Bewegter Ganztag in Niederbayern und Oberösterreich : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
„Die besten Sportstätten nutzen nichts, wenn niemand in der Ganztagsschule für das Thema brennt.“ Ein Fazit des Forschungsprojekts „Bewegter Ganztag“ von Prof. Gerhard Waschler.
Von 2010 bis 2013 hat ein Team der Universität Passau und der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich Linz das Forschungsprojekt „Bewegter Ganztag“ durchgeführt. An 40 Ganztagsschulen in Niederbayern und Oberösterreich wurden Gelingensbedingungen bei der Implementierung von Bewegungs-, Sport- und Spielangeboten untersucht. Die Projektleitung an der Universität Passau hatte Prof. Dr. Gerhard Waschler inne.
Online-Redaktion: Prof. Waschler, Sie haben Ihr Forschungsprojekt „Bewegter Ganztag“ als Ihr „Lieblingsprojekt“ bezeichnet. Was hat Sie an diesem Projekt so gereizt?
Gerhard Waschler: Die Kombination der beiden Elemente Sport und erweiterte pädagogischen Möglichkeiten im Ganztag. Diese bildungspolitische Besonderheit galt und gilt es zu nutzen. Und die Erfahrungen in den an der Studie beteiligten Nachbarländern Niederbayern und Oberösterreich haben uns da recht gegeben. Schon früh haben die Ganztagsschulen gemerkt, dass in der Kooperation mit den Sportvereinen eine große Chance besteht.
Online-Redaktion: Besonders interessant an Ihrer Studie ist der länderübergreifende Aspekt. Wie hat sich die Zusammenarbeit mit der PH Oberösterreich ergeben?
Waschler: Ich bin Stadtrat in Passau und habe dort an der Universität gearbeitet. Die Grenze zu Österreich ist sehr nah, und es bestehen viele freundschaftliche Verbindungen ins Nachbarland, so auch zu einem Kollegen an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich. Es finden sich ähnliche Strukturen in der Bildungslandschaft, aber auch Unterschiede. So war Bayern zum Zeitpunkt des Beginns der Studie 2010 schon wesentlich weiter in der Kooperation zwischen Schule und Verein unter dem Dach des Ganztags.
Deshalb haben der oberösterreichische Kollege und ich überlegt, was wir gemeinsam in dem Bereich machen könnten. Nicht verschweigen will ich, dass wir durch eine gemeinsame Antragstellung auch in den Genuss der Förderung aus dem INTERREG-Programm Bayern-Österreich 2007-2013 kamen. Das waren Mittel des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).
Online-Redaktion: Welche Rolle spielte die „Studie zur Entwicklung von Bewegung, Spiel und Sport in der Ganztagsschule – StuBSS" von Prof. Ralf Laging in Marburg, die Sie selbst in Ihrer Forschung anführen?
Waschler: Ralf Laging hat erstmals flächendeckend Bewegung, Spiel und Sport in der Ganztagsschule untersucht, und wir haben seine Arbeit und Fragestellungen als einen Ausgangspunkt für unsere Studie nutzen dürfen. Er hat uns eine Vielfalt von Anstößen gegeben, was man weiter erforschen könnte.
Online-Redaktion: Wie sind Sie in Ihrem eigenen Projekt methodisch vorgegangen?
Waschler: Zunächst wurde eine Bestandsanalyse in 40 ausgewählten Schulen hinsichtlich der Angebote und des dazugehörigen Personals durchgeführt. An diesen Schulen haben wir dann differenzierte Schulporträts mit Informationen zur Integration der Sport- und Bewegungsangebote, zu den Einschätzungen der Schülerinnen, Schüler, Eltern und Lehrkräfte, zu den Qualifikationen des durchführenden Personals und zur Bedeutung externer Partner und Sportvereine erstellt. In einer Mischung aus Interview und Fragebogen wurde dann in zwei Erhebungen das Personal an Ganztagsschulen unterschiedlicher Schularten – Grund-, Haupt-/Mittelschulen, Realschulen, Gymnasien – befragt, wie es ihnen gelingt, Bewegungs- und Sportangebote in den Schulalltag von Ganztagsschülern zu integrieren.
Untersucht haben wir auch, ob die Teilnahme an zusätzlichen Bewegungs- und Sportangeboten zu bedeutsamen Veränderungen hinsichtlich ausgewählter Merkmale, wie zum Beispiel der persönlichen Zufriedenheit, führt. Die Fragen haben wir dabei auf die spezifische Landessituation in Bayern und in Österreich abgestimmt und die Fragebögen in Koordinationssitzungen der beiden Hochschulen immer wechselseitig gegengelesen.
Das Forschungsdesign ist in gemeinsamer Abstimmung entstanden. Und auch die Feinjustierung während des Prozesses, wenn wir beispielsweise festgestellt haben, dass sich eine Frage nicht so bewährt hat und man auf sie im Fragebogen verzichten sollte, haben wir zusammen vorgenommen. Das war sehr zeitaufwändig, hat sich aber außerordentlich bewährt.
Online-Redaktion: Welche Kernfragen haben Sie untersucht?
Waschler: Zuerst die Frage nach den Rahmenbedingungen, die eine gelingende Integration von Bewegung, Spiel und Sport in der Ganztagsschule ermöglichen – die räumlich-sächliche und die personelle Ausstattung. Dann die Frage nach dem Schulprofil, das bei entsprechender Ausrichtung auf den Sport selbst bei schlechteren Rahmenbedingungen den Erfolg des Konzepts der Bewegung in der Schule nicht wirklich verhindern kann. Und schließlich die Motivation der Beteiligten: Wenn Schulleitung und Lehrerinnen und Lehrer sich für das Thema begeistern, ist der Erfolg eigentlich vorprogrammiert.
Denn die besten Sportstätten nutzen nichts, wenn niemand in der Ganztagsschule für das Thema brennt. Zur Hardware gehört immer auch die Software – das hat sich dann wie ein roter Faden durch die Ergebnisse hindurchgezogen. „Du musst von der Sache überzeugt sein, sonst kannst du es nicht vermitteln“, hat uns ein Lehrer an einer Hauptschule bzw. heutigen Mittelschule gesagt – und das kann als übergreifend geltende Kernaussage gelten.
Online-Redaktion: Welche markanten Ergebnisse haben Sie noch erhalten?
Waschler: Es haben sich Erkenntnisse bestätigt, die man bei der wissenschaftlichen Erforschung des Themas Schule und Verein in der Vergangenheit immer wieder gefunden hat: Entscheidend ist die Person der Schulleitung, was sich auch bei den Österreichern gezeigt hat. Auf den zweiten Blick sieht man auch, dass neben dem Pflichtsportunterricht, den bewegten Pausen und einem bewegten Unterricht zum Beispiel die gesunde Ernährung und das Schulklima eine große Rolle spielen. Deutlich wurde, dass eine gute Integration von Sport und Bewegung die Schulzufriedenheit der Schülerinnen und Schüler erhöht.
Die Kooperation mit externen Partnern ist an vielen Standorten unumgänglich notwendig, um eine Erweiterung des Sport- und Bewegungsangebots zu ermöglichen. Das Interesse der Schülerinnen und Schüler an den Angeboten ihrer Schule hängt dabei von den konkreten Angeboten der örtlichen Vereine vor Ort ab. Diese müssen von den Schulen in den Tagesablauf integriert werden. Gelingt dies, profitieren beide Partner, Schule und Sportverein, von der Kooperation.
Online-Redaktion: Welche Resonanz haben Sie mit Ihrer Studie erreicht?
Waschler: Wir haben drei Ergebnisbände herausgegeben, in denen unter anderem die Projektschulen in Schulporträts ausführlicher vorgestellt werden. Solche auf Sport und Bewegung abzielenden Porträts gab es bisher kaum. Uns ist es wichtig gewesen, daraus auch Handlungsempfehlungen zu entwickeln.
Es zeigt sich, dass Schulen gerne auf diese Praxisbeispiele zurückgreifen und besonders die für die verschiedenen Regionen exemplarischen Beispiele schätzen. Denn wenn ich versuchen würde, das, was in Passau funktioniert, einer Schule in der Linzer Vorstadt überzustülpen, würde das nur scheitern. Gut aufgenommen worden ist auch eine von uns entwickelte CD mit Videosequenzen, die sich gut für die Lehrerfortbildung eignet.
Online-Redaktion: Werden Sie die Forschung in diesem Bereich fortsetzen?
Waschler: Wir entwickeln gerade mit dem Land Oberösterreich ein Folgeprojekt, das zum Wintersemester 2016/2017 starten soll. Hier wird es um die Inklusion im bewegten Ganztag gehen.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!
Kategorien: Kooperationen - Kinder- und Jugendhilfe
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