Gemeinschaftsschule Bellevue: Ganztags innovativ im Team : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Die über 600 Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Bellevue in Saarbrücken werden von multiprofessionellen Jahrgangsteams begleitet, die in allem gern innovative Wege gehen. Und dies im gebundenen Ganztag.

Schulleitungsteam der Gemeinschaftsschule
Schulleitungsteam der Gemeinschaftsschule © Gemeinschaftsschule Bellevue Saarbrücken

Es ist eine Übereinstimmung, die viel aussagt. Wer mit Mitgliedern des wahrlich multiprofessionellen Teams der Gemeinschaftsschule Bellevue in Saarbrücken spricht, erhält zwar nicht wortgleiche, doch inhaltlich ähnliche Rückmeldungen. „Unsere Arbeit zeichnet sich durch ein großes Miteinander aus“, sagt Schulleiter Wolfgang Scholer. MINT-Koordinator Tobias Jungbär spricht von einem familiären Klima. Auch eine Schülerin betont: „Wir fühlen uns als Team gut aufgehoben und betreut.“ Wolfgang Scholer ordnet dies als „Beziehungsarbeit als Grundlage für den Lernerfolg“ ein.

Die Gemeinschaftsschule Bellevue, die strukturell den nordrhein-westfälischen Gesamtschulen entspricht, besuchen 650 Schülerinnen und Schüler, eingerechnet diejenigen, die nach Klasse 10 in die gymnasiale Oberstufe wechseln. Jahrgangsteams mit Klassenleitungen aus je zwei Tutorinnen oder Tutoren unterrichten und betreuen sie bis dahin. Die Schule mit gebundenem Ganztag arbeitet nach dem Team-Kleingruppen-Modell, kurz: TKM. Wenn eben möglich bleiben diese Teams von Klassenstufe 5 bis 9 zusammen. Auch hier gehören die Teambeziehungen mit zur Basis für den Schulerfolg, beispielweise für die Motivation und die Freude am Lernen. Man kennt und vertraut sich, verträgt auch schon einmal klare Worte.

Mit Binnendifferenzierung ins „Forschungsteam“

Englisch oder Französisch lautet bei der Anmeldung die Gretchenfrage für alle, die nach der Grundschule in die Gemeinschaftsschule wechseln. Englisch ist deutlich stärker gefragt. Wolfgang Scholer und die Didaktische Leiterin Anke Werner machen keinen Hehl daraus, dass der Eltern- und Kinderwunsch, mit Englisch zu beginnen, nicht immer erfüllt werden kann. Die behördlichen Vorgaben erfordern aber eine gleichmäßige Verteilung, und schließlich ist die Grenze zu Frankreich nicht weit. Die Eltern spielen mit? „Ja”, sagt Anke Werner, „sie wissen das ja, wenn sie ihr Kind anmelden.”

Förderung Leistungsstarker ...
Förderung Leistungsstarker ... © Gemeinschaftsschule Bellevue Saarbrücken

Sicher können alle Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Bellevue indes sein, dass sich die Schule um jede und jeden individuell kümmert. Binnendifferenzierung ist ebenso selbstverständlich wie die Aufteilung in Grund- und Erweiterungskurse ab Klasse 7. Etwas Besonderes hat sich die Schule neben dem Förderunterricht für alle zur Förderung Leistungsstarker einfallen lassen. Für drei Stunden gibt es bereits in den Jahrgängen fünf und sechs freitags eine herausfordernde Projektarbeit für ein „Forschungsteam“: Zuletzt war das ein „Spioncamp“, davor auch schon einmal eine Zeitreise zu den Dinosauriern.

Rund 25 Prozent aller Schülerinnen und Schüler wechseln jährlich in die gymnasiale Oberstufe. Sie ziehen dann ins Gebäude der Gemeinschaftsschule Bruchwiese um, wo der Oberstufenverbund Saarbrücken-Stadtmitte die Schülerinnen und Schüler aus fünf Gemeinschaftsschulen der Stadt aufnimmt: neben den Gemeinschaftsschulen Bellevue und Bruchwiese auch aus der Gemeinschaftsschule Ludwigspark sowie aus Güdingen und Kleinblittersdorf .

Intensive Kommunikation im Kollegium

Den Schülerinnen und Schülern verborgen bleibt häufig die Sisyphusarbeit im Hintergrund. Ende April jeden Jahres füllen alle Kolleginnen und Kollegen für den Teamfindungsausschuss ihren Wunschzettel aus: „So stelle ich mir meinen Unterrichtseinsatz im kommenden Schuljahr vor.” Dabei melden sich auch jene Lehrkräfte, die gerne in der Oberstufe eingesetzt werden möchten. Und das Puzzle beginnt. Schließlich müssen die Jahrgangsteams wieder aufgefüllt werden. Die Wunschzettel werden gesichtet und es wird gemeinsam basisdemokratisch entschieden, wer wann wo unterrichtet. „Nicht immer können die Wünsche erfüllt werden, so wie an Weihnachten“, sagt Schulleiter Wolfgang Scholer schmunzelnd.

Denjenigen, deren Einsatzgebiet nur die Sekundarstufe I ist, haben wiederum den Vorteil, dass ihnen der Stress des Standortwechsels erspart bleibt. Denn nicht selten stehen gerade einmal 20 Minuten zur Verfügung, um aus dem Standort Bellevue ins Stadtzentrum zu hecheln. Der Einsatz eines Fahrrads bewährt sich dann. „Einflieger“ werden in den Jahrgängen fünf bis zehn jene Lehrkräfte liebevoll genannt, die neu zum vertrauten Team hinzustoßen.

AG „Podcast/Social Media“
AG „Podcast/Social Media“ © Gemeinschaftsschule Bellevue Saarbrücken

Darüber und vieles mehr wird sich in zahlreichen Gremien intensiv ausgetauscht. „Unsere Multiprofessionalität erfordert dies, wenn wir die Chancen, die darin liegen, nutzen wollen“, sagt Anke Werner. Grund- und Hauptschullehrkräfte ebenso wie Lehrkräfte der Sekundarstufen I und II kommunizieren mit Förderlehrkräften, Schulsozialarbeitenden, Strukturhelferinnen und -helfern, Integrationsfachkräften, Referendarinnen und Referendaren, Mitarbeitenden aus den Stadtteilbüros oder auch mit der monatlich einmal anwesenden Schulpsychologin.

Schülerinnen und Schüler fördern

Die „Gremien“ reichen vom „Jour Fixe“ des Teams Inklusion bis zur Koordinierungskonferenz zwischen Teamsprechern und Schulleitung. Dabei ist die Devise: „Möglichst viel Transparenz und Offenheit im Blick auf die Bedürfnisse aller Schülerinnen und Schüler.“ Diese fallen naturgemäß sehr unterschiedlich aus. Wer beispielweise noch wenig Kenntnisse der deutschen Sprache hat (derzeit hat die Schule zum Beispiel 130 syrische und 40 ukrainische Schülerinnen und Schüler), wird Woche für Woche in der Sprache fit gemacht, ohne ständig aus der Klassengemeinschaft gerissen zu werden.

Eine große Hoffnung, die die Schulleitung aktuell umtreibt, ist die künftige Festanstellung einer zusätzlichen Fachlehrerin für Deutsch als Zweitsprache, der ukrainischen Deutschlehrerin Ivanna Biloshytska. Schulleiter Wolfgang Scholer: „Wir hoffen, dass ihre Diplome und beruflichen Erfahrungen alle anerkannt werden und dass wir sie fest an uns binden zu können.“ Bislang wurde die Stelle aus dem auslaufenden Corona-Fonds „Aufholen nach Corona“ finanziert.

In solchen Fragen entwickelt die Schule schon immer Kreativität und bemüht sich um Fördertöpfe. So auch, wenn es um die Bezahlung der Strukturhelferinnen und -helfer geht, die Kinder mit sozial-emotionalem Förderbedarf unterstützen und sowohl für die Kinder, als auch für das Kollegium nicht zu bezahlende Dienste leisten. Dabei sind sie nicht, wie früher, einem einzelnen Kind oder Jugendlichen zugeordnet. Anke Werner: „Der große Vorteil ist, dass sie dort eingreifen können, wo Unterstützungsbedarf besteht – unabhängig von einer konkreten Person.“ Der Regionalverband Saarbrücken hat dafür mit einigen Schulen den Modellversuch „Schulstrukturhelfermodell“ gestartet.

Neue gute Ideen für das Ganztagsangebot

Picobello-„Frühjahrsputz für die Umwelt“ im Saarland
Picobello-„Frühjahrsputz für die Umwelt“ im Saarland © Gemeinschaftsschule Bellevue Saarbrücken

Sich auf dem Erreichten und dem guten Ruf auszuruhen, ist die Sache der Gemeinschaftsschule Bellevue nicht. Eine eigene Arbeitsgruppe beschäftigt sich derzeit intensiv mit der Rhythmisierung des Schulalltags. „Wir fragen uns, ob unsere Tagesstruktur noch passt“, sagt Anke Werner. Das Kollegium denkt über die Dauer der Unterrichtseinheiten nach und will vielleicht 70- Minuten-Stunden einführen. Ebenso geht es um die Frage der Lernzeiten oder um die Möglichkeit, häufiger klassenübergreifend zu arbeiten.

„Wir haben uns Konzepte anderer Schulen angeschaut und finden vieles spannend“, berichtet die Didaktische Leiterin. Sie hält viel von einer stärkeren Coaching-Funktion der Lehrkräfte. Doch bei jeder Neuerung weiß sie: „Dabei müssen wir das Kollegium aber immer mitnehmen.“ Schulleiter Wolfgang Scholer ergänzt: „Viele gute Ideen scheitern auch noch an organisatorischen Zwängen.“ Ein solcher ist etwa das Mittagessen, das aufgrund der Platzverhältnisse enge zeitliche Abläufe erzwingt und damit eine neues Zeitmodell erschwert.

Neue gute Ideen gibt es auch für das Ganztagsangebot. Viele wurden bereits umgesetzt. In vier der acht Ganztagsstunden, die in der gebundenen Ganztagsschule allen Schülerinnen und Schülern zugutekommen, erledigen die Schülerinnen und Schüler anstelle von Hausaufgaben Wochenplanaufgaben. Zwei dieser Stunden verteilen sich auf über 20 Arbeitsgemeinschaften. Diese werden in der Regel von Lehrkräften und außerschulischen Kooperationspartnern angeboten und reichen von der AG „Natur und Umwelt/Garten“ über „Astronomie“ bis zu „Italienisch“ und „Podcast/Social Media“. Das von der Schülerfirma betriebene „Café Bellevue“ wirbt „mit ausgezeichnetem Kaffee“, köstlichen Tartes und Quiches sowie dezenter französischer Musik im Hintergrund. Die „kleine Oase im Herzen der Schule“ ist sowohl Rückzugsort in der Mittagsfreizeit als auch Ort französischer Kulturveranstaltungen oder Treffpunkt für Eltern am Tag der offenen Tür.

Innovative Wege gehen

Und dann gibt es noch ProM – „Projekte und Methoden“, ein Angebot in den Bereichen Sport, Kultur, Technik und Kreativität als Teil der Arbeitsgemeinschaften. Wolfgang Scholer würde die Projektarbeit gern erweitern. Die Begeisterung ist ihm anzumerken, wenn er vom Lesecafé in der Mittagsfreizeit, einer speziellen Förderung der französischen Sprache, der Mathewerkstatt für Experimentierfreudige, den Schülersanitätern oder dem Projekt „Schüler-Meditation“ berichtet.

Besuch beim deutsch-französischen Theaterfestival
Besuch beim deutsch-französischen Theaterfestival © Gemeinschaftsschule Bellevue Saarbrücken

Zu den jüngsten Erfolgen der Gemeinschaftsschule Bellevue gehört die Auszeichnung als „MINT-freundliche Schule“ im Netzwerk „MINT Zukunft schaffen“. MINT- und Berufsorientierungskoordinator Tobias Jungbär nimmt sich mit einem Team von acht Lehrkräften dieses Themas an der Gemeinschaftsschule Bellevue an. Er freut sich über die besondere MINT-Förderung der Schülerinnen an der Schule und über die enge Kooperation mit namhaften Unternehmen der Region sowie der Universität des Saarlandes. So können zusätzliche Praktikumsideen und ‑plätze gewonnen werden. Die Berufsvorbereitung beginnt schon in Jahrgang 7 mit Schnupperpraktika.

Das „Schlusswort“ hat Schulleiter Wolfgang Scholer. Er unterstreicht die Bereitschaft seines Kollegiums, innovative Wege zu gehen: „Bei allem vergessen wir das Wichtigste nicht – unseren Schülerinnen und Schülern durch guten Unterricht eine gute Bildung zu ermöglichen. Gleichgültig, welchen Weg sie letztendlich einschlagen.“

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