Ellerbeker Schule Kiel: Fördern im Ganztag mit Respekt : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
„Achtung? Ja bitte!“ In der Ellerbeker Schule begegnet sich die Schulgemeinschaft mit Respekt. Das multiprofessionelle Team der „Zukunftsschule.SH“ arbeitet eng zusammen, um Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu fördern.
Schulleiterin Carola Habermann fasst das Credo ihrer Schule zusammen: „Unsere oberste Prämisse ist die Integration wirklich aller Schülerinnen und Schüler. Für jedes Kind und jeden Jugendlichen wollen wir den bestmöglichen Lernraum bereitstellen. Wir lassen hier niemanden zurück.“ Unter der Überschrift „Achtung? Ja bitte!“ steht der gegenseitige Respekt ganz oben auf der Agenda der Ellerbeker Schule in Kiel. „Es gibt Schulregeln, wie wir miteinander umgehen wollen, die für unsere beiden Schulteile gleich lauten“, so die Schulleiterin.
Die „beiden Schulteile“ der Ellerbeker Schule, die die Klassen 1 bis 12 umfasst, sind die zweizügige Grundschule mit integrativen Klassen und das Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. Sie befinden sich im gleichen Gebäude. Lediglich die Werkstufe des Förderzentrums ist seit 2019 am Standort Geschwister-Scholl-Straße zu finden und kooperiert dort mit dem Regionalen Berufsbildungszentrum (RBZ) Technik. Einzelne Kinder und Jugendliche, die aus besonderen Gründen nicht am Unterricht teilnehmen können, werden im St.-Antonius-Haus oder auch im Elternhaus von Lehrkräften der Ellerbeker Schule gefördert.
Spezielle Räumlichkeiten für den offenen Ganztag in der Primarstufe gibt es nicht. „Wir nutzen unsere Räume teilweise dreifach“, erläutert Carola Habermann. Ein Beispiel ist der Ruheraum: Am Vormittag wird er für Differenzierungsgruppen oder für die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Autismus genutzt. Am Nachmittag können sich Kinder dort in die Kuschelecke zurückziehen. Ein anderer Raum fungiert am Vormittag als Differenzierungsraum für die integrativ beschulten Grundschulkinder, am Nachmittag wird er zum „Kreativraum“. Die Schulbücherei ist nachmittags die Anmeldestelle für die Ganztagsschülerinnen und -schüler, aber auch Spielraum.
Multiprofessionell über den Tellerrand blicken
Dass im Förderzentrum eine Küche und drei Werkräume vorhanden sind, lässt sich trefflich für die Zubereitung kleiner Snacks und für die Ganztagsangebote nutzen. Ein Unterrichtsraum des Förderzentrums und der Computerraum werden am Nachmittag zu Räumen für die Hausaufgabenbetreuung. In einem abgetrennten Teil der Mensa findet das „Nami-Angebot“, die verlässliche „Freizeitbegleitung am Nachmittag für Kinder berufstätiger Eltern“ des Förderzentrums statt, das wie die offene Ganztagsschule von der Stiftung Drachensee organisiert wird.
364 Schülerinnen und Schüler lernen in diesem Schuljahr an der Ellerbeker Schule. Das Team ist, wie nicht anders zu erwarten, multiprofessionell zusammengesetzt. Zu den 81 Kolleginnen und Kollegen gehören Grundschullehrkräfte, Sonder- und Heilpädagoginnen und -pädagogen, Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen und -pädagogen und Assistenzkräfte. Ein Arbeitsplan definiert transparent die jeweiligen Zuständigkeiten aller Mitarbeitenden.
Der Dienstag ist Präsenztag für alle. Von 13 Uhr bis 15.15 Uhr wird er für den Austausch im Kollegium und für Konferenzen genutzt, in denen „jeder jeden ansprechen kann“, erläutert Carola Habermann. Dazu gibt es noch einmal in der Woche Stufenkonferenzen mit der Schulleiterin jeweils in der Grundschule und im Förderzentrum. Auch die Fachkonferenzen sind mit Mitarbeitenden der Grundschule und des Förderzentrums besetzt, „damit auch dort jeder etwas über seinen Tellerrand hinausblickt“. Jeden Freitag schreibt die Schulleiterin an sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine E-Mail, in der sie über alle Entwicklungen der Woche und Vorhaben informiert. „Nicht alle können sich jeden Tag begegnen, und das ist eine gute Möglichkeit, dass alle erfahren, was läuft“, erläutert sie.
Das Ganztagsangebot liegt komplett in der Verantwortung der Erzieherinnen und Erzieher des Trägers Stiftung Drachensee. Teamleiterin ist Meike Clasen, die sehr engagiert im Austausch mit den Lehrkräften und der Schulleiterin steht, gegebenenfalls Probleme und Schwierigkeiten zur Sprache bringt und dann gemeinsam löst. Ansprechpartnerin für die Schule ist die Schulleiterin. „Die enge Zusammenarbeit und das super engagierte Kollegium machen bei uns vieles möglich und fangen auch Kinder und Jugendliche auf, die an anderen Schulen nicht zurechtgekommen sind“, berichtet Carola Habermann. Das spiegelt sich auch im guten Ruf der Ellerbeker Schule und in der hohen Nachfrage wider: „Wir könnten hier locker dreizügig werden.“
Im Pädagogischen Konzept sind gemeinsame Veranstaltungen wie Theaterprojekt, Sommerfest, Jahreszeitensingen, Projektwochen, Sportfeste und Adventsfeiern festgeschrieben, die in einem gewissen Turnus wiederkehren und von gemeinsamen Arbeitsgruppen vorbereitet werden. „Die Schülerinnen und Schüler sind von der letzten Projektwoche so begeistert gewesen, dass sie nur noch Projektwochen haben wollen“, lacht Carola Habermann.
Schülerfirma „Elli-Kaffee“ und „Lust auf Lesen“ mit MENTOR Kiel
Im Förderzentrum gibt es eine Schulimkerei, für die sich eine Kollegin in einem zweijährigen Kursus hat ausbilden lassen und für die ein Sponsor die Anschaffung der Bienenstöcke ermöglicht hat. Die 2011 von Sonderschullehrerin Utamaria Mahnke gegründete Schülerfirma „Elli-Kaffee“, in der auch Schülerinnen und Schüler mit hohem Assistenzbedarf berufsorientierende Aufgaben übernehmen, mahlt und verkauft Kaffee. Die Kaffeebohnen beziehen die Schülerinnen und -schüler zum Selbstkostenpreis von einer Kieler Kaffeerösterei. Eine weitere, neue Schülerfirma hat im Berufsbildungszentrum einen Büroservice eingerichtet. Die Jugendlichen können dort für die Lehrkräfte laminieren, kopieren und weitere Dienste übernehmen.
Die Grundschülerinnen und -schüler der Ellerbeker Schule nehmen seit 2018 am Projekt „Gesund leben und sich bewegen in Ellerbek“ teil, in dem sie unter anderem die Mobilität in ihrem Stadtteil untersuchen. Das Quartiersbüro „Wahlestraße“ der Diakonie Altholstein und die AOK Nord begleiten zwei 1. Klassen vier Jahre lang. Sie unterstützen die Schülerinnen und Schüler während der Grundschulzeit, ihr Wissen um die Wichtigkeit gesunder Ernährung und ausreichender Bewegung im Stadtteil zu stärken.
Für dieses Projekt und für die Berufliche Orientierung in Kooperation mit dem RBZ Technik ist die Ellerbeker Schule 2019 vom Land Schleswig-Holstein im Rahmen der Förderung einer Bildung für nachhaltige Entwicklung als „Zukunftsschule.SH“ ausgezeichnet worden. Für die Schulleiterin ist gerade die Berufsorientierung von großer Bedeutung: „Es gibt Schülerinnen und Schüler, die sich in der Kooperation mit dem RBZ so gut entwickeln, dass sie für ihr letztes Schuljahr dorthin wechseln und integrativ am Unterricht teilnehmen.“
Wenn Grundschülerinnen und -schüler im Lesen Unterstützung benötigen, können sie in das „Leselernhelfer“-Programm „Mentor Kiel“ des Kinder- und Jugendhilfeverbandes aufgenommen werden. Nach Unterrichtsschluss kommen Ehrenamtliche, überwiegend Rentnerinnen und Rentner, in die Schule, um einmal pro Woche die Lese- und Sprachkompetenz zu fördern. Die Kinder lesen altersgemäße Texte und sprechen über das Gelesene. Lesespiele wecken die Lust aufs Lesen. An der Ellerbeker Schule sind derzeit sechs Schülerinnen und Schüler dabei.
Jonglieren und balancieren im „Zirkus Ellerbeki“
Die 70 Grundschülerinnen und -schüler, die von Montag bis Donnerstag bis 16 Uhr am Ganztag teilnehmen, gehen nach dem Mittagessen in der Mensa, dann in die Hausaufgabenbetreuung und anschließend in die AGs. Jeden Tag gibt es ein Angebot der Offenen Ganztagsschule: Montags geht es in den „Zirkus Ellerbeki“, in dem die Schülerinnen und Schüler jonglieren und Einrad fahren lernen, auf dem Seil ihr Gleichgewicht schulen oder auch als „Tiger“ durch Reifen springen und als „Elefant“ auf Balken balancieren. Dienstags fördert eine AG die „Psychomotorik“, mittwochs können die Schülerinnen und Schüler mit Papier, Holz, Wolle und Stoff in der „Kreativ“-AG arbeiten oder die „Bewegungsbaustelle“ nutzen. Donnerstags wird getanzt oder im „Fitness“-Kurs trainiert. Zusätzlich bietet der Lauftreffverein LTV Kiel-Ost zurzeit ein Sportangebot am Nachmittag.
„Für viele Kinder ist es gut, dass sie mit der Ganztagsschule mit einem pädagogischen Angebot strukturiert durch den Nachmittag kommen, sich hier mit ihren Freundinnen und Freunden treffen und vielleicht auch zusätzlich Werte vermittelt bekommen. Denn sonst wäre für manche Schülerinnen und Schüler gar nichts da“, betont die Schulleiterin.
Die Ellerbeker Schule kann dazu auf die Expertise von Schulsozialarbeiter Torben Hahn zurückgreifen. Er trifft sich mit der Schülervertretung, führt Sozialkompetenztrainings in Kleingruppen durch, bildet „Streitschlichter“ aus, bietet „Spiele-Pausen“ an und berät auch Eltern und Lehrkräfte. Carola Habermann weiß das sehr zu schätzen: „Er findet einen anderen Zugang zu den Eltern und Kindern. Wenn es mal schwierig ist, bildet er zum Beispiel auch mal eine 'Jungs-Gruppe' oder arbeitet mit Einzelnen, die sich in einer problematischen Situation befinden.“ Torben Hahn begleitet die Schülerinnen und Schüler ebenso beim Übergang in die weiterführenden Schulen. Auch in den Ferien bietet er Programme an, bekannt ist besonders sein Ferien-Boxcamp.
Digital gut aufgestellt
Die Ellerbeker Schule gehört schon seit 2016 zum Netzwerk der „Modellschulen für Lernen mit digitalen Medien“, darunter sind 14 Förderzentren. Die Schulen des Netzwerks setzen digitale Medien bereits besonders wirksam im Unterricht ein. Das habe gezeigt, „wie gut wir in der Digitalisierung aufgestellt sind“, freut sich die Schulleiterin. „Wir hatten ein Medienkonzept entwickelt und tatsächlich auch schon mit Erstklässlern den Umgang mit digitalen Medien geübt. Wir haben WLAN im gesamten Gebäude, verfügen über Tablets und über ein Netzwerk beider Schulteile, in dem die Kolleginnen und Kollegen kommunizieren.“
So konnte das Kollegium während der Schulschließungen per Videos und Videokonferenzen engen Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern halten. Auf digitalen Tafeln für alle Stufen gab es sogar „Material gegen die Langeweile“. Die Schulhomepage zeigt Ergebnisse der „Qunst-Challenge“, die die Ellerbeker Schule wie Schulen weltweit nach einer Idee des Paul-Getty-Museums für die Zeit des „Homelearning“ aufgegriffen hat: Schülerinnen und Schüler waren aufgerufen, Gemälde nachzustellen, in diesem Fall mit Lebensmitteln und dem Hinweis: „Schau doch mal im Internet nach Guiseppe Arcimboldo oder Carl Warner!“ Ergänzend hieß es: „Bitte wirf die Lebensmittel hinterher nicht weg! Iss dein Bild!“
Eine Besonderheit auf der Schulhomepage und eine Empfehlung für andere Schulen dürften ebenso die „Hinweise in Leichter Sprache zum Thema Corona-Virus“ und das dazugehörige Erklärvideo für Kinder und Eltern sein.
„Wir haben hier eine Menge, und da sind wir auch stolz drauf“, resümiert Schulleiterin Carola Habermann. „Was uns noch fehlt, sind mehr Endgeräte – nach einer Abfrage in den Osterferien hat ein Drittel meiner Schülerinnen und Schüler zu Hause bestenfalls einen Zugriff auf das Smartphone von Mama und Papa.“
Kategorien: Ganztag vor Ort - Schulporträts
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