Mehr Lehrerkooperation im gebundenen Ganztag : Datum:
Eine aktuelle Studie "Lehrerkooperation in Deutschland" zeigt: Besonders intensiv ist Kooperation in Schulen mit Inklusionsangebot und in gebundenen Ganztagsschulen.
Wie eng kooperieren Lehrkräfte? Welchen Nutzen bringt Teamarbeit? Und welche Rahmenbedingungen benötigt die Kooperation in der Schule? Diesen Fragen widmet sich eine aktuelle Studie im Auftrag von vier Stiftungen (Bertelsmann Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stiftung Mercator und Deutsche Telekom Stiftung).
Unter dem Titel „Lehrerkooperation in Deutschland. Eine Studie zu kooperativen Arbeitsbeziehungen bei Lehrkräften der Sekundarstufe I“ haben Prof. Dirk Richter (Bergische Universität Wuppertal) und Prof. Hans Anand Pant (Humboldt-Universität zu Berlin, Deutsche Schulakademie) untersucht, welche Einstellungen Lehrkräfte zur Kooperation haben und wie die Praxis der Kooperation in deutschen Schulen aussieht. Die Autoren der Studie sehen in einer stärkeren Teamarbeit zwischen Lehrkräften einen Erfolgsfaktor für gute Schulen, der gerade angesichts wachsender Vielfalt in den Klassen an Bedeutung gewinnt.
Die Studie zeigt, dass Kooperation durchaus den Alltag von Lehrerinnen und Lehrern bestimmt, allerdings überwiegend noch auf einem eher basalen Niveau: Kooperation besteht zum einen im Austausch von und über Lehrmaterialien und im Austausch über die Entwicklung von Schülerinnen und Schülern. Noch wenig verbreitet ist in Deutschland die Vorbereitung und Gestaltung des Unterrichts im Team. Auch wechselseitige Hospitationen von Lehrkräften und Schülerfeedback zum Unterricht von Lehrkräften gibt es noch eher selten.
Unter anderem vergleicht die Studie die regelmäßig betriebenen Kooperationsaktivitäten von Gymnasien und anderen Schulformen, von inklusiv arbeitenden und nicht-inklusiv arbeitenden Schulen sowie von vollgebundenen Ganztagsschulen und Halbtagsschulen. Dargestellt werden ebenso Aussagen von Lehrkräften über die Rahmenbedingungen zur Kooperation nach Schulformen, Inklusion und Ganztag.
Besonders ausgeprägt ist die Kooperation in Schulen mit Inklusionsangebot: Je höher der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an einer Schule ist, desto häufiger und intensiver arbeiten die Lehrkräfte auch konzeptionell zusammen. An nichtgymnasialen Schulformen wird häufiger kooperiert als an Gymnasien. Und: In gebundenen Ganztagsschulen gibt es mehr Lehrkräftekooperation als in Halbtagsschulen und offenen Ganztagsschulen. Mehr Aktivitäten zeigen sich insbesondere beim Team-Teaching, bei der gemeinsamen Vorbereitung von Unterricht und bei der kollegialen Hospitation. Beim Vergleich der teilgebundenen bzw. offenen Ganztagsschulen mit den Halbtagsschulen zeigten sich dagegen keine oder nur marginale Unterschiede in der Kooperationsaktivität.
Die größte Herausforderung für die Kooperation von Lehrkräften oder von Lehrkräften mit dem weiteren pädagogischen Personal ist die strukturelle Verfügbarkeit von Kooperationszeiten in der Schule. „Weniger als die Hälfte der Lehrkräfte berichtet davon, dass der Stundenplan und die Zeitpläne nach dem Unterricht Freiräume für die gemeinsame Zusammenarbeit bieten und dass ausreichend Arbeitsräume für die gemeinsame Teamarbeit zur Verfügung stehen“, heißt es in der Studie. „Dementsprechend ist die Mehrheit des Kollegiums an vielen Schulen nach dem Unterricht nicht mehr präsent. Trotz der ungünstigen zeitlichen und materiellen Rahmenbedingungen nimmt die Mehrheit der befragten Lehrkräfte jedoch auch wahr, dass sich die Schulleitungen für die Zusammenarbeit zwischen den Lehrkräften einsetzen und gute Koordinationsstrukturen zur Organisation der Unterrichtsarbeit bestehen.“
Betont wird daher die Bedeutung der Schulleitung für eine entsprechende Schulkultur, z. B. wenn es um die Berücksichtigung von Teamarbeitszeiten im Stundenplan oder die Etablierung von Koordinationsstrukturen zur Abstimmung der Unterrichtsarbeit geht. Die Verfügbarkeit von materiellen Ressourcen (z. B. Arbeitsräume für die Teamarbeit) steht entgegen der Erwartung nicht oder nur wenig im Zusammenhang mit dem Kooperationsverhalten.
Die Studie zeigt aber ebenso, dass sich die Zusammenarbeit mit anderen Kolleginnen und Kollegen positiv auf die Zufriedenheit der befragten Lehrkräfte auswirkt. Zusammenarbeit halten 97 Prozent der Lehrkräfte für wichtig, und für 87 Prozent lohnt sich der damit verbundene Aufwand.
Auch die Kultusministerkonferenz hat die Ergebnisse der Studie „Lehrerkooperation in Deutschland“ mit Interesse aufgenommen. KMK-Präsidentin Dr. Claudia Bogedan sagte anlässlich der Veröffentlichung: „Vertreter der Länder verfolgen mit Interesse die Ergebnisse solcher Studien, können sie doch wichtige Hinweise für die eigene Arbeit liefern. Der Lehrerberuf ist viel mehr als ein reiner Broterwerb. Es ist daher erfreulich, dass die Studie eine hohe Zufriedenheit der Lehrer mit ihren Beruf bestätigt, auch wenn die Herausforderungen sehr groß sind.“
Die vier Stiftungen stellten die Studie im Vorfeld des sechsten Internationalen Gipfels zum Lehrerberuf im ProjektZentrum Berlin der Stiftung Mercator vor. Moderiert von Manuel J. Hartung (DIE ZEIT), diskutierten u. a. Kultusminister Stephan Dorgerloh, Prof. Hans Anand Pant und Prof. Dirk Richter die Ergebnisse vor einem internationalen Publikum, zu dem auch Lehrerinnen und Lehrer aus den USA und den Niederlanden gehörten.
Die Professionalisierung des Lehrerberufs ist das zentrale Thema des diesjährigen „International Summit on the Teaching Profession“ (ISTP), der vom 3. bis 4. März in Berlin stattfindet und gemeinsam von der KMK, der OECD und der Bildungsinternationale ausgerichtet wird. Gastgeber des ISTP ist die Kultusministerkonferenz, die von deutscher Seite durch den Verband Bildung und Erziehung (VBE), die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie acht Stiftungen (Bertelsmann-Stiftung, Deutsche Telekom Stiftung, Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Hertie-Stiftung, Stiftung Mercator, Vodafone Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Joachim Herz Stiftung) unterstützt wird. Das Thema des ISTP 2016 lautet “Teachers’ professional learning and growth: Creating the conditions to achieve quality teaching for excellent learning outcomes”.
Quellen:
Stiftung Mercator
Kultusministerkonferenz