Der Raum als dritter Pädagoge: "Alle sind Akteure" : Datum: Autor: Autor/in: Peer Zickgraf

In Münster versammelten sich vom 20. bis 22. März 2009 rund 400 Pädagogen und Architekten, Kommunalpolitiker, Eltern sowie andere an Bildung und Schule Interessierte auf einem Konvent des "Netzwerks Archiv der Zukunft".

Das Thema der "Der Raum als dritter Pädagoge" ist eng mit dem Ausbau der Ganztagsschulen verknüpft. So gab es bereits gut ein Jahr nach dem Start des Investitionsprogramms "Zukunft Bildung und Betreuung" (IZBB) im Jahr 2004 zwei Veranstaltungen in Nordrhein-Westfalen, die sich mit diesem Thema auseinander setzten. Im August 2004  lautete das Thema "GanzTag. Wir bauen eine neue Schule. Investitionen für die offene Ganztagsschule". Der Workshop zur Offenen Ganztagsgrundschule "Der Raum als dritter Pädagoge" fand im November 2004 statt.

Der nun stattfindende Münsteraner Konvent wählte als Austragungsort die Wartburgschule. Das war gewiss kein Zufall, denn diese Ganztagsgrundschule gewann als Einrichtung in einem sozial gemischten Viertel den Deutschen Schulpreis des Jahres 2008, nicht zuletzt aufgrund ihrer vorbildlichen pädagogischen Architektur.

Mehr als 400 Pädagogen und Architekten, Kommunalpolitiker, Eltern sowie andere an Bildung und Schule Interessierte trafen sich vom 20. bis 22. März auf einem Konvent des "Netzwerks Archiv der Zukunft" in Münster, um über den Umbau von Schulen und anderen Bildungseinrichtungen zu Lernlandschaften beraten und verabschiedeten die "Münsteraner Erklärung zur Erneuerung der Schulen und anderer Bildungshäuser".

Phantasie ist gefragt

Wie im Jahr 2004 gibt auch fünf Jahre später ein Investitionsprogramm den Anlass, das den Raum als dritten Pädagogen thematisierte "Das Konjunkturprogramm II von Bund und Ländern stellt 8,6 Milliarden Euro für Schulen und andere Bildungseinrichtungen bereit. Wir sehen darin eine Chance, überfällige Sanierungen mit baulicher und pädagogischer Erneuerung zu verbinden", schreiben die Verfasser der Münsteraner Erklärung.

"Wir ermuntern Kommunen und Länder, bei der Beantragung und Vergabe der Mittel mutig und phantasievoll vorzugehen, um ein besseres Lernen der Kinder und Jugendlichen zu unterstützen." Als einer der Initiatoren der Veranstaltung erläuterte der Journalist Reinhard Kahl, der insbesondere in seinem Film "Treibhäuser der Zukunft. Wie in Deutschland Schulen gelingen" die vorbildliche Gestaltung von Ganztagsschulen als Lernhäusern einem breiten Publikum vermittelt hat, einen Kerngedanken des Konvents: "Konvent heißt, dass Leute zusammenkommen, die sich nicht nach Referenten und Publikum unterscheiden. Alle sind als Akteure vorgesehen, die zwar unterschiedliche Ideen und Visionen haben, sich aber gegenseitig anregen."

Zu diesen Akteuren gehörten auch Experten aus Schweden wie die Pädagogen Hans Ahlenius sowie Rainer von Groote, die die neue Lernkultur in Schweden am Beispiel von "Futurum" bzw. "Skola 2000" am Freitag, dem 20. März 2009 verdeutlichten. In den vielen interessanten Workshops am nächste Tag - "Themenhaus Schule", "Themenhaus Baustellen", Themenhaus Das Zwischen", "Themenhaus Der Elementarbereich" - tauschten sich die Akteure über die Voraussetzungen und Gelingensbedingungen für ihre Realisierung aus.

Von der Vision in die Praxis

Tipps für Praxis kamen dabei nicht zu kurz. So schilderten Schulleiter Jochen Arlt sowie Renate Buschmann unter dem Titel "Frisches Leben in alter Haut! - Die Umwandlung eines Schulgebäudes" den Prozess aus der Perspektive der Schule. Wie das Team und der Raum zusammenhängen, schilderte der Erziehungswissenschaftler Dr. Thomas Coelen.

Am Sonntag diskutierten der Architekt Prof. Peter Hübner, der Hirnforscher Prof. Gerald Hüther sowie Prof. Harald Welzer über den Zusammenhang von Kulturtraditionen und den Wandel von Raumkonzeptionen. Über die Chancen, die vom Konjunkturprogramm für die Kommunen ausgehen, diskutierten Dr. Karl Heinz Imhäuser von der Montag Stiftung mit Rainer Schweppe, Leiter der Abteilung Schule, Kultur und Sport der Herforder Kommunalverwaltung.

Kurz nach der Münsteraner Erklärung trafen sich am 23. März 2004 Experten, Pädagogen, Verwaltungsleute, Kommunalpolitiker, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler, um Visionen und Schritte zur Umsetzung eines pädagogischen Raumkonzeptes für die Sekundarschulen in Herford zu entwickeln. In diesem Rahmen stellte sich Rainer von Groote den Fragen der Online-Redaktion.

Online-Redaktion: Was war der Anlass für Ihren Besuch auf dem Münsteraner Konvent "Der dritte Pädagoge"?

Rainer von Groote: Ich wurde hierher eingeladen. In Deutschland habe ich schon öfter Vorträge im Zusammenhang mit dem Konzept Skola 2000 gehalten. Es handelt sich um ein Vorreiterkonzept für moderne Schulen in Schweden. Bei uns hat man früh angefangen, in Lehrerteams zu arbeiten, um die individuelle Förderung zu ströken. Der Staat dies seit Anfang der 1990er Jahre ausdrücklich einforderte. Die Umsetzung liegt allerdings bei der Kommune und den Schulen.

Online-Redaktion: Welche Rolle spielen dabei die Schulräume?

von Groote: Es geht nicht nur um den Schulraum, sondern insbesondere um die Organisation. Wenn man mit einer bestimmten Pädagogik arbeitet, braucht man dafür eine bestimmte Organisation. Ohne Lehrerteams kann man in diesem Zusammenhang nicht mehr arbeiten. Aber man braucht auch die geeigneten Lokalitäten, um dieses Konzept zu verwirklichen. Ich habe beim Münsteraner Konvent darauf aufmerksam gemacht, welche Voraussetzungen für die Raumgestaltung wichtig sind und anhand einiger Beispiele gezeigt, wie man solche Räume gestalten kann.

Online-Redaktion: Welche Chancen sehen Sie, dass auch deutsche Schulen sich vom schwedischen Beispiel anregen lassen?

von Groote: Das Interesse daran, sich von Skola 2000 inspirieren zu lassen, mache ich daran fest, dass wir häufig nach Deutschland eingeladen werden. Es gibt bereits Länder, Kommunen und Schulen, die nach den Konzepten aus arbeiten. Ein Beispiel ist das Land Bremen. Dort gibt es einige gute Schulen, die ihre Architektur und Pädagogik an das schwedische Beispiel anlehnen. Ein anderes Beispiel ist die Stadt Herford. Schulen, die uns zu Rate gezogen haben, wobei sie Skola 2000 nicht einfach kopieren.

Der Gründer des Konzepts Skola 2000 ist Ingemar Mattson, der übrigens mein erster Schwedisch-Lehrer war. Er arbeitete damals beim Zentralamt für Schule und hatte eine Vision, in welche Richtung sich die neue Schule hin bewegen würde. Er arbeitete in einer Abteilung für Baugenehmigung und ich arbeitete mit ihm zusammen. Vor diesem Hintergrund habe ich mein eigenes Konzept entwickelt, das noch etwas weitergeht als das von Mattson.

Es beinhaltet, dass man sehr effektiv in Schulen arbeiten muss, und dies besonders in schwierigen Zeiten. Ein wichtiger Aspekt ist, dass auch große Gruppen das Lernen bereichern können. Beispielsweise durch die Lernshow. Dabei wird mit musikalischen Mitteln Unterricht gestaltet oder zum Lernen eingeladen.

Ein zusätzlicher Aspekt einer offenen Schule ist, dass man die Welt draußen einbezieht, oder sie in die Schule hineinlässt. Schule sollte wie eine Haustür sein, in die man rein- und rausgeht. Gerade in einer Ganztagsschule ist es möglich, dass man Vereine, Eltern oder Unternehmen einlädt und am Schulleben beteiligt. Die Kinder und Jugendlichen sollen lernen, wie das Leben außerhalb der Schule funktioniert. Dafür haben wir konkrete Methoden entwickelt.

Eine davon gehört in Schweden ohnehin zur Tradition, nämlich, dass man sogenannte Prau-Perioden hat. Das bedeutet praktische Berufsorientierung. Dabei gehen die Schülerinnen und Schüler mehr oder weniger als Praktikanten zu Unternehmen und lernen, wie das Unternehmen funktioniert.

Es gibt auch andere Methoden. Beispielsweise, dass man mit größeren Schulgruppen ein Unternehmen besucht. Sehr gute Erfahrungen habe ich auch damit gemacht, Vereine in die Ganztagsschulen zu holen. Es ist hilfreich mit dem professionellen Personal darüber Diskussionen zu führen, wie Lernen funktioniert, wie man Schulleiter stimulieren kann. 

Online-Redaktion: Warum muss man gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen es überall an finanziellen Mitteln fehlt, auf Schulen setzen?

von Groote: Schule ist für junge Menschen eine soziale Einrichtung. Das ist vielleicht einer der Hauptgründe, warum junge Leute gerne zur Schule gehen - oft nicht wegen des Lernens selbst. In der Finanzkrise ist es wichtig, dass man weiter gut lernen kann. Man darf sich nicht davon frustrieren lassen, dass dauernd finanzielle Mittel gestrichen werden.

Auch in schwierigen Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise können Möglichkeiten gefunden werden. Das braucht nicht unbedingt teuer zu sein, aber man sollte sich darüber Gedanken machen, was man bewegen kann. Das Geld ist nicht die erstrangige Frage, sondern die Wünsche, Ideen und Visionen von dem, was man machen möchte. Dabei ist es wichtig, dass man alle Beteiligten einbezieht, auch die jungen Menschen, und darüber diskutiert, wie Schule aussehen soll. Was wollen die Schülerinnen und Schüler selber ändern und wie kann man Methoden finden, um ihre Vorstellungen in die Praxis umzusetzen.

Rainer von Groote, wohnt seit 25 Jahren in Schweden. Er war als Lehrer, Schulleiter und Berater tätig. Er berät Schulen bei der Dokumentation, Qualitätsarbeit, Organisationsstruktur und der Erstellung von effektiven Stundenplänen. Er arbeitet mit Musikern zusammen und geht mit einer so genannten Lernshow, die aus Talkshow, Filmen, Musik und Interviews besteht, in Schulen auf Tour.

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