StEG: Vertiefte Erkenntnisse über den Ganztag : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Die Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen – StEG untersucht bis 2015 die Wirkungen von Ganztagsangeboten genauer. StEG-Koordinatorin Dr. Natalie Fischer berichtet über den derzeitigen Stand.
Online-Redaktion: Frau Dr. Fischer, von 2005 bis 2011 lief die erste Phase der großen bundesweiten Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG). Was ist die Besonderheit der seit 2012 laufenden Folgestudie?
Natalie Fischer: StEG war in der ersten Förderphase als Schulentwicklungsstudie breit angelegt. Hier holten wir grundlegende Informationen von allen am Ganztag Beteiligten ein, was hauptsächlich und notwendigerweise dazu diente, überhaupt erstmal einen Überblick über die sich damals entwickelnde Ganztagsschullandschaft zu erhalten. Und es wurde möglich, Aussagen beispielsweise zur Qualität und Wirkung von Angeboten zu treffen. Allerdings konnten wir nicht allzu vertiefend in spezifische Themen eintauchen.
Für die zweite Phase haben wir ein Design mit vier Teilstudien entwickelt. Jetzt untersuchen wir konkret, ob und wie sich der Besuch von Ganztagsangeboten auf jeweils die spezifischen Fähigkeiten, die gefördert werden sollen, auswirkt. Um Entwicklungen bei den Schülerinnen und Schülern festzustellen, war es nötig, von dem früheren Zweijahresrhythmus zu kürzeren Erhebungszeiträumen zu kommen.
Online-Redaktion: Was untersuchen die Teilstudien genau?
Fischer: Die Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Schulentwicklungsforschung (IfS) forschen bei der Studie „StEG-P – Entwicklung grundlegender Fähigkeiten“ auf Basis von Erhebungen in den Klassen 3 und 4, unter welchen Bedingungen Kinder in der Ganztagsgrundschule am besten lernen. Wie entwickelt sich die Lesefähigkeit der Schülerinnen und Schüler besonders gut? Wie müssen außerunterrichtliche Angebote gestaltet sein, um Begeisterung und Verständnis für die Naturwissenschaften zu wecken? Und welche Aspekte des Ganztags wirken sich besonders positiv auf das Sozialverhalten aus?
Die Studie des DIPF,„StEG-S – Förderung von Leseverständnis und sozialen Fähigkeiten“, schaut auf die Förderung von Leseverständnis und sozialen Fähigkeiten in den Jahrgangsstufen 5 und 6. Unser Team möchte herausfinden, welche Faktoren entscheidend für den Erfolg entsprechender Förderangebote sind.
Mit „StEG-A – Stabilität von Bildungsverläufen“ erforscht das Team des Deutschen Jugendinstituts (DJI) gezielt, wie die Teilnahme an außerunterrichtlichen Angeboten den Verlauf der Schulzeit sowie den Übergang in die berufliche Ausbildung beeinflusst. Dafür erfassen wir in den Klassen 9 und 10 rückblickend die gesamte Ganztagsbiografie der Schülerinnen und Schüler und begleiten sie in der Folge bis über ihren Abschluss hinaus.
Online-Redaktion: „StEG-Q – Der Alltag hinter den Daten“ setzt sich von den anderen drei Studien ein wenig ab, weil hier nicht nur in zwei Jahrgangsstufen, sondern in den Klassen 2 bis 7 geforscht wird. Worum geht es bei diesem Forschungsprojekt der Justus-Liebig-Universität?
Fischer: In dieser Studie soll aus der Perspektive einzelner Beteiligter nachvollzogen werden, welche Qualitätsmerkmale bei den Ganztagsangeboten wichtig sind. Während sich StEG-S und StEG-P ganz gezielt mit spezifischen Angeboten wie Leseförderung beschäftigen und mit Fragebogenerhebungen jeweils rund 2.000 Schülerinnen und Schülern erreichen, lässt sich das Team von StEG-Q mehr auf konkrete Fälle ein, nimmt an den Angeboten selbst teil, beobachtet diese und führt Gruppendiskussionen mit Schülerinnen und Schülern sowie mit Lehrkräften durch. Der Kreis der Befragten ist dabei wesentlich kleiner als in den anderen Teilstudien. Die Beteiligten können auch die Auswahl der Themen beeinflussen, was bei quantitativen Fragebogenerhebungen so natürlich nicht möglich ist. So sollen aus verschiedenen Perspektiven die entscheidenden Qualitätsmerkmale an Ganztagsschulen benannt werden, wobei auch überraschende, noch nicht vorhersehbare Erkenntnisse möglich werden.
Wir wollen auch einen gewissen Synergieeffekt erzielen, indem die Schülerinnen und Schüler aus den StEG-Q-Schulen die Fragebögen aus den anderen Teilstudien ebenfalls ausfüllen.
Online-Redaktion: Die in Ihrem Haus, dem DIPF, verantwortete StEG-S-Studie beinhaltet eine so genannte „Interventionsstudie“. Intervention bedeutet: Das Team bietet in einigen Schulen Leseförderprojekte an, deren Wirkung dann evaluiert wird.
Fischer: Bei StEG-S handelt es sich um eine Fragebogenstudie, an der 66 Ganztagsschulen teilnehmen. Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 5 füllen Online-Fragebögen aus und werden hinsichtlich des Leseverständnisses getestet. Zusätzlich veranstalten wir in sechs dieser 66 Schulen ein eigenes, von uns selbst entwickeltes Leseförderangebot, für das wir das Programm „Niemanden zurücklassen - Lesen macht stark“ des Instituts für Qualitätsentwicklung an Schulen in Schleswig-Holstein als Grundlage nutzen. Es geht unter anderem um die Förderung der Lesefreude und des Leseverständnisses durch Strategietraining und freie Lesezeiten. Für uns besteht der Vorteil darin, dass wir dann genau nachvollziehen können, was in dem Angebot passiert ist und ob und welche möglichen Effekte unmittelbar auf die Maßnahme zurückzuführen sind.
Online-Redaktion: Wie arbeiten die beteiligten StEG-Forschungsgruppen zusammen?
Fischer: Bereits bei der Fragebogenkonzeption und der Frage, was wir wie erheben wollen, haben wir uns gemeinsam beraten. Wir stehen im engen Kontakt: Alle drei Wochen informieren wir uns per Video-Konferenz gegenseitig über den jeweiligen Stand. Im Vergleich zur ersten StEG-Phase, in der alle Beteiligten ihre Erhebungen an denselben Schulen durchführten, sind wir bei den Teilstudien etwas unabhängiger voneinander vorgegangen. Dies bringt auch eine gewisse Erleichterung des Prozesses mit sich und mindert den Organisationsaufwand.
Online-Redaktion: Können Sie bereits Zwischenergebnissen verraten?
Fischer: Das ist nicht möglich, weil wir noch mitten im Prozess stecken. Bei StEG-S beispielsweise haben wir gerade erst begonnen, die Daten der zweiten Erhebung, die im Februar/März 2014 stattfand, zu bereinigen. Jetzt bereiten wir die dritte Erhebungswelle vor. Erst Ende 2015, wenn in allen Studien die Erhebungen abgeschlossen sind, werden Ergebnisse vorliegen.
Ergebnisse der Schulleitungsbefragung sind bereits 2013 veröffentlicht worden. Diese zeigen, dass die Ganztagsschullandschaft tatsächlich „bunter“ ist, als es die Definition von Ganztagsschulen der Kultusministerkonferenz vermuten lässt. Die KMK unterscheidet zum Beispiel offene, teilgebundene und gebundene Ganztagsschulen, aber in der Realität gibt es eine viel größere Vielfalt an Modellen sogar innerhalb eines Bundeslandes und ein unterschiedliches Verständnis der Begriffe „teilgebunden“ oder „gebunden“ von Bundesland zu Bundesland.
Die Schulleitungsbefragung zeigt auch, dass Ganztagsschulen Zeit brauchen! So ist die konzeptionelle Verknüpfung von Angeboten und Unterricht, wie sie die KMK-Definition fordert, bei schon länger als fünf Jahre bestehenden Ganztagsschulen eher zu finden als bei neueren Ganztagsschulen, wo sie noch selten vorkommt. „Ältere“ Ganztagsschulen richten auch wahrscheinlicher feste Zeiten für die Absprache der Lehrkräfte mit den pädagogischen Partnern ein. Als aus unserer Sicht alarmierend ist der Befund einzuschätzen, dass insgesamt bis zu 45 Prozent der Schulleitungen angegeben haben, dass sie mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen ihr angestrebtes Konzept nicht umsetzen können.
Online-Redaktion: Kann die Schulleitungsbefragung den Erkenntnisverlauf aus der ersten StEG-Studie fortführen?
Fischer: Das spielt eine Rolle im Sinne der Fortführung eines Ganztagsschulmonitorings: Wir fragen die Schulleitungen in allen 16 Bundesländern nach der Struktur, den Organisationsformen und den Gestaltungsmerkmalen der Ganztagsschule. Bei unseren Erhebungen 2012 und 2015 befragen wir nicht dieselben Schulleitungen, weil wir im Gegensatz zur ersten Förderphase keine Aussagen über die Entwicklungen einzelner Schulen treffen, sondern eruieren in einer repräsentativen Studie, wie sich bundesweit die Ganztagsschullandschaft entwickelt. Dies liefert bildungspolitisches Steuerungswissen. Die Schulleitungsbefragung ist zugleich die Basis für die Interpretation der Teilstudien und insofern enorm wichtig.
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