Ganztag mit Berufswahlsiegel: Evangelische Schule St. Marien : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Die Evangelische Gemeinschaftsschule St. Marien in Neubrandenburg feiert in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen. Die Schule ist seit 2005 offene Ganztagsschule.

Ginge es nach Karsten Quaschning, würde die Evangelische Schule St. Marien sich Richtung gebundener Ganztag entwickeln, „der pädagogisch noch mehr Möglichkeiten bietet“, wie er findet.

Atrium der Schule
Das Atrium der Schule bietet Raum für Begegnung. © Evangelische Schule Neubrandenburg

Doch der Schulleiter sieht ein, dass dazu die Nachfrage von Seiten der Eltern fehlt. Und warum sollte man in ein rund laufendes Rad greifen? „Die Schülerzahlen sind stabil, wir haben hohe Anmeldezahlen und werden auch empfohlen. Die Kolleginnen und Kollegen sind zufrieden“, bilanziert der Schulleiter. „Aber wir sind jetzt auch in einer Phase, in der wir überlegen wollen, wie es weitergeht. In diesem Jahr wird die Schule 20 Jahre alt. Da ist eine Zukunftswerkstatt genau das Richtige.“

1997 entstand die Grundschule aus einer Elterninitiative und in der Trägerschaft der Schulstiftung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland. Im Schuljahr 2006/2007 fand die Umstrukturierung zur Christlichen Gemeinschaftsschule von Klasse 1 bis 12 statt. Seitdem können an der Schule die Berufsreife, Mittlere Reife und das Abitur erworben werden. Momentan lernen hier rund 500 Schülerinnen und Schüler. 50 Pädagoginnen und Pädagogen und außerschulische Kräfte arbeiten in der Schule.

„Ganztag ist nicht verhandelbar“

Kommunikation ist für Karsten Quaschning das A und O. Die Lehrerinnen und Lehrer haben ein offenes Ohr für die Schüler, die jede Lehrkraft per E-Mail erreichen können. „Der Austausch ist wichtig – untereinander im Kollegium, mit den Erzieherinnen und mit den Schülerinnen und Schülern“, so der Schulleiter. „Die Fachlehrkräfte beratschlagen mit den sonderpädagogischen Fachkräften, was beachtet werden muss, wer welche Aufgabe im Unterricht übernimmt, und erstellen gemeinsam Förderpläne. Ich selbst versuche, bei allen Konferenzen dabei zu sein, und treffe mich einmal in der Woche mit allen Koordinatoren, um die Woche zu besprechen.“

Und die seit 2005 bestehende offene Ganztagsschule unterstützt nach Ansicht des Schulleiters diese Kommunikation: „Der Ganztag öffnet Räume, in denen man sich unterhalten kann. Fehlt die Zeit, ist niemand da zum Austauschen.“ Der Ganztag ermögliche auch mehr Angebote, um abseits des Fachunterrichts noch andere Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen zu unterstützen. „Der Ganztag ist für mich nicht verhandelbar“, stellt Quaschning klar.

In einem der Schulgebäude ist der Hort für die Grundschülerinnen und Grundschüler untergebracht. Die nutzen auch schon die Angebote der Arbeitsgemeinschaften der offenen Ganztagsschule. Personell setzt sich die enge Verbindung fort: Die Erzieherinnen unterstützen die Lehrkräfte im Unterricht und nehmen an den Dienstberatungen teil. In täglichen Begegnungen tauschen sich die pädagogischen Professionen über die Schülerinnen und Schüler aus. Schulleiter Quaschning und Uta Weißgerber, die Leiterin des Horts, teilen sich sogar ein gemeinsames Büro.

Selbstständiges Lernen und ethische Orientierung

Der offene Ganztag beschränkt sich nicht auf die Hausaufgabenbetreuung und die Arbeitsgemeinschaften von Montag bis Donnerstag bis 16.30 Uhr. In der Hausaufgabenbetreuung setzt sich – teilweise in Gruppenarbeit – die Wochenplanarbeit aus dem Unterricht fort.

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© Evangelische Schule Neubrandenburg

Die Schülerinnen und Schüler können aus AG-Angeboten wie Schach, Töpfern, Fußball, Volleyball und Chor wählen und in der 5. und 6. Jahrgangsstufe auch den Schulclub besuchen, der dank Elternspenden in neuem Glanz erstanden ist und mit gemütlichen Sofas zum Ausruhen einlädt. Der Schulclub wird von einem FSJler betreut. Der Ganztag besteht darüber hinaus aus den Kreisstunden, die die Woche eröffnen und beschließen und auch mit Andacht und Besinnung verbunden werden. Die eine Wochenstunde für das Klassenmusizieren – angelehnt an das Konzept „Jedem Kind sein Instrument“ – kommt ebenfalls aus dem Ganztagsschuldeputat.

Das christliche Profil der Schule und christliche Werte spielen selbstverständlich eine besondere Rolle. 70 Prozent der Plätze werden an Kinder mit konfessioneller Bindung vergeben. Religion ist Pflichtfach und Hauptfach in der Oberstufe. Schulgottesdienste und Projekttage zu kirchlichen Festen sind fester Bestandteil des Schuljahres. Schon in Klasse 4 beginnen die TEO-Projekte, die „Tage der ethischen Orientierung“. In den Jahrgangsstufen 8, 9, 11 und 12 absolvieren die Schülerinnen und Schüler sozial-diakonische Praktika, die im Sozialkunde- und Religionsunterricht vor- und nachbereitet werden.

Eine Säule der Evangelischen Schule ist die Inklusion. In jeder Klasse gibt es drei Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Zum Förderteam gehören zwei ausgebildete Förderschullehrerinnen und Erzieherinnen mit Montessori-Diplom. „Wir haben viele junge Kolleginnen und Kollegen, die sich das Inklusionskonzept von Beginn an selbst angeeignet haben. Für uns ist es gang und gäbe, inklusiv zu arbeiten“, meint Karsten Quaschning. „Wenn man Inklusion so umsetzt, ist sie auch gleichzeitig Prävention. Wir setzen manche Schüler auf das Gleis, bei denen ich sonst Sorge haben würde, was aus ihnen wird.“

Ebenfalls wichtig ist der Schule die Anleitung zum selbstständigen Lernen. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten mit individuellen Wochenplänen, deren Aufgabenerfüllung sie selbst kontrollieren. Was sie nicht schaffen, wird zur Hausaufgabe. „Wir arbeiten im Unterricht mit Arbeitsphasen, in denen die Kolleginnen und Kollegen zu Moderatoren des Lernprozesses werden. Die Schülerinnen und Schüler organisieren sich selbst und lernen dazu auch mal im Atrium oder auf dem Schulhof. Das hat sich sehr bewährt“, so der Schulleiter.

„Lernen durch Außenaktivitäten“

Als erste Schule in freier Trägerschaft hat die Evangelische Schule St. Marien das Berufswahlsiegel in Mecklenburg-Vorpommern erhalten. Die Berufsvorbereitung spielt eine große Rolle: Bereits in den Klassen 5 und 6 sammeln die Schüler in der „Berufsfrühorientierung“ erste Erfahrungen in verschiedenen Berufsfeldern. Sie lernen Unternehmen der Stadt und Umgebung bei Betriebsbesichtigungen kennen.

Neubrandenburg
Besuch im DLR Neustrelitz © Evangelische Schule Neubrandenburg

Zum „Tag der Ehrenamtlichen“ bereiten die Sechtsklässler ein festliches Menü vor und lernen dabei die unterschiedlichen Tätigkeitsfelder der Gastronomie kennen. Ab Klasse 9 folgen Betriebspraktika in Unternehmen in und um Neubrandenburg, wodurch sie ein breites Spektrum an weiteren Berufen kennenlernen. Die Jugendlichen erhalten hier die Möglichkeit, Lebensumstände außerhalb der Familie und der Schule kennenzulernen und so ihren Horizont zu erweitern.

Durchgehend von der 1. bis zur 12. Klasse findet Fremdsprachenunterricht in Englisch, Französisch, Latein und Spanisch statt. Bereits in der 5. Klasse besteht die Möglichkeit, als zweite Fremdsprache Französisch zu lernen, ab der 7. Klasse kommt Spanisch als mögliche dritte Fremdsprache hinzu. Anfang 2017 haben 16 Schülerinnen und Schüler das DELF-Diplom (Diplôme d’études de langue francaise) für Französisch erworben. Per Studienfahrten geht es nach Paris, Barcelona oder Madrid. Auch am Erasmus plus-Programm beteiligte sich die Schule mit Partnerschulen aus Spanien, Großbritannien, Polen und Italien. Das Thema lautete: „Lernen durch Außenaktivitäten“.

Bei der Einschulungsfeier Anfang September konnte sich die Evangelische Schule St. Marien über schönes Sommerwetter freuen. Ein gutes Omen zum 20. Geburtstag? Karsten Quaschning freut sich auf jeden Fall über ein anderes untrügliches Zeichen der Zufriedenheit. „Auf dem hart umkämpften Lehrermarkt sind zuletzt alle acht Referendare, die wir ausgebildet haben, bei uns geblieben.“

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