Ganztag in Sachsen-Anhalt: Nachhaltige Qualität : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Ganztägige Angebote in Sachsen-Anhalt erweitern Lern-und Erfahrungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler und fördern die Persönlichkeitsentwicklung. Bildungsministerin Eva Feußner spricht im Interview über aktuelle Entwicklungen.

Online-Redaktion: Frau Ministerin, zunächst: Sie waren bis 1999 Lehrerin an einer Sekundarschule, haben Ihr Abitur an der traditionsreichen Landesschule Pforta abgelegt und zuletzt als Staatsekretärin für Bildung gewirkt. Wie nah ist Ihnen das Thema Ganztag?

Eva Feußner: Während meiner schulischen Laufbahn habe ich durch den vierjährigen Besuch des Internats der Landesschule Pforta eigentlich eine Ganztagsschule besucht. Diese Zeit hat mich persönlich außerordentlich tief geprägt. Von den dort gewonnenen Erfahrungen profitiere ich noch heute. Eine Ganztagsschule mit den vielen Lern- und Freizeitangeboten vorhalten zu können, gibt den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, sich individuell zu entfalten, gegenseitiges Verständnis zu entwickeln, Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft zu entwickeln und gleichzeitig den Tagesablauf besser zu strukturieren. Ein weiterer Vorteil dabei ist, dass die Lernenden von den Lehrkräften und allen anderen schulischen Mitarbeitern intensiver unterstützt werden können, als dies in den herkömmlichen Schulen möglich ist.

Online-Redaktion: In Sachsen-Anhalt sind zunächst vor allem weiterführende Schulen zu Ganztagsschulen ausgebaut worden. Was heißt Ganztagsschule und wie ist der derzeitige Ausbaustand?

Feußner: Anliegen einer Ganztagsschule – die im Sinne des Erziehungs- und Bildungsauftrages des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (SchulG LSA) ein ganztägiges Bildungs- und Freizeitangebot bereithält – ist es, durch die Ausweitung der pädagogisch gestalteten Lernzeit eine nachhaltige Entwicklung der Lehr- und Lernkultur sowie der Qualität des Lernens zu erzielen. Grundlegend definiert wurden das Ziel und die Maßgaben für Ganztagsschulen bundesweit durch die Kultusministerkonferenz, kurz: KMK.

Maria-Montessori-Grundschule Halle
Maria-Montessori-Grundschule Halle © Britta Hüning

Laut dem Runderlass unseres Ministeriums für Bildung des Landes Sachsen-Anhalt vom 27. Februar 2019 „Die Arbeit in der öffentlichen Ganztagsschule“ kann eine Ganztagsschule in der offenen oder gebundenen Form sowie als Schule mit außerunterrichtlichem Ganztagsangebot gestaltet werden. Der Runderlass soll in diesem Schuljahr an die aktuelle Situation angepasst werden. Im Schuljahr 2022/2023 arbeiten in Sachsen-Anhalt insgesamt 117 öffentliche Schulen, davon 4 Grundschulen, 53 Sekundarschulen, 26 Gemeinschafsschulen, 7 Gesamtschulen und 27 Gymnasien als Ganztagsschulen gemäß § 12 SchulG LSA. Zum 1. September 2022 hat die Sekundarschule „Würdetal“ in Teutschenthal eine Genehmigung als Schule mit außerunterrichtlichem Ganztagsangebot erhalten.

Online-Redaktion: Zur ganztägigen Bildung gehören in Sachsen-Anhalt die Schulhorte an fast allen Grundschulen, die aber anders als in Sachsen oder Thüringen nicht in der KMKStatistik auftauchen. Warum?

Feußner: Durch die Kooperation von Horten und Grundschulen mit verlässlichen Öffnungszeiten wird in Sachsen-Anhalt auf Basis des Kinderförderungsgesetzes (KiFöG) für Kinder im Grundschulalter und darüber hinaus bis zum 14. Lebensjahr ein ganztägiges Bildungs- und Betreuungsangebot unterbreitet. Zuständig für die Hortbetreuung gemäß KiFöG ist im Land Sachsen-Anhalt das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung. Alle Schulkinder, die in Kindertageseinrichtungen, das heißt in Kindertagesstätten mit mehreren Altersgruppen oder in Horten oder auch in Tagespflegestellen betreut werden, erfasst bei uns das Statistische Landesamt Sachsen-Anhalt im Statistischen Bericht „Kinder- und Jugendhilfe, Elterngeld Tageseinrichtungen für Kinder und öffentlich geförderte Kindertagespflege“. Stichtag des aktuellen Berichts ist der 1. März 2021.

In der KMK-Statistik tauchen nur die genehmigten Ganztagsschulen gemäß § 12 des Schulgesetzes mit den Schulformen der Sekundarstufe I auf und die vier Grundschulen, die als Ganztagsschulen arbeiten, die ausnahmslos vor Inkrafttreten des Kinderförderungsgesetzes genehmigt und danach mit Bestandsschutz weitergeführt wurden. Außerdem gehören dazu auch die Grundschulstandorte, an denen von den Schülerinnen und Schüler der öffentlichen Grundschulen schulbezogene Ganztagsangebote genutzt werden.

Online-Redaktion: Was erwarten Eltern in Sachsen-Anhalt von Ganztagsschulen?

Feußner: Eltern und Sorgeberechtigte können für ihre Kinder zeitweise oder regelmäßig Ganztagsangebote in Anspruch nehmen. Der Bedarf ist groß. Eltern erwarten, denke ich, eine qualitativ hochwertige ganztägige Betreuung und Bildung ihrer Kinder. Durch die ganztägigen Angebote werden die Lern-und Erfahrungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler erweitert und die Persönlichkeitsentwicklung gefördert.

Online-Redaktion: Welche Rolle spielt die Kooperation von Ganztagsschulen mit außerschulischen Partnern? Ist sie in ländlichen Regionen eine Herausforderung?

Kooperationswerkstatt
Kooperationswerkstatt © Serviceagentur Sachsen-Anhalt

Feußner: Die Kooperation der Ganztagsschulen mit außerschulischen Partnern spielt in Sachsen-Anhalt selbstverständlich eine große Rolle. Die Entwicklung der Unterrichtsversorgung lässt den Einsatz von Stunden der Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte zur Unterbreitung von Ganztagsangeboten nicht mehr im ausreichenden Maße zu. Vorrang hat die Absicherung des Pflichtunterrichtes gemäß Stundentafel. Dies trifft vor allem auf den ländlichen Bereich zu.

Es gibt jedoch die Online-Kooperationspartnerdatenbank auf unserem Landesportal für den Ganztag in Sachsen-Anhalt mit circa 108 Kooperationspartnern zum Beispiel in den Bereichen „Demokratiebildung und Soziales Lernen“, „Kultur, Literatur, Theater“, „Sprache und Auftreten“ oder „Sport und Bewegung“. Hier können sich Schulen und Interessierte über viele mögliche Kooperationspartner informieren und Kontakt aufnehmen.

Online-Redaktion: Sachsen-Anhalt gehört zu den Ländern, die sich stets in bundesweiten Programmen wie „LiGA – Lernen für den Ganztag“ engagiert haben. Wie wichtig sind Unterstützungsangebote, um eine hohe Qualität der Ganztagsangebote zu erreichen?

Feußner: Sachsen-Anhalt fördert die Serviceagentur „Ganztägig lernen“ der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Die Serviceagentur ist ein wichtiger Bestandteil des Unterstützungssystems, weil sie den Ganztagsschulen in Sachsen-Anhalt bei der Evaluierung der Ganztagskonzepte sowie bei der Gestaltung künftiger Ganztagsangebote seit Jahren hilfreich zur Seite steht.

Öffentliche Ganztagsschulen werden im aktuellen Schuljahr außerdem mit 80 FSJlern an Ganztagsschulen-Plätzen unterstützt. Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) an Ganztagsschulen wird seit dem Schuljahr 2015/2016 in Sachsen-Anhalt umgesetzt und sogar ausgebaut. Damit wird das Angebot der Schulen zusammen mit der Einbeziehung von außerschulischen Partnern wesentlich bereichert.

Online-Redaktion: Wo sehen Sie künftig die Schwerpunkte der Ganztagsschule in Sachsen-Anhalt?

Feußner: Ab dem Schuljahr 2026/2027 besteht, jährlich um ein Schuljahr aufwachsend, der Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung. Dies umzusetzen wird eine große Herausforderung, der wir uns stellen. Die Verwaltungsvereinbarung mit dem Bund wird gegenwärtig verhandelt. Wir hoffen, dass sich der Bund in maßgeblicher Höhe an den erhöhten Betriebs- und zusätzlichen Personalkosten beteiligt. Sobald uns die Vereinbarung vorliegt, werde ich mich mit dem in Sachsen-Anhalt federführenden Ministerium über die weiteren Schritte verständigen.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

Seit 2009 haben auf www.ganztagsschulen.org regelmäßig Bildungsministerinnen und Bildungsminister in Interviews die Entwicklungen beim Ausbau der Ganztagsangebote in ihrem Land erläutert. Alle Interviews finden Sie in der Rubrik „Bildungspolitik: Interviews“.

Kategorien: Service - Kurzmeldungen

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