, dann müssen wir den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, auch an Angeboten außerhalb ihrer Ganztagsschule teilzunehmen.

Pfadpfindertag mit den Royal Rangers
Pfadpfindertag mit den "Royal Rangers" © Evangelische Schule Neubrandenburg

Die Freiheit, dass eine regelmäßige Teilnahme von Schülerinnen und Schülern an Vereinsaktivitäten oder auch eine ehrenamtliche Tätigkeit der Kooperationspartner als Teil des Ganztags eingestuft wird, ist eine sinnvolle Maßnahme und wird gerne genutzt. Zumal manche Arbeitsgemeinschaften, wie die eben genannten Angeln oder Reiten, an den Ganztagsschulen nicht angeboten werden können – denn wo gibt es schon den See oder das Gestüt auf dem Schulgelände?

Online-Redaktion: Welche Rolle spielt die Qualität der Ganztagsangebote?

Oldenburg: Ich bin sicher, sie spielt die entscheidende Rolle. Sind die Angebote nicht nachgefragt, müssen sie erneuert werden. Außerdem geht es den Eltern nicht nur darum, ihre Kinder betreut zu wissen und Familie und Beruf besser vereinbaren zu können. Ich würde es so auf den Punkt bringen: Jedes Angebot, das Schülerinnen und Schüler fördert, ist ein gutes Angebot. Dazu tragen sicher auch die Partnerinnen und Partner, mit denen wir als Land Kooperationsvereinbarungen abgeschlossen haben, wie die Landessportbünde oder auch die Industrie- und Handelskammern, wesentlich bei.

Aber ich sehe durchaus auch noch Verbesserungspotenzial. Wir wünschen uns eine noch stärkere Verzahnung von Ganztagsschulen und Akteuren im Sozialraum. Dazu ist mitunter Überzeugungsarbeit erforderlich – also miteinander reden, um sich gemeinsam der Bildungs- und Erziehungsverantwortung zu stellen. Davon profitieren alle, Schülerinnen und Schüler insbesondere. Darüber hinaus benötigen wir noch mehr Angebote im Bereich der beruflichen Orientierung.

Online-Redaktion: Welche Bedeutung im Sinne der Ganztagsbildung haben die Schulhorte der Grundschulen in Mecklenburg-Vorpommern?

Warnowschule Papendorf: Imker-AG
Warnowschule Papendorf: Imker-AG © Online-Redaktion

Oldenburg: Sie haben bekanntermaßen eine starke Tradition. Auch wenn die Horte und der Ganztag der Schulen nicht immer räumlich miteinander verbunden sind, ergänzen sie sich in den meisten Fällen im Interesse der Kinder. Auch hier ist das Miteinander der Akteure entscheidend. Ich möchte einen Aspekt hinzufügen, der mitunter vergessen wird: Dem Frühhort kommt eine besondere Bedeutung zu, besonders auch für Eltern, die weitere Wege zur Arbeit zurücklegen oder im Schichtsystem arbeiten. Die Betreuung in dieser Zeit ist und bleibt Aufgabe des Hortes – mit seinen tollen Angeboten.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

Seit 2009 haben auf www.ganztagsschulen.org regelmäßig Bildungsministerinnen und Bildungsminister in Interviews die Entwicklungen beim Ausbau der Ganztagsangebote in ihrem Land erläutert. Alle Interviews finden Sie in der Rubrik „Bildungspolitik: Interviews“.

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