Digitale Berufsorientierung im Ganztagsgymnasium : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Es war wieder einmal ein wertvoller Impuls, den die Serviceagentur Ganztag Berlin auf die Beine gestellt hatte. Die Frage lautete: Wie kann Berufsorientierung am Ganztagsgymnasium neu gedacht und digital umgesetzt werden?

Besser hätte man die Referentin und den Referenten nicht auswählen können. Anne-Christin Zeng und Konrad Schaller vom Carl-von-Ossietzky-Gymnasium in Berlin-Pankow sind Träger des „Deutschen Lehrkräftepreises – Unterricht innovativ 2021“. Ihr Steckenpferd: Als Verantwortliche für die Berufsorientierung an dem von mehr als 1200 Schülerinnen und Schülern besuchten Gymnasium mit Offenem Ganztag (seit dem Schuljahr 2021/22) haben sie die Pandemie genutzt, um das Konzept der Berufs- und Studienorientierung auf breite digitale Füße zu stellen. Das stellten sie auf der Veranstaltung „Carl-von-Ossietzky-Gymnasium@Impulse digital“ der Berliner Serviceagentur Ganztag vor.

Und so heißt es in der Laudatio auf der Homepage des Deutschen Lehrkräftepreises: „Anne Zeng und Konrad Schaller haben (...) in den Wochen der Schulschließungen ihren Kurs „Studium & Beruf“ digital gedacht und so im zweiten Pandemiejahr 2021 weiterentwickelt. Entstanden sind vier verschiedene digitale Formate zur Studien- und Berufsorientierung in einem Kurs: Der Berufeblog, der Podcast „Ausbildungsberuf“, Lernspiele zum Studien-ABC und die Online-Veranstaltung „Schüler:innen fragen Studierende“ – jedes der Formate zeichnet sich dabei durch eine hohe Aktivierung der Schülerinnen und Schüler aus und zeigt die diversen Möglichkeiten digitaler Bildung und Zukunftsorientierung.“

Ein Produkt des Lockdowns

Gespräch am Computer
© Britta Hüning

Im Detail bedeutet das: Zu Beginn der Pandemie überlegten sich Zeng und Schaller, wie sie die ihnen so wichtige Berufs- und Studienorientierung insbesondere für jene Schülerinnen und Schüler, die den Ergänzungsgrundkurs „Studium und Beruf“ in der 11. Klasse mit insgesamt drei Unterrichtsstunden belegt haben, „spannend und digital“ ausbauen könnten. Bewusst nahmen sie dabei auch eine mögliche Berufsausbildung in den Blick. „Die kommt an Gymnasien leider häufig einfach zu kurz“, wissen sie.

Entsprechend fließen Aspekte, aber auch Informationen dazu in die Berufsorientierung des Carl-von-Ossietzky-Gymnasiums, kurz: CvO, aller Schülerinnen und Schüler ein. Sei es auf dem analogen Weg oder im entsprechend ausgestatteten Newsroom. Der Newsroom wird sozusagen zur ständigen Kommunikationszentrale rund ums Thema. Hier können sich die Schülerinnen und Schüler mit Gleichaltrigen, aber eben auch mit ihren „Orientierungslehrkräfte“ austauschen.

Vier Module am Ganztagsgymnasium

Die digitale Ausweitung fußt aktuell auf vier Bausteinen: dem Berufeblog, Lernapps zum Studien- bzw. Ausbildungs-ABC, einer „Digitalen Fragerunde zum Studium“ sowie Podcasts zu diversen Ausbildungsberufe. Der Berufeblog ermöglicht Schülerinnen und Schülern, in einer vierwöchigen Projektphase eigenständig Interviews mit Personen aus ihren Traumberufen zu führen. Die Ergebnisse tragen sie dann in dem gemeinsamen Berufeblog zusammen.

So ist bereits eine große Bandbreite der unterschiedlichsten Berufe entstanden: von der Architektin über Chemielaborant, Fluglotse und Fluglotsin, Hebamme und Entbindungspfleger bis zur Unfallchirurgin oder dem Töpfer. Damit aber nicht genug. Im Anschluss an die Veröffentlichung haben die Schülerinnen und Schüler die Blogbeiträge der anderen gelesen und bewertet. Dieses Feedback wurde als besonders wertvoll empfunden, floss und fließt künftig zudem in die Leistungsbewertung ein. Denn das Projekt im Ergänzungskurs wird benotet.

Lehrreich geht es auch bei der Entwicklung der „Learning Apps zum Studien- bzw. Ausbildungs-ABC“ zu. Und zwar spielerisch. Konkret erfahren die Schülerinnen und Schülern etwas über ihnen möglicherweise noch unbekannte Begriffe aus Studium und Ausbildung, deren Bedeutung, aber auch über den konkreten Umgang mit relevanten Themen, etwa über den Studienalltag oder über die Finanzierung einer Ausbildung. Dafür erstellen sie eigenständig Learning Apps. Die digitalen Lernspiele sind einfach zu erstellen und ermöglichen jeweils eine Selbstkontrolle. Anne-Christin Zeng: „Nach der Erstellung der Apps hatten die Schülerinnen und Schüler Zeit, diese zu verwenden und so die Begriffe zu lernen.“ Zum Abschluss wartet ein kleiner Wettbewerb: Eine Live-Runde auf der Lernplattform offenbart, wer sich „zur Expertin oder zum Experten weitergebildet“ hat.

An dieser Stelle hakte eine Lehrerin aus dem Kreis der Teilnehmenden ein. Sie gestand eine gewisse Zurückhaltung bei der Entwicklung von LernApps, weil sie nicht sicher sei, ob diese einen geeigneten Weg für ihre jüngeren Schülerinnen und Schüler darstellten. Anne-Christin Zeng gelang es offensichtlich die Bedenken zu zerstreuen: „Der Name schreckt manchmal ab, das Ganze ist aber wirklich einfach handhabbar.“ Sie empfahl, mit Jüngeren kleinschrittiger zu arbeiten. Die Lehrerin lenkte ein: „Ich glaube, wir werden es einfach einmal gemeinsam probieren.“

Digitale Fragerunde und Podcasts

Ausbildungsplatzmesse der Paul-Löbe-Schule
Ausbildungsplatzmesse der Paul-Löbe-Schule © Paul-Löbe-Schule

Auf großes Interesse stieß auch die „Digitale Fragerunde zum Studium: Schülerinnen und Schüler fragen – Studierende antworten“. Konrad Schaller erläutert den Ablauf: „Dank des digitalen Konferenztools BigBlueButton konnten wir in einer digitalen Veranstaltung 19 Studierende aus 14 verschiedenen Studiengängen mit unseren Schülerinnen und Schülern der Oberstufe zusammenbringen. In sechs Runden à 20 Minuten gab es Gelegenheit, individuelle Fragen zum Studium zu stellen.“

Nach einem kurzen Überblick, in dem die Studierenden ihren persönlichen Werdegang vorstellten, ergaben sich viele Anknüpfungspunkte für Fragen zur Studienfachwahl: über den Entscheidungsprozess, zu den Zugangsbedingungen, zu den Inhalten des Studiums, zum Studienalltag, über mögliche Berufsperspektiven eines Studienfachs bis hin zur Finanzierung des Studiums.

Voll im Trend der Zeit liegt auch das vierte Modul: Schülerinnen und Schüler entwickeln Podcasts über diverse Ausbildungsberufe. Jeder Podcast darf zwei bis drei Minuten lang sein. Für jene, die sich mit dem medialen Format, das aktuell sogar die deutschen Fernsehsender bei ihren Informationsangeboten über die Fußball-Weltmeisterschaft nutzen, noch nicht auskennen, haben die beiden Fachkräfte für die Berufsorientierung am CvO einen kleinen Leitfaden zusammengestellt – ebenfalls als Podcast.

Unverzichtbar: Umgang mit Fehlern und Irrtümern

Der digitale Zugang zur Berufs- und Studienorientierung eröffnet nach Ansicht von Anne-Christin Zeng und Konrad Schaller ganz neue Perspektiven über die eigene Schule und Stadt hinaus. Bei den Fachschaften einiger deutscher Universitäten stießen sie auf offene Ohren und die Bereitschaft, das Projekt zu unterstützen. „Die Fachschaften sind da total offen“, berichteten sie. Mit dem positiven Effekt, dass die Palette der vorgestellten Berufsbilder, aber eben auch der Austausch mit völlig unterschiedlichen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern in unterschiedlichsten Städten noch bunter wurde.

Kategorien: Service - Kurzmeldungen

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