Hessen: Ukrainisch als Fremdsprache in Schulen : Datum:
Hessen führt als erstes Land Ukrainisch als Fremdsprache in Schulen ein. Auch weitere ukrainische Lehrkräfte werden für den Schuldienst in Hessen gewonnen.
Im Wettbewerb um zukünftige Fachkräfte und zur Gewinnung weiterer Lehrerinnen und Lehrer unternimmt Hessen zum Schuljahr 2024/2025 einen deutschlandweit einmaligen Vorstoß und erweitert das breite schulische Fremdsprachenangebot um Ukrainisch. Dies erfolgt mit Blick auf die große Gruppe der rund 20.000 mit ihren Familien vor dem Krieg nach Hessen geflüchteten und beschulten Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine sowie die mehr als 300 ukrainischen Lehrkräfte, die derzeit an hessischen Schulen unterrichten.
„Wir dürfen nicht müde werden in der Unterstützung der Ukraine“, sagte Armin Schwarz, Minister für Kultus, Bildung und Chancen, am Freitag in Wiesbaden. „Den vielen Jugendlichen und Lehrkräften aus der Ukraine möchten wir entsprechend ihren individuellen Begabungen damit noch stärkere Bildungs- und Berufsperspektiven bieten – auch für den Wiederaufbau ihres eigenen Landes – und zudem ein klares Zeichen der Verbundenheit in schwierigen Zeiten setzen.“
Im kommenden Schuljahr wird Ukrainisch als zweite Fremdsprache gemäß den rechtlichen Grundlagen als Schulversuch (Pilot) angeboten werden. Das heißt, übers Land verteilt werden erste Schulen, an denen viele ukrainische Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden, in die Erprobungsphase starten. Auch Jugendliche ohne ukrainischen Hintergrund könnten das Angebot wählen.
Der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales und Entbürokratisierung in Hessen, Manfred Pentz, betonte: „Wir wussten von Anfang an, dass der Kampf um die Freiheit in der Ukraine lang sein wird. Deshalb ist es konsequent, den ukrainischen Schülerinnen und Schülern auch ein Angebot zu machen, neben Deutsch auch ihre Muttersprache in der Schule zu lernen. Es ist ein Zeichen der Verbundenheit mit der Ukraine. Es ist aber auch ein Beitrag, dass die Identität und Kultur der Ukraine erhalten bleibt. Denn wir wollen die ukrainischen Flüchtlinge nicht entwurzeln, sie gerade nicht von ihrer Heimat abschneiden, sondern ihnen eine Brücke für eine Rückkehr in die Ukraine bauen.“
Zeichen der Verbundenheit
Der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Oleksii Makeiev, dankte dem Land Hessen und Bildungsminister Schwarz für die „beispielgebende Entscheidung“ und sagte: „Wir betrachten es als eine Anerkennung des Ukrainischen als wichtige europäische Sprache. Dies wird der Entlastung unserer Schülerinnen und Schüler dienen, die derzeit in Hessen Schutz vorm russischen Krieg gefunden haben, und allen anderen Ländern in Deutschland ein gutes Vorbild sein.“
Bisher ist es für viele ältere ukrainische Jugendliche ein Problem, dass ihre Flucht nach Deutschland oftmals zum Abbruch ihres bisherigen Bildungsweges führt. Neben Englisch, das als erste Fremdsprache in der Ukraine in der Regel ab der Grundschule gelehrt wird, müssen die geflüchteten ukrainischen Kinder in kurzer Zeit für den gesamten Unterricht Deutsch lernen. Als erforderliche zweite Fremdsprache für die gymnasiale Oberstufe käme allenfalls Russisch in Frage, was als Sprache des Kriegsgegners für die meisten keine Option ist. Die Einführung von Ukrainisch als zweite Fremdsprache kann adäquate Bildungswege mit höher qualifizierten Abschlüssen ermöglichen. Viele Fachkräfteberufe setzen zudem einen weiterführenden Schulabschluss voraus, für dessen Erwerb eine zweite Fremdsprache verlangt wird.
„Weitere ukrainische Lehrkräfte für den Schuldienst in Hessen gewinnen“
Die Gruppe der Jugendlichen aus der Ukraine an hessischen Schulen ist größer als die Gruppe aller in den vergangen zwei Jahren geflüchteten Schülerinnen und Schüler aus den zehn weiteren häufigsten Herkunftsländern zusammen. „Neben den Jugendlichen und der Gewinnung der zumeist gut ausgebildeten Eltern als volle Kräfte für den Arbeitsmarkt könnte das Land weitere der in Deutschland lebenden ukrainischen Lehrerinnen und Lehrer für den Schuldienst gewinnen“, sagte Minister Schwarz.
Oftmals decken die Lehrkräfte aus der Ukraine, die erfahrungsgemäß schnell in deutscher Sprache unterrichten können, zusätzlich Fächer wie Deutsch als Zweitsprache, Physik, Chemie, Mathematik, Musik, Kunst oder Sport mit aktuell hohen Bedarfen ab und würden spürbar zur Unterrichtsversorgung beitragen.
Ukrainisch ist nach Russisch und Polnisch die meistgesprochene slawische Sprache. Die Ukraine ist flächenmäßig das zweitgrößte Land in Europa. Hessen setzt mit dem neuen Angebot auch einen wichtigen Beitrag zum gemeinsamen europäischen Selbstverständnis sowie für die zukünftige wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Land. Mitte Juni wird in Berlin die Ukraine-Wiederaufbaukonferenz stattfinden. Im Dezember 2023 haben die EU-Führungsspitzen beschlossen, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine aufzunehmen.
Hintergrund Fremdsprachenangebot:
In Hessen gibt es ein umfangreiches Fremdsprachenangebot. Das Land hat mit Ausnahme der südasiatischen Sprachen, die auf einen engen Sprachraum begrenzt sind, die zehn meistgesprochenen Sprachen der Welt sowie alle Amtssprachen der Vereinten Nationen in seinem Fremdsprachenportfolio an Schulen. Folgende Fremdsprachen können derzeit von Schülerinnen und Schülern gewählt werden: Englisch (1./2. Fremdsprache), Französisch, Latein, Spanisch (1./2./3.), Italienisch, Russisch, Chinesisch, Polnisch, Arabisch, Portugiesisch (2./3.), Altgriechisch (3.). Hintergrund zu Polnisch: Im deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag (im Jahr 1991 verabschiedet) haben sich beide Nationen u. a. gegenseitig zur Pflege der jeweils anderen Sprache verpflichtet.
Aktuell läuft zudem in Türkisch ein Schulversuch, an dem sich bisher zwei Schulen in Kassel und Lollar beteiligen. Weitere Schulen können bei Bedarf und Interesse im kommenden Schuljahr dazukommen. Entscheidend für die Erprobung ist – wie auch bei allen anderen Fremdsprachen – die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die sich dauerhaft für eine Fremdsprache interessieren und sie belegen wollen, aber ebenso die Bereitschaft der Schule.
Quelle: Hessisches Kultusministerium